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Startups & Economy

6 Wunderkinder – die Berliner App-Shootingstars im Porträt

Mit ihrer viel gelobten Todo-App „Wunderlist“ hat sich das Berliner Startup „6 Wunderkinder“ ins Rampenlicht katapultiert. Jetzt finalisieren sie ihr eigentliches Produkt: „Wunderkit“. Wunder über Wunder? Oder einfach harte Arbeit? Wir trafen Christian Reber, einen der Gründer. Und natürlich haben wir ihn gefragt, wie sie darauf gekommen sind, sich selbst als „Wunderkinder“ zu bezeichnen.

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Von der Chausseestraße abbiegen, hinein in die Wöhlertstraße. Vorbei an leicht schäbigen Mietshäusern, bei der Nummer 12-13 in den Hinterhof und hier erst einmal ratlos vor dem schönen vierstöckigen Bürogebäude aus der Jahrhundertwende stehenbleiben. Wo sind sie denn nun, die Wunderkinder? Ihre Büros hier in Berlin Mitte haben sie zum Zeitpunkt unseres Besuchs frisch bezogen. Von einem Schild ist weit und breit noch keine Spur. Gut, dass der Handwerker bescheid weiß, der gerade den Fahrstuhl repariert: „Wunderkinder? Die kenn ick. Vierter Stock.“ Der dritte Stock ist es dann und Christian Reber fängt mich an der Tür ab.

Er ist einer der ursprünglichen und namensgebenden sechs „Wunderkinder“. 25 Jahre alt, dynamisch, freundlich, selbstbewusst, aber dabei auf eine angenehme Art unaufgeregt. Mit 20 hatte er mit einem Freund den Musikdienst „Mucelli“ gestartet, der innerhalb von vier Wochen 200.000 Nutzer hatte und den sie schließlich verkauft haben. Der Freund von damals ist auch heute dabei.

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Auf der Website der Wunderkinder kann man nachlesen, dass Christian Reber „immer groß denkt“ und davon träumt, „die Online-Business-Welt zu erobern“. Und was er selbst nicht erwähnt, aber im Netz über ihn zu finden ist: Seitdem er 12 ist, entwickelt er Software und hat sich sieben Programmiersprachen angeeignet. Sitze ich hier also wirklich einem Wunderkind gegenüber? Oder versteht es dieses Berliner Startup lediglich geschickt, mit einem Hauch amerikanischer Großspurigkeit aufzutreten?

Die Büroräume der „6 Wunderkinder“ haben dieses gewisse Flair, das man mit Berlin verbindet: eine Mischung aus genieteten Stahlträgern und modernen Glaswänden. Einen Besprechungsraum gibt es nicht, wir sitzen zum Interview auf zwei Couchen.

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Das Arbeitsmodell ist dagegen ganz klassisch: Alle sitzen hier vor Ort. Ist das nicht ein wenig konservativ für ein Web-Startup im Jahr 2011? Natürlich kennt Christian Reber solche Schlagwörter wie „New Work“, oder „Co-Working“, aber: „Das funktioniert nicht für junge Teams.“ Als Startup arbeite man an einer Idee, die man manchmal selbst noch nicht ganz fassen kann. „Da musst du viel kommunizieren. Das funktioniert nun einmal am besten, wenn du hier direkt sprechen kannst“, erklärt er.

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Als ich an diesem Tag mit Christian Reber zusammensitze, sind es bereits 25 Wunderkinder, die hier arbeiten. Das Wachstum geht weiter, dabei ist die Gründung noch nicht einmal ein Jahr her.

Der Ursprung für all das ist eine Nachricht auf Xing: „Who’s with me creating the next innovative web app?“ fragt Christian Reber in die virtuelle Runde. Zu dem Zeitpunkt hat er mit den anderen Wunderkinder-Gründern noch die Webagentur „Innovatics“ und sie wollen etwas Neues machen. Es gibt da so eine Idee für ein neues Produkt… Aber wie wandelt man das in ein Startup um? Wie kommt man an Investorengeld? Solche und andere Fragen sind vollkommen offen.

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Die Resonanz auf die Xing-Nachricht ist gering: Nur eine einzige Reaktion erreicht Christian Reber. Die aber hat es in sich und ist entscheidend für alles, was danach passiert: Frank Thelen meldet sich, der gemeinsam mit Marc Sieberger in der Folge dafür sorgt, dass die Wunderkinder mit Startkapital versorgt werden.

Investorengeld für „Slideware“

Der High-Tech Gründerfonds investiert schließlich 500.000 Euro. Drei Monate läuft dafür der Entscheidungsprozess, mehrmals präsentieren sie ihre Idee und müssen sich bohrende Fragen bis ins Detail gefallen lassen. Wie ist der Markt beschaffen? Wie sieht das Hosting-Konzept aus? Ist der Zeitplan realistisch?

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Im Prinzip hatten die Gründer bis dahin nur „Slideware“: Alles existierte allein auf PowerPoint-Folien. Ziel ist das Produkt „Wunderkit“. Das wird eine plattformübergreifende Software, die Menschen, Teams, Firmen, Vereinen und anderen dabei helfen soll, sich und ihre Aufgaben zu organisieren. Das Potenzial ist enorm. Zwar gibt es vergleichbare Angebote bereits auf dem Markt, aber die Wunderkinder sind überzeugt, mit den Funktionen, dem Design und dem Preismodell überzeugen zu können.

Nicht zuletzt kennen sie selbst gut den Bedarf an einem solchen Produkt: Die Idee entstand direkt aus ihren Erfahrungen bei der Webagentur. Und wenn sie ein solches Tool vermissen, geht es doch vielleicht vielen anderen ebenso? Daran glaubt neben dem High-Tech Gründerfonds inzwischen auch die Deutsche-Telekom-Tochter T-Ventures, die eine unbekannte Summe investiert hat.

Aber wie kommt man überhaupt an Investorengeld? Hilfreich sei, wenn man sich vorher bereits eine Reputation aufgebaut hat, erklärt Christian Reber. Man hat beispielsweise ein Blog, hat bereits ein anderes Projekt umgesetzt und sich bei wichtigen Personen bekannt gemacht. Wer auf sich aufmerksam machen wolle, sollte Konferenzen besuchen, auch einmal selbst einen Vortrag halten, sagt Christian Reber. „Man darf keine Angst haben, mit den Leuten in Kontakt zu treten, nur weil man es noch für zu früh hält.“ Man müsse zeigen, dass man es ernst meine und sich in der Thematik auskennt.

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Ein Mentor ist zudem sehr hilfreich. Es gebe in Deutschland aber leider nur wenige Persönlichkeiten, die sich Ideen von Gründern anhören und überlegen, ob die Idee gut ist und das Team passt. „Solche aktiven Business Angels bräuchten wir mehr: Leute, die praktische Tipps geben können, die einen auf schwierige Situationen vorbereiten und die das Basiswissen rund um die Investorenbranche vermitteln.“

Besonders positiv war im Fall der Wunderkinder, dass der Kern schon bei der gemeinsamen Webagentur über Jahre zusammengearbeitet hat. Denn: Wer ein Startup auf die Beine stellt, muss zueinander halten können – auch in schlechten Zeiten.

Erfolgsrezept schönes Design

Bislang läuft es für die Wunderkinder allerdings bestens. Mit einem geschickten Schachzug haben sie schon jetzt für Aufmerksamkeit weit über Deutschland hinaus gesorgt: Weil es gut ein Jahr dauern würde, Wunderkit fertig zu stellen, brachte das Startup mit „Wunderlist“ eine Funktionalität daraus vorab als App heraus – kostenlos und inzwischen für Windows, Mac OS X, iOS, Android und im Web verfügbar. Funktionalität, Design und Usability hat dabei viele begeistert. Dass Wunderlist aus Deutschland kommt, ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen, denn sowohl die Website als auch die Software sind zunächst allein auf Englisch verfügbar gewesen. Zumindest bei der App kommen laufend Sprachen hinzu, denn so verbreitet Englisch auch ist: Besser funktioniert es in der jeweiligen Landessprache.

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Wunderlist war in vielerlei Hinsicht ein Wundermittel für die Wunderkinder, gerade auch in Sachen Marketing: Bislang hat die junge Firma „null Euro“ für Werbung ausgegeben. Und das soll möglichst so bleiben. Die Wunderkinder setzen stattdessen ganz auf virale Effekte.

Ein Erfolgsrezept dabei: schönes Design. Das betrifft nicht nur die App, sondern schon die Website. Das erste, womit die Wunderkinder aufgefallen sind, ist ihre ungewöhnliche Teamseite. Jeder Mitarbeiter wird mit einem individuellen Bild und einem Text vorgestellt wie ein kleiner Star. „Wir haben uns bei CSS-Galleries eingetragen. Hier bewerten Nutzer des Design einer Website. Wir dachten: Wäre doch ein guter Startpunkt, einmal mit der Optik zu beginnen“, erklärt Christian Reber. Und das hat funktioniert.

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Letztlich war der Testballon Wunderlist nicht nur fürs Marketing hilfreich: „Wir haben viel gelernt, was wir nun für Wunderkit gut gebrauchen können“, sagt Christian Reber und meint damit auch und vor allem die technische Seite. Eine App plattformübergreifend zu entwickeln und anzubieten, ist in der Praxis eben doch schwieriger, als man vielleicht selbst erhofft. So setzen die Wunderkinder unter anderem auf Appcelerator Titanium. Das Open-Source-Tool leistet im Prinzip genau, was die Wunderkinder brauchen: Man geht von einem Satz Technologien wie JavaScript, HTML, PHP etc. aus und kann daraus native Apps für Smartphones, Tablets und den Desktop generieren lassen. Klingt gut, nur gibt es in der Praxis doch immer wieder Hürden. Wunderkit wird nun direkt nativ auf allen Plattformen entwickelt.

„Du kannst einfach bessere Qualität anbieten“, sagt Christian Reber. Mit Titanium befindet man sich schließlich immer in der zweiten Reihe. „Wenn Apple etwas Neues herausbringt, müssen wir warten, bis Appcelerator das implementiert hat.“ Am liebsten wäre ihm ja, man könne eine HTML5-App entwickeln, die dann auf allen Plattformen funktioniert. „Das wäre eine Traumvorstellung!“

Das Prinzip von „release early, release often“ findet er dabei zwar gut und nachvollziehbar – für ihr eigenes Projekt wollen sie es aber nicht anwenden. „Ich finde es besser, sich Zeit zu lassen und am Ende mit einem guten Produkt herauszukommen.“ Wunderkit habe bislang sicher 500 Schleifen durchlaufen, um das Produkt immer weiter zu verbessern.

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Ob das klappt, und ob die Nutzer dann so begeistert sind, dass sie Wunderkit zum Erfolg verhelfen, ist jetzt noch nicht abzusehen. Christian Reber konnte uns eine Vorversion von Wunderkit zeigen und die Wunderkinder haben sich hier erneut viele Gedanken darüber gemacht, wie die Nutzerführung am besten funktioniert und wie man die Funktionen optisch ansprechend verpackt. „Wir haben uns allein für das Navigationskonzept ein halbes Jahr Zeit gelassen und diverse Varianten ausprobiert.“ Anders gesagt: Sie setzen auf solide Arbeit und nicht auf Wunder.

„Die beste Zeit für Startups“

Bald wird sich zeigen, ob es passend oder großspurig war, sich selbst zu Wunderkindern zu erklären. Dass der Name „gewisse Erwartungen“ weckt, sei jedenfalls erst im Nachhinein so richtig klar geworden. „Wir wollten einen deutschen Begriff, der auch international funktioniert“, sagt Christian Reber. Besonders in den USA kommt die Bezeichnung „Wunderkinder“ gut an – und bei Investoren sowieso. „Die stehen einfach auf ambitionierte Ideen“, sagt Christian Reber. Und auch die Mitarbeiter mögen es natürlich, wenn sie ganz offiziell zum Wunderkind werden.

Wunder hin oder her: Am Ende muss auch dieses Startup Geld verdienen. Die Todo-App Wunderlist ist kostenlos und soll es auch bleiben. Das erste Geld soll durch Wunderkit hereinkommen. Das genaue Preismodell wird erst beim Launch bekannt gegeben. Klar ist eines: Man wird Wunderkit auch kostenlos nutzen können. Darüber hinaus gibt es monatliche Abos.

Den Wunderkindern hilft in Sachen Finanzen, dass sie beispielsweise auf Amazons Hosting-Services setzen können und damit die Kosten überschaubar bleiben. „Ihr seid in der besten Zeit für Startups, sagen unsere Investoren immer“, erklärt Christian Reber. Die Hürden sind generell sehr niedrig, damit sich ein neues Tool schnell verbreitet.

Ein schlagendes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist Google+, das trotz beschränktem Zugang keine vier Wochen brauchte, um 20 Millionen Nutzer zu haben. Christian Reber hat das verblüfft und fasziniert, denn es zeigt, was alles möglich ist.

Natürlich wollen sich die Wunderkinder nicht mit solchen Branchenriesen wie Facebook oder Google vergleichen. Oder vielleicht doch? Insgeheim gibt es bestimmt diesen Gedanken. Die Investoren jedenfalls sehen in Wunderkit und dem Team dahinter großes Potenzial.

Und wie heißt es doch so schön? Wunder gibt es immer wieder…

[10.02.2012. Es handelt sich um einen Artikel aus dem t3n Magazin Nr. 15, erschienen im August 2011. Im vergangenen Monat ist die Wunderkit Beta erschienen, seit Anfang Februar ist das Projektmanagement-Tool für alle Anwender offen.]

Blick ins Wunderkit

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5 Kommentare
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Dein t3n-Team

Lisa

Sehr interessanter Artikel, vielen Dank!

Antworten
Philipp

Tolles Marketing (t3n hilft wo’s nur geht) und ein schwaches Produkt.

Antworten
Timmy

Das Design von 6wunderkinder ist schon bestechend, doch ich muss mich Philipp anschließen. Das Produkt ist trotz des Designs nicht so stark wie es sein müsste. Ich habe es getestet und war nicht so angetan. Irgendwie hat sich das Gefühl von „was, das soll es gewesen sein?“ bei mir breit gemacht. Mir persönlich fehlt das „Killerfeature“ das es den anderen ToDo-Listen in Kombination mit Projektmanagement überlegen macht. Aber warten wir ab was noch kommt…

Antworten
zulu

Der Artikel ist zwar schon älter, aber ich finde es total spannend und interessant hinter die Kulissen einer Firma zu blicken.

Bitte mehr (Büro-) Fotos und Firmenvorstellungen!

Antworten
Chris

Timmy hat es richtig erklärt, allerdings scheint es mir das die Jungs davon leben können, und in der heutigen Zeit ist das so manchesmal mehr als man erwarten kann. Die Jungs sind noch recht jung da ist noch viel Potenzial nach oben.

Antworten

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