Liferay Portal Professional 3.6.1 für die Entwicklung eines Prozessportals: Komplexe Unternehmensportale mit Liferay
Die CAP Customer Advantage Program GmbH (CAP) ist ein Joint Venture-Unternehmen der Deutschen Telekom und des KarstadtQuelle-Konzerns. Mit dem Multipartnerprogramm Happy Digits wickelt die CAP GmbH mehrmals im Jahr Marketingkampagnen mit bis zu mehreren Millionen Adressaten ab. Der Umfang der Kampagnen reicht von kleinen Briefsendungen bis hin zu Werbepaketen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bestandteile, zum Beispiel Selfmailer, Folder oder Hartplastikkarten. Bei der Durchführung der Kampagnen greift die CAP GmbH auf verschiedene externe Dienstleister, Agenturen und Druckereien zurück. Die Folge ist ein komplexer Produktionsprozess mit einer Vielzahl von Einzelschritten, Bestandteilen und geografisch verstreuten Beteiligten.
Um die vielen zeitlich und räumlich verteilten, aber stark miteinander verflochtenen Produktionsabläufe zu automatisieren, suchte die CAP GmbH eine Prozessmanagementlösung. Auf sie sollten nicht nur die beiden maßgeblich am Produktionsprozess beteiligten Abteilungen Kommunikation und Produktion der CAP GmbH zugreifen können, sondern auch die externen Dienstleister. Das Unternehmen entschloss sich daher, ein Prozessportal einzusetzen. Der Hauptgrund für die Entscheidung war, dass eine solche Anwendung neben der Abbildung von unternehmensinternen und firmenübergreifenden Geschäftsabläufen und verschiedenen Akteuren (Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner, Zulieferer etc.) einen zentralen Einstiegspunkt bereit stellt. Von hier aus kann auf die Informationen, Anwendungen und Dienste eines Unternehmens zugegriffen werden. Ebenfalls eine Rolle spielte der Schnittstellenaspekt: Bereits im Unternehmen verwendete Anwendungen sollten durch die Oberfläche eines Portals weiterhin nutzbar sein, um nicht in neue Software investieren oder kostenintensive Anpassungen vornehmen zu müssen.
Die Anwendung hatte folgende Kriterien zu erfüllen: |
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Die Entscheidung für Liferay
Die Frage nach einer Open-Source-Lösung stellte sich für die CAP GmbH zu Beginn des Projekts nicht. Da der Umfang des Portals aufgrund der zu integrierenden Akteure (60 Mitarbeiter innerhalb der CAP GmbH, sieben Agenturen und 16 Druckereien), der komplexen Arbeitsprozesse und Datenmengen groß dimensioniert war, ging die CAP GmbH nicht davon aus, dass Produkte aus dem Open-Source-Bereich in Frage kämen. Zunächst wurden daher proprietäre Anwendungen, etwa von Adobe, betrachtet.
Als sich jedoch herauskristallisierte, dass diese Lösungen die Anforderungen nicht zufriedenstellend erfüllen konnten und den Budgetrahmen des Projekts gesprengt hätten, beauftragte die CAP GmbH das Unternehmen Ancud IT mit der Evaluierung des Open-Source-Portalframeworks Liferay. Die CAP GmbH war durch eine Ende 2005 veröffentlichte Portalstudie auf Liferay aufmerksam geworden, bei der die Portalsoftware als Testsieger hervorgegangen war. Nach eingehender Untersuchung überzeugte Liferay, weil es die gesuchten Funktionen aufwies (u. a. JSR-168-konform), technisch ausgereift schien und günstig in der Anschaffung war.
Die Lösung
Die CAP GmbH beauftragte Ancud IT mit der Entwicklung des Workflow-Portals CAPassist auf der Basis von Liferay Portal Professional. Daraufhin konzipierte Ancud IT die Anwendung als Prozessportal, das die Geschäftsprozesse innerhalb der CAP GmbH und die Abläufe zwischen ihr und den externen Dienstleistern abbildet. Die Anwendung automatisiert die bei den Kampagnen anfallenden Arbeitsschritte und macht die Prozesse dadurch unabhängig von räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten. Als Resultat konnte der Produktionsprozess erheblich beschleunigt und mögliche Fehlerquellen stark reduziert werden. CAPassist unterstützt den Anwender durch eine individuelle Aufgabenverwaltung und kontextsensitive Menüführung. Die Applikation bietet eine E-Mail-gestützte Beobachtung des Produktionsfortschritts, Versionierung, automatische Terminüberwachung und Dokumentenverwaltung.
Die Umsetzung
Zum Einsatz kam Liferay Portal Professional in der Version 3.6.1, die Abbildung der Geschäftsprozesse in IT-Abläufe übernahm die freie Workflow-Engine jBPM. CAPassist wurde in Java 1.5 unter der Verwendung von Java Server Faces 1.1 und MySQL als Datenbank programmiert. Der Einsatz von freier Software setzte dabei zusätzliche Ressourcen für individuelle Anpassungen und Eigenentwicklungen wie die Budgetierungsanwendung CAPbudget frei.
Liferay erwies sich während der Umsetzungsphase als ausgereiftes Produkt, das alle wesentlichen Anforderungen erfüllte. In den Bereichen Usermanagement, Standardkonformität und Workflow Engine zeigte sich jedoch einiger Nachholbedarf. So besaß Liferay in der Version 3.6.1 ein nur unzureichendes Usermanagement, das die Abbildung der Firmenhierarchie der CAP GmbH erschwerte. Die Vorgaben für die Administration und Verschachtelung von Benutzergruppen waren zwar in Liferay angelegt, werden aber größtenteils erst seit Version 4.0 genutzt. Daher baute Ancud IT auf Basis der bestehenden Datenstrukturen eine eigene Erweiterung für das Usermanagement. Im Bereich Standards stellte sich heraus, dass Liferay nicht vollständig standardkonform war. So war es nicht möglich, einzelne Portlets funktional voneinander zu trennen, sodass sich die Anwendungen gegenseitig beeinflussten. Ancud IT behob das Problem und meldete es an Liferay. Die folgenden Versionen des Portals weisen diesen Mangel nicht mehr auf. Auch im Bereich Workflow Engine musste Liferay angepasst werden. Liferay kommt erst seit der Ende letzten Jahres veröffentlichten Version 4.2 standardmäßig mit der Workflow Engine jBPM. Ancud IT integrierte daher jBPM über ein eigens programmiertes Interface, das von jedem Portlet einzeln angesprochen werden kann. Das Interface arbeitet über die jBPM-Standardfunktionen, sodass die XML-Definition die gleiche bleibt. Sie wird lediglich durch Zusatzfunktionen ergänzt, die erweiterte Seiteninformationen und Berechtigungen steuern.
Fazit
Trotz der erwähnten Mängel der eingesetzten Liferay-Version 3.6.1 und der erforderlichen Eigenentwicklungen konnte CAPassist wie geplant im Mai 2006 fertig gestellt werden. Umgesetzt wurde das Projekt von vier Entwicklern, die während des gesamten Projektzeitraums aktiv waren.
Obwohl die Anforderungen an das Portal sehr komplex waren, stellte sich die Entscheidung für eine Open-Source-Lösung als richtig heraus. Im Hinblick auf die Umsetzungszeit brachte Liferay zwar keine wesentlichen Vorteile gegenüber proprietären Portalen oder Eigenentwicklungen. Der Open-Source-Faktor machte es jedoch möglich, bei aufkommenden Problemen sofort im Quellcode nachzuschauen und diesen nötigenfalls anzupassen. Der entscheidende Vorteil von Liferay war allerdings der Kostenaspekt. Bei der Verwendung von proprietären Lösungen wären hohe Lizenzgebühren und teure Supportverträge angefallen. Durch den Einsatz von Liferay konnte das Projektbudget von vornherein wesentlich niedriger angesetzt werden, was zusätzliche Mittel für Anpassungen freisetzte. Eigenentwicklungen hätten vermutlich ähnlich viel gekostet wie eine lizenzpflichtige Lösung, wären aber bezüglich Standardkonformität und Zeitaufwand hinter Liferay zurückgeblieben.
In Betracht zu ziehen ist die Tatsache, dass ein Großteil der auftretenden Schwierigkeiten auf die verwendete Version von Liferay zurückzuführen war. Da alle aufgetretenen Mängel von den Liferay-Entwicklern mittlerweile behoben wurden und in den aktuellen Versionen nicht mehr zu finden sind, dürfte sich die Realisierung eines Portals mit Liferay heute wesentlich einfacher gestalten. Seit dem Livegang hat sich CAPassist für die Abwicklung und Verwaltung der Marketingkampagnen und die Koordination der externen Dienstleister fest etabliert. Die CAP GmbH plant daher, das Portal auf das ganze Unternehmen auszuweiten. Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung hat sich Liferay als tragfähige Grundlage für komplexe Unternehmensanwendungen bewährt. Die CAP GmbH wird daher auch erneut auf Liferay zurückgreifen.
Neben den bereits erwähnten Vorteilen gegenüber kommerzieller Portalsoftware überrundet Liferay aus Sicht von Ancud IT auch vergleichbare Open-Source-Lösungen in mehreren Punkten: Liferay ist mit fast allen gängigen Applikationsservern und Datenbanken einsetzbar, was eine große Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten nach sich zieht, besitzt in der aktuellen Version ein ausgereiftes Usermanagement, verfügt über sehr gute Anpassungsfähigkeiten hinsichtlich des Look & Feel und bietet die Funktion, eigene Modifikationen von Änderungen des Portalframeworks zu entkoppeln, was die Upgrade-Fähigkeit des Portals garantiert. Dazu kommt eine fast unüberschaubare Anzahl von fertigen Portlets, die zwar sehr gute Basisdienste liefern, aber für den Einsatz in größeren Geschäftsanwendungen weniger brauchbar sind.