Mobile Payments: Ein Marktüberblick zum Bezahlen per Smartphone

Ende Mai ging es durch die Presse: Google veröffentlicht sein mobiles Bezahlsystem „Google Wallet“. Endlich! Schließlich wartet ein Großteil der Handynutzer-Schar seit über zehn Jahren darauf, ihr Mobiltelefon auch zum Bezahlen zu nutzen. Genauso lange schon gibt es Versprechungen, Ankündigungen und erste vielversprechende Feldversuche. „Mobile Payment“ ist sicherlich kein neues Trendthema. So richtig zum Zuge kommt es aber erst jetzt.
Hohe Gebühren und fehlende Standardisierung
Warum hat dem Handy noch keiner beigebracht, zu bezahlen? Verschiedene Ansätze gab es wohl, aber: „Allzu umständlich war die Bedienung der Dienste, zu komplex die Abläufe, zu hoch die Gebühren oder zu gering die Marktabdeckung“, resümiert Andreas Menn in einem Artikel bei wiwo.de. [1] Letzteres zielt auf die Henne-Ei-Problematik, ein entscheidender Faktor: zu wenig entsprechend ausgerüstete Geräte, da auf Kundenseite zu geringes Interesse besteht. Zu geringes Interesse, da zu wenig Anwendungsmöglichkeiten vorhanden sind. Auch ist der Bereich „Mobile Payment“ auf Standardisierungen angewiesen. Viele Einzellösungen helfen hier leider nicht weiter, da Händler nicht zig verschiedene Systeme bei sich einbinden können.
Technik der Zukunft: NFC
An der Technik an sich liegt die lange Vorlaufzeit jedenfalls nicht, denn diese ist seit Jahren vorhanden. Am vielversprechendsten scheint derzeit die sogenannte Near-Field-Communication-Technologie (NFC), mit der Geräte über kurze Distanz hinweg, dank implementierter Chips, miteinander kommunizieren können. Visa (PayWave) und Mastercard (PayPas) nutzen sie längst für ihre Kreditkarten, die Kunden zum Bezahlen lediglich an entsprechende Lesegeräte halten müssen. Zwar gab es mit dem Nokia 6131 schon seit 2007 ein NFC-fähiges Handy. Aufgrund der Henne-Ei-Geschichte wurde es jedoch nicht zum Verkaufsschlager. Vielleicht mussten sich die Deutschen auch erst langsam – also circa zehn Jahre lang – an den Gedanken gewöhnen, statt mit EC-Karte mit dem Handy zu bezahlen?
Unterschiedliche Arten des Mobile Payment
Wo es um „Mobile Payment“ geht, sollte man mindestens drei Arten unterscheiden: Person-to-Person Payment, Mobile Remote Payment und Mobile Proximity Payment. [2]
Mobile Person-to-Person (P2P) Payments
Mobile P2P ermöglicht den mobilen Geldtransfer zwischen Privatkunden. Ein Beispiel ist die App der PayPal-Tochter Bump: Will ein iPhone-Besitzer einem anderen iPhone-Besitzer Geld überweisen, öffnen beide die Bump-Anwendung, geben die Summe ein und stupsen die Geräte aneinander. Im Zuge des Liebesaktes, der über Bewegungssensoren verläuft, wird das Geld überwiesen. Eine simple Bezahlmöglichkeit, die im Alltagsleben vieles erleichtert: So kann zum Beispiel im Restaurant einer die gesamte Rechnung bezahlen (wie in vielen Ländern üblich) und bekommt von den anderen sofort und unkompliziert das Geld zurück überwiesen. Natürlich nur sofern alle ein PayPal-Konto besitzen.
Ein interessantes Tool für P2P-Transaktionen sind auch die Kreditkartenlesegeräte von Square (USA) und Izettle (Schweden). Man stöpselt das kleine Gerät einfach in den Kopfhörerausgang des iPhones und zieht die Kreditkarte durch. Eine Unterschrift auf dem Display genügt, schon landet das Geld auf dem Bankkonto.

Das mobile Kreditkartenlesegerät von Square ermöglicht flexiblen Geldtransfer.
Mobile Remote Payment
Hierbei verwenden Handybesitzer ihr Gerät für Zahlungen im Internet – egal ob für Tickets, Downloads oder Waren aus Onlineshops. Beispiel: Paybox. Der Dienst startete schon kurz nach der Jahrtausendwende. Handybesitzer rufen einfach eine kostenlose Rufnummer an, tippen die Bezahlsumme ein und geben eine Pinnummer an. So innovativ der Dienst auch war: 2003 musste das Unternehmen in Deutschland seine Pforten schließen. „Vergeblich hatte Paybox versucht, mit allen Banken und Mobilfunknetzbetreibern ins Gespräch zu kommen. Doch die wollten lieber etwas eigenes herausbringen, mit viel technischem Schnickschnack“, kommentierte Henning Gajek bei teltarif.de. [3] In Österreich hingegen, wo der Netzbetreiber Mobilkom Austria mit einstieg, setzte Paybox seinen Dienst für Privatkunden fort und ist nach wie vor aktiv. Heute bietet Paybox beispielsweise mobiles Bezahlen für Parktickets, Fahrscheine, Onlinewaren und mehr an – nicht nur hierzulande, sondern auch im arabischen, asiatischen und afrikanischen Markt, wo man in puncto Handy-Payment wesentlich weiter ist als in Deutschland.
Hierzulande ermöglicht beispielsweise mpass, der mobile Bezahldienst von Telekom, Vodafone und o2, Mobilfunk-Nutzern das mobile Bezahlen per Handy – sofern der Händler die Bezahlvariante anbietet. Dies ist allerdings noch nicht sehr häufig der Fall. Beim Einkaufen in Online-Shops wie karstadt.de geben Nutzer einfach ihre Handynummer plus eine Geheimzahl ein und antworten auf die eingehende SMS mit „Ja“. Die Summe wird anschließend vom hinterlegten Konto eingezogen.
Als eine Übergangslösung gilt bei vielen das mobile Bezahlen über QR-Code-Erkennung. Ein Beispiel ist der Anbieter Itellium. Nutzer fotografieren ein Barcode-ähnliches Quadrat und setzen damit einen Bezahlvorgang in Gang – zum Beispiel für die Restaurantrechnung oder für Konzerttickets. Der Vorgang ist relativ unkompliziert und auch hier müssen Kunden keine Kreditkartendaten mehr weitergeben.
Mobile Proximity Payments
Bei dieser Bezahlart halten Kunden einfach ihr Handy an ein entsprechendes Lesegerät, das in Offline-Stores neben der Kasse oder an Eingängen zu Veranstaltungen etc. steht. Das mobile Endgerät kommuniziert mit dem Terminal – zum Beispiel über NFC, Bluetooth oder GSM. Die Zukunft scheint dabei – zumindest aktuellen Prognosen zufolge – NFC zu gehören.
Spannend ist in diesem Zusammenhang die PayPal-Tochter Bling. Das Unternehmen vertreibt Sticker mit eingebautem NFC-Chip, die Verbraucher auf ihr Handy kleben und fortan mobil – mit einer Direktverbindung zum PayPal-Konto – bezahlen.
In Deutschland gibt es aktuell nur Einzellösungen. Unter den Erstlingen ist die Deutsche Bahn, die über das System „Touch & Travel“ ersten Testkunden ermöglicht, mobil zu bezahlen. Die Reisenden checken ein, indem sie ein von der DB zur Verfügung gestelltes Handy vor Fahrtantritt an ein Lesegerät am Bahnhof halten. Am Reiseziel angekommen, checken sie auf dieselbe Weise aus. Das System berechnet Streckenlänge und Fahrpreis, am Ende des Monats erfolgt die Abrechnung. Auch Kunden des Rhein-Main-Verkehrsverbundes können ihre Tickets bereits mit NFC-Technologie erwerben – sofern sie ein mit NFC-Technik ausgestattetes Mobiltelefon besitzen.
Der Kampf der Giganten hat begonnen
Und nun hat Google also seinen mobilen Bezahlservice „Google Wallet“ herausgebracht. Ist dies der Durchbruch für das lang ersehnte Handypayment? Jedenfalls zeigen die ersten Reaktionen, wie heiß das Thema ist: Kaum an die Öffentlichkeit getreten, hagelte es eine Klage von PayPal, das anscheinend selbst an einem mobilen Bezahldienst auf NFC-Basis tüftelt. Im Kampf der Giganten kommt es eben auf jeden Monat an. Der Inhalt der Klage ist beachtlich: Osama Bedier, ehemals bei PayPal angestellt und jetziger Google-Mitarbeiter, soll entsprechendes internes Wissen an den neuen Arbeitgeber weitergegeben haben. Stephanie Tilenius, ebenfalls eine Ex-PayPalerin und nun bei Google, soll ihn dabei vertragswidrig angeworben haben. [4]
Wer Google Wallet nutzen will, benötigt das neue Android „Nexus S“ Smartphone, das mit NFC-Technologie ausgestattet ist. Da Google außerdem mit Citi, Mastercard und dem US-amerikanischen Mobilfunkanbieter Spring kooperiert, hat man als Deutscher aktuell noch schlechte Karten. Später wird man dann mit dem Dienst nicht nur bargeldlos bezahlen können, sondern sich automatisch Rabattpunkte gutschreiben oder Dinge wie Flugtickets und Theaterkarten hinterlegen lassen. Zum Start haben sich beispielsweise die Kaufhauskette Macy’s, Subways und die Wallgreens-Drogeriemärkte mit entsprechenden Lesegeräten ausstatten lassen. Aber nicht nur Google und PayPal, auch Apple und verschiedene Banken sowie Mobilfunkanbieter tüfteln an eigenen Diensten. Sony, Nokia und NXP Semiconductors gründeten bereits 2004 das NFC-Forum, um gemeinsam an der Standardisierung und Kompatibilität zwischen Geräten und Anbietern zu arbeiten.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Auch die Deutsche Telekom will mitziehen und hat ein Handy-Bezahlsystem namens „Mobile Wallet“ angekündigt. Noch in diesem Jahr soll es in Deutschland und Polen auf den Markt kommen und 2012 dann andere europäische Länder und die USA erobern. [5] Eine flächendeckende Akzeptanz wird allerdings noch etwas auf sich warten lassen.
Mobile Payment bei den Payment-Service-Providern
Das mobile Bezahlen per NFC-Technologie ist also hierzulande noch Zukunftsmusik – auch wenn es sich dabei um eine sehr nahe Zukunft handelt. Im Bereich Mobile-Remote-Payment, also dem mobilen Zahlen von online angebotenen Produkten, sieht es schon ein bisschen besser aus. Wer als Händler „Mobile Payment“-Bezahlmöglichkeiten bei sich einbinden will, wird allerdings längst nicht bei jedem Payment-Service-Provider (PSP) fündig. Zu den Vorreitern zählen zum Beispiel Ogone und SIX Card Solutions, die beide das mobile Bezahlsystem mpass anbieten. Daneben gibt es verschiedene PSPs, die auf iPhone-Apps setzen, mit denen man das Handy in ein Zahlungsterminal umfunktioniert. Dies kommt beispielsweise Offline-Händlern, Taxifahrern, Lieferdiensten und Handwerkern zugute, die Bezahlungen so von unterwegs und ohne zusätzliche Gerätschaften annehmen können. Zu den Anbietern zählen Concardis, Heidelpay und Ogone.
Ausblick
Das Thema Mobile Payment hat schon verschiedenste interessante Ansätze hervorgebracht, die sich bisher aber nicht flächendeckend durchsetzen konnten. Jetzt, wo ein Branchenriese wie Google die Führung übernimmt, könnte es soweit sein. Zumal auch die wichtigen Hardwareanbieter wie Blackberry und Apple mitziehen. Während die neuen Blackberrys der Bold-Serie mit einem NFC-Chip ausgestattet sind, gibt es in Bezug auf Apple unterschiedliche Gerüchte. [6] Beides sind nötige Voraussetzungen für den Durchbruch der NFC-Technologie in Bezug auf Handypayment. Und was hat Google selbst davon? Ersten Angaben zufolge sollen die mobilen Geldtransaktionen für Nutzer kostenlos sein. Da man jedoch mit Google Wallet seine Kreditkarte im Handy verwaltet, erhält der Konzern mit einem Mal sämtliche wertvollen Informationen über unser Kaufverhalten. Ein entscheidender Schachzug in Bezug auf „personalisierte Werbung“. Auch die Verbindung mit sogenannten „Location Based Services“ bietet vielfältige Möglichkeiten. Schon hat Google eine erste Kooperation mit dem Dienst Foursquare bekanntgegeben. Im kommenden Jahr wird es sicherlich viele Anwendungsszenarien für diese Kombination geben. Fazit: Die alte Geldbörse sollte man aktuell besser noch nicht entsorgen. Eine neue anzuschaffen lohnt aber auch nicht mehr.