Anzeige
Anzeige
Arbeitswelt

Interview mit Karsten Dambekalns

Fische, Datenbank-Abstraktion, WebDAV-Schnittstelle und Groupware: All diese Begriffe scheinen, glaubt man google und Co., im Zusammenhang mit einer Person zu stehen, die in letzter Zeit für grundlegende Neuerungen in TYPO3 verantwortlich war: dem TYPO3-Kern-Entwickler Karsten Dambekalns.

7 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige

42b32c085b0a4704a7037e75b24f48db_print

Anzeige
Anzeige

T3N-Magazin

Karsten Dambekalns

Anzeige
Anzeige

Herr Dambekalns, Sie werden sicherlich des öfteren auf Ihren Nachnamen
angesprochen. Fällt Ihnen dazu eine Geschichte ein?
Aber ja. Der Name selbst hat zwar keine wirkliche Bedeutung, auch wenn „Kalns“
das lettische Wort für „Berg“ ist, aber dennoch gibt es folgende Geschichte dazu: Da das Namensgesetz von Lettland (das Herkunftsland meiner Frau) dem Standesbeamten nicht bekannt war, wurde bei meiner Hochzeit das russische Recht angewandt. Demnach konnte ich schlecht den
„weiblichen“ Nachnamen „Dambekalna“ annehmen, sondern es musste „Dambekalns“ heissen. Aber
halt – nach deutschem Recht müssen nach einer Eheschließung, bei der eine Person den Namen des
anderen annimmt, hinterher beide den gleichen Namen tragen. Also blieb dem
Standesbeamten nichts anderes übrig, als auch den Namen meiner Frau auf Dambekalns zu
ändern. Dies nun den lettischen Behörden zu erklären war zwecklos. Im Pass meiner Frau
steht noch immer „Dambekalna“.
Bevor Sie zu TYPO3 kamen, waren Sie maßgeblich an der Entwicklung des
Groupware-Open Source-Projekts „more.groupware“ beteiligt. Wie kam es zu dem
Interessenwechsel?
Hier gibt es eigentlich keinen wirklichen Interessenwechsel. Es ist einfach so,
dass TYPO3 mehr Momentum hat. Die Arbeit ist interessanter und auch wirtschaftlich erfolgversprechender. Dennoch bin ich noch immer Project-Leader von „more.groupware“ und
würde liebend gern auch dort mehr Bewegung sehen. Allerdings stehen die wenigen aktiven
Entwickler (nach letzter Zählung drei) vor massiven Aufgaben: Es gibt zahlreiche
verwaiste Module, das Framework braucht eine grundlegende Auffrischung und auch die
Dokumentation hat Lücken. Falls einer der Leser also keine Lust mehr hat auf TYPO3,
ich hätte da eine Alternative anzubieten (lacht).
Denken Sie des öfteren darüber nach, warum es keine Groupware-Lösung als
TYPO3-Extension gibt?
Die Frage habe ich mir schon gestellt. Ich denke ein Grund ist, dass eine
Groupware-Lösung sehr viel Arbeit ist. Man kann relativ schnell eine Extension
programmieren, eine Groupware jedoch besteht aus mehr Komponenten, als man auf den
ersten Blick wahrnimmt. Zu allem Überfluss sind diese – oder sollten es sein – stark
miteinander verzahnt. Daher fällt es schwer, sich zur Neuentwicklung einer
TYPO3-basierten Groupware aufzuraffen, zumal man auf dem Markt gegen Schwergewichte wie
Kolab oder OpenGroupware antreten muss. Schließlich ist eine reine web-basierte
Groupware wohl auch nicht mehr zeitgemäß: die Datenhaltung in gut zugänglichen Systemen
wie LDAP- und IMAP-Servern ist notwendig, um den transparenten Zugriff auf die Daten
sowohl mit dem Desktop-Client im Büro als auch dem Browser unterwegs zu ermöglichen.
Welche Groupware-Lösung setzen Sie ein?
Nach wie vor more.groupware! Da wir als relativ kleine Agentur einen recht
überschaubaren Datenstamm haben, dürfte die Frage nach der von uns benutzen Groupware
allerdings nur von begrenztem Interesse sein. Schließlich kann man nicht davon ausgehen,
dass die von uns genutze Lösung auch für weltumspannende Konzerne das
Richtige ist – zudem auch wir, wie vermutlich viele kleinere Agenturen, eine gewachsene
Infrastruktur haben. Da steht der Samba-Server einträchtig neben der Installation von
SQL-Ledger, ein Windows-Rechner mit VNC-Server neben der Kiste mit Groupware und
CVS-Repository. Für eine echte Integration – beispielsweise von more.groupware und
SQL-Ledger – fehlten bisher immer Zeit und Leidensdruck.
Sie sind als Entwickler des Database Abstraction Layers (DBAL) maßgeblich an
der Professionalisierung von TYPO3 beteiligt. Würden Sie TYPO3 mit professionellen
Datenbanksystemen wie Oracle oder DB2 in Produktivsystemen einsetzen bzw. gibt es eine
entsprechend stabile Unterstützung?
Wir nähern uns definitv einem Zustand, in dem dies möglich ist. Nachdem sehr
lange kaum Bugreports für die DBAL-Extension vorlagen, kam nach der ersten Beta von
TYPO3 4.0 wie erwartet Bewegung in die Sache. Zudem wird mittlerweile auch in großen
Projekten unter Oracle gearbeitet, so dass auch von dort Erfahrungen einfließen konnten.
Wirklich im harten Projektalltag getestet wurden bisher allerdings nur Oracle und
PostgreSQL. DB2 und MSSQL stehen hier noch hinten an. Eines sollte man allerdings nicht
außer Acht lassen: mit dem DBAL lassen sich keine Leistungs-Probleme lösen. Wer mit
MySQL zu wenig Leistung einfährt, wird mit Oracle und der DBAL-Extension dies nicht
automatisch lösen! Es geht eher um die zusätzlichen Möglichkeiten der genutzen
Datenbanken, bereits vorhandene Infrastrukturen die weiter genutzt werden sollen, den
transparenten Zugriff auf weitere Datenbanken parallel zu MySQL und die Möglichkeit
spezieller DBAL-Handler. Dies sind die Vorteile des DBAL, die den Ausschlag geben
sollten.
Auf der TYCON3 – der ersten internationalen TYPO3-Konferenz im September 2005 in
Karlsruhe – haben Sie Vorträge zu DBAL und der FTP-Alternative WebDAV gehalten. Wie
waren Ihre Erfahrungen? Würden Sie noch einmal auf der TYCON (demnächst als T3CON bezeichnet) einen Vortrag
halten?
Auf jeden Fall! Die Konferenz hatte eine tolle Atmosphäre, genau die richtige
Mischung auf Professionalität und dem Charme einer Open-Source-Community. In die Lage
eines „echten“ Besuchers kann ich mich natürlich nur schwer hineinversetzen, aber ich
denke die Vorträge haben jedem etwas geboten. Und da ich fest davon ausgehe, dass die
Qualität der Veranstaltung – organisatorisch und inhaltlich – nochmals gesteigert werden
wird, kann ich die Konferenz nur zum Pflichtprogramm für professionelle Nutzer erklären.
Wo sehen Sie Ansätze eine WebDAV-Schnittstelle in TYPO3 zu integrieren? Welche
Vorteile würden Sie erwarten?
WebDAV ist vor allem für den Upload von Daten interessant, die momentan nur
umständlich in das System kommen können. Uploads über den Fileadmin im BE können doch
recht umständlich sein, wenn es beispielsweise um zahlreiche Bilder geht. Perspektivisch
– wir reden hier von 5.0 oder später – wäre auch ein transparenter Datenaustausch
zwischen TYPO3 und OpenDocument-Dateien denkbar, so dass die WebDAV-Schnittstelle in
manchen Situationen gar das BE ersetzen könnte. Redakteure könnten sich durch eine
Ordnerstruktur mit Dateien bewegen, um Seiten und Inhalte zu bearbeiten. Für mich als
Entwickler ist vor allem spannend, was im Bereich der Template-Bearbeitung mit WebDAV
möglich wäre. Nicht nur der Zugriff auf HTML-Templates und CSS-Dateien, sondern auch das
Bearbeiten von TypoScript in Template-Datensätzen mit dem Lieblingseditor – das wäre
wunderbar! Einen großen Vorteil bieten all diese Möglichkeiten: die Arbeit geht
schneller und einfacher von der Hand.
Wie sehen Sie Ihre Beziehung zu TYPO3 – mehr geschäftlich oder doch privat?
Ohne die private Komponente wäre es auf jeden Fall eine völlig andere
Beziehung. Am Anfang war TYPO3 für mich vor allem eien technisch faszinierende Software,
und mit der Zeit wurde aus dieser Faszination Verwunderung darüber, wie ein einzelner
Programmierer so weitreichende Konzepte in dieses System integriert hatte. Natürlich
bekam ich mit der Zeit auch einen Einblick in die Community, war aber trotzdem
überrascht, auf meiner ersten Snowboard-Tour 2004 so viele wirklich nette und
interessante Menschen kennenzulernen. Mittlerweile bin ich noch stärker in das Projekt
eingebunden und kann das Verhältnis zum „harten Kern“ als äußerst angenehm und
freundschaftlich bezeichnen. Dies ist nach unserer Meinung, also der der Kernentwickler,
auch einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg des Systems. Es geht um Begeisterung und
gegenseitige Motivation, aber auch um Hilfe wenn der Mut mal sinkt. Im Hinblick auf die
große Aufgabe vor die uns Version 5.0 stellt, ist dies um so wichtiger. Dass ich
mittlerweile meine Begeisterung für TYPO3 auch durch Projekte rund um TYPO3 finanzieren
kann, ist da natürlich sehr angenehm.
Mit ihrer braunschweiger TYPO3-Agentur „fishfarm netsolutions“ realisiern Sie
TYPO3 Projekte und sind auch im TYPO3Partner-Netzwerk organisiert. Wie sehen Sie ihre
geschäftliche Zukunft?
Positiv. Ob wir in 10 oder 15 Jahren unser Geld noch mit TYPO3 verdienen, kann
ich nicht sagen, aber bis auf weiteres sehe ich der weiteren Entwicklung mit Spannung
und Zuversicht entgegen. TYPO3 wird immer weiter in Bereiche vordringen, die bisher von
kommerziellen Systemen dominiert wurden. Auch die Projekte werden interessanter, es geht
nicht mehr nur um Websites, sondern um Lösungen die eben nicht mehr von der Stange zu
kaufen sind. Hier kann TYPO3 seine Stärken voll ausspielen und ist so auch für uns als
Anbieter ein Erfolgsfaktor. In ferner Zukunft mag sich das TYPO3 wie wir es heute
kennen, vollständig verändert haben – dennoch kann ich mir vorstellen, dass es das
Projekt noch immer gibt. Auch andere Projekte haben eine solche Lebensdauer, es geht vor
allem darum, notwendige Veränderungen zu erkennen und sich nicht vor ihnen zu
verschließen. Gelingt uns dies, würde ich sehr gern auch in einigen Jahren unser
Geschäft auf Basis von TYPO3 vorantreiben.
Gibt es weitere OpenSource-Projekte neben TYPO3, die Sie sofort weiterempfehlen
würden?
Aber natürlich. Ich arbeite nahezu ausschließlich mit Open-Source-Software, und
bin bisher für alle Zwecke fündig geworden. Nicht jede Software ist für Einsteiger gut
geeignet, das ist richtig, aber es gibt schon einige Perlen, die ich uneingeschränkt
empfehlen würde: natürlich Linux, The GIMP, Blender, Audacity, OpenOffice, Subversion
und vieles mehr. Muss ich Firefox erwähnen? Dann wären da noch SQL-Ledger, Scribus,
PostgreSQL, MySQL, Apache, … die Liste könnte ich sicher noch verlängern. Ich denke,
ein Fazit kann man unbesorgt ziehen: Open-Source-Software ist längst konkurrenzfähig. Es
wird in diesem Bereich zwar auch viel gebastelt, zuwenig auf Usability geachtet und es
droht immer die gefahr von Wildwuchs. Aber Windows „funktioniert“ doch für die breite
Masse auch nur weil sich immer jemand findet, der sich damit auskennt. Und
die Fraktion der „welches Tool soll ich nehmen“-Kritiker soll sich einfach mal auf
www.tucows.com das beste Windows-Programm für Aufgabe XY aussuchen – dabei wünsche ich viel Spaß!
Familie und Beruf, das ist wie…
Tage mit 12 Stunden – irgendwie fehlt immer Zeit. Es gibt Momente, da verflucht
man das Internet und den Laptop, ohne die man vielleicht sein Eiscafé den Winter über
geschlossen hätte. Aber so arbeitet man in einem Umfeld, in dem Zeit und Ort fast keine
Rolle spielen. Dass dies nicht immer leicht ist, wird auch vielen Lesern nicht fremd
sein. Andererseits gibt es natürlich auch die Momente, in denen man als selbstständiger
Entwickler froh ist, flexibler mit seiner Zeit umgehen zu können. Bemerkenswert ist für
mich, wieviel „Familie“ zurückgibt, allem Stress zum Trotz. Kinder verändern den Blick
auf die Dinge, man wächst mit seinen Aufgaben, … – all diese Binsenweisheiten
bewahrheiten sich tatsächlich.
Was haben Sie nach diesem Interview vor?
Weiter am neuen Extension Manager arbeiten. Aber vorher mache ich mir einen
Kaffee!

Anzeige
Anzeige
Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige