Kolumne: Aus der Wolke gefallen
Mit dem Internetzugang ist es wie mit Elektrizität: Erst wenn er ausfällt, merkt man, wie sehr man darauf angewiesen ist. Erstaunlich, wie nutzlos ein Computer plötzlich wirkt, nur weil er keine Anbindung mehr an die „große Wolke“ hat. Dummerweise war man heutzutage meist so schlau, möglichst viel in die Wolke auszulagern. Ist schließlich eine praktische Sache – theoretisch.
Dabei ist ein kaputter Internetzugang fast noch besser als sein teuflischer Bruder: die schlechte Verbindung. Wer ein masochistisch veranlagter Internetsüchtiger ist, setzt sich beispielsweise einfach in einen ICE. Da sitzt man bei 250 km/h an seinem Laptop, draußen flitzt die Landschaft vorbei, man fühlt sich enorm fortschrittlich und kann zugleich ums Verrecken nicht diese eine E-Mail öffnen, die man jetzt unbedingt lesen muss.
Wobei selbst ein funktionierender Internetzugang noch nicht automatisch Zugriff auf die eigenen Daten in der Cloud bedeutet. Denn manchmal ist diese eine Wolke, auf die man es gerade in diesem Moment so dringend abgesehen hatte, weg. Man denke nur an Apples Desaster bei der Einführung des Cloud-Synchronisationsdienstes „Mobile Me“, an den mehrtägigen Ausfall von Mail und Messenger bei BlackBerry in diesem Jahr oder spontane Auszeiten bei Google-Diensten wie Mail und Docs.
Ist der Dienst nicht erreichbar, stellt sich vor allem die bange Frage: Kommt er wieder? Und falls ja: Sind meine Daten noch da? Es gab schließlich schon mehr als einmal die Situation, dass ein Unternehmen zugeben musste, dass dummerweise bei dem Ausfall neulich ein paar einzelne Bits abhanden gekommen sind – unwiderbringlich, versteht sich, denn wenn es schiefgeht, dann am liebsten gleich richtig. Mails, Bilder, Videos, Lesezeichen – weg. Vaporisiert. Futschikato. Über die Wupper gegangen. Nicht mehr da. So viel dann zur Behauptung „Das
Internet vergisst nichts“.
Natürlich gibt es inzwischen Backup-Dienste für die Cloud. Aber zum einen kann man sich die Backupstrategie des Durchschnittsnutzers hier wohl ähnlich vorstellen wie am eigenen Computer („Backup? Ja, äh, mache ich demnächst.“). Zum anderen muss so ein Dienst logischerweise zur Verfügung stehen, wenn man ihn braucht. Aber zu gern gibt es dort gerade dann Wartungsarbeiten. Oder der Entwickler hat sich auf eine Weltreise verabschiedet. Oder der Dienst hat just am Vortag den Betrieb eingestellt.
Hacker im Wolkenkuckucksheim
Aber gut, nehmen wir einmal an, dass die Technik mitspielt und alles prima zu laufen scheint, dann gibt es als Auslöser für die gepflegte Verzweiflung noch immer die guten alten Hackerangriffe. Und, zack, erfährt man als Kunde, dass Passwörter und andere Informationen dummerweise durch ein klitzekleines Konfigurationsfehlerchen im Klartext abgespeichert wurden. Die gute Nachricht: Diese Daten stehen noch immer in der Cloud zur Verfügung! Nur eben mit den Daten aller anderen Nutzer desselben Dienstes in einem BitTorrent-Download.
Aber selbst wenn der Internetzugang funktioniert (und er schnell und stabil ist), der Dienst verfügbar ist und nicht gerade gehackt wurde, bleibt doch noch ein Problem: Manche Clouddienste können zum Niederknien wenig. Was sie vor allem nicht können, ist miteinander zusammenarbeiten. So gibt es zwar schicke Web-Apps zur Bildbearbeitung sowie schöne Dienste zum Speichern von Fotos. Aber man glaube nicht, dass man nun seine Fotos aus der einen Cloud mal so eben in der anderen Cloud bearbeiten und danach wieder zurückspeichern kann. Denkt man an Videobearbeitung kommt hinzu, dass man hier tausende Megabyte erst einmal ins Netz schieben muss, bevor es losgehen kann. Das ist ein wochenlanger Spaß. Also „Spaß“ im Sinne von „Frust“. Ich jedenfalls habe in der Regel andere Pläne für meine Lebenszeit.
Das heißt also, dass ich die Cloud nicht nutze? Au contraire! Ich bin dauernd in den Wolken. Es ist eben nützlich. Aber, ganz ehrlich: Manchmal lasse ich die Cloud auch einfach Cloud sein und gehe stattdessen nach draußen – Wolken gucken.