- Dual-License-Modell: Kommerzielle und Community Edition
- Das richtige Shopsystem wählen
- Grobe Einordung: Einsteiger-, Profi- und Enterprise-Systeme
- Die verschiedenen Möglichkeiten, einen Onlineshop zu betreiben
- Open-Source-Shopsysteme im Überblick
- Shopware
- Oxid eShop
- Magento
- Prestashop
- osCommerce, xt:Commerce und die Ableger commerce:seo, Gambio und modified
- Fazit
Marktübersicht Open-Source-Shopsysteme: Durchblick im Shop-Dschungel
Die Entscheidung für ein neues Shopsystem fällt weder frisch gestarteten, noch alteingesessenen Online-Händlern leicht. Das neue System sollte im Idealfall über viele Jahre hinweg die neue Heimat für die Produkte oder Dienstleistungen des Händlers werden. Die Entscheidung hängt dabei hauptsächlich von den Faktoren „Bedarf“ und „Budget“ ab. Die Einordnung welche Softwarelösung für welchen Bedarf am besten geeignet ist, kann je nach Geschäftsfall stark variieren. Eine allgemeine Einordnung der erhältlichen Systeme kann einen ersten Überblick verschaffen und so eine Entscheidung vereinfachen. Der Faktor Budget ist auch bei kostenfreien Open-Source-Systemen wichtig: Anpassungen der Software oder des Designs wird in den seltensten Fällen der Händler selbst vornehmen können oder wollen.
Dual-License-Modell: Kommerzielle und Community Edition
Bei einer reinen Open-Source-Strategie ist das Shopsystem nur kostenfrei erhältlich, zusätzliche Dienstleistungen und Support sind dann auf Wunsch gegen Aufpreis möglich. Die Dual-License-Modelle setzen zum einen auf eine kostenfreie Open-Source-Version, meist als „Community-Edition“ bezeichnet, und zum anderen auf eine kommerzielle Version, die nur gegen eine Lizenzgebühr erhältlich ist und meist den Namen „Professional-Edition“ oder „Enterprise-Edition“ trägt. Der Funktionsumfang und die Leistungsfähigkeit der Versionen können dabei erheblich voneinander abweichen.
Das richtige Shopsystem wählen
Grundsätzlich sollte der erste Schritt eine realistische Selbsteinschätzung sein: welches Szenario ist als Ziel geplant? Wo bin ich und wo will ich hin? Das explizite Feature-Set des Shopsystems spielt hier noch eine untergeordnete Rolle. Der Geschenkeladen an der Ecke greift lieber zu einer Einsteigerlösung, ein ambitionierter Einsteiger mit großem Sortiment und ein existierender, hochfrequentierter Onlineshop zu einer professionellen Lösung und der auf dem Massenmarkt erfolgreiche Shop mit tausenden Bestellungen wählt eine hochlastfähige Enterprise-Lösung. Klare Worte vorab: Kleinere Händler, die einen schnellen Einstieg mit niedriger Kostenschwelle suchen und selbst technisch nicht in der Lage sind, ein System zu installieren oder einzurichten, sollten zu einer Software-as-a-Service-Lösung mit einer monatlichen Pauschale greifen. Erstens muss das Feature-Set des eigenen Onlineshops zum Start nicht mit Amazon mithalten können und zweitens ist beispielsweise ein Magento-Projekt für 1.000 Euro vergleichbar mit einer Rolex-Uhr für 100 Euro: sieht von „außen“ super aus, wird aber vermutlich von „innen“ nichts taugen und eher von unseriösen Akteuren angeboten.
K.o.-Kriterium muss die Ausrichtung auf Deutschland sein: Der Online-Handel in Deutschland folgt strengen Regelungen, die Verwendung eines nicht für Deutschland optimierten Shopsystems kann fast zwangsläufig eine Abmahnung zur Folge haben. Deshalb gilt: Systeme, die über keine Lokalisierung verfügen, sollten nicht ausgewählt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass „deutschsprachig“ noch lange nicht „rechtskonform“ heißt: Ein Sprachpaket ist bei fast jedem System zu finden, Lokalisierungsmodule sollten neben den Sprachdateien auch Anpassungen enthalten, die das jeweilige Shopsystem auch rechtskonform machen.
Ansonsten sind Anhaltspunkte für eine Bewertung die Verbreitung des Systems, die Größe des Ökosystems und die Einschätzung, wie zukunftsfähig ein System wirkt. Letzteres lässt sich anhand der Dauer der bisherigen Produktlebenszyklen bewerten und der Fähigkeit des Herstellers, das System technischen Innovationen zu unterziehen.
Grobe Einordung: Einsteiger-, Profi- und Enterprise-Systeme
Besonders gut geeignet für Einsteiger sind aufgrund eines sehr übersichtlichen und leicht zu bedienenden Backends Shopware CE und Prestashop, mit etwas Abstand gefolgt von xt:Commerce Start. Oxid eShop CE kann von Einsteigern eingesetzt werden, Bedienung und Anpassung von Design-Templates sind jedoch deutlich weniger komfortabel als bei Shopware und Prestashop. Magento ist als Einsteigerlösung nur sinnvoll, wenn eine schnelle und große Skalierung des Geschäftsmodells geplant ist. Die verschiedenen Ableger der älteren xt:Commerce Version V3 sind für Einsteiger aufgrund der fehlenden Komplexität auch geeignet – aber aufgrund der Überalterung des Core-Systems maximal für Online-Händler empfehlenswert, die eine überschaubare Entwicklung des Geschäfts erwarten und weder ausgefallene Erweiterungen noch extrem skalierbare Lösungen benötigen.
Professionelle Lösungen und Enterprise-Lösungen finden sich bei Shopware in der Professional- und den Enterprise-Editionen, bei Magento in der Enterprise-Edition und bei Oxid in der Professional- und Enterprise-Edition. Die Unterschiede reichen von einem erweiterten Funktionsumfang über einen intensiveren Support bis zu einer verbesserten Gesamt-Performance. Bei kommerziellen Lizenzen übernimmt in der Regel auch der Hersteller die Verantwortung und Gewährleistung für die Software, was bei einer kostenlosen Community-Edition nicht der Fall ist.
Die verschiedenen Möglichkeiten, einen Onlineshop zu betreiben
Shopbetreiber können ein Shopsystem entweder in Eigenregie auf dem eigenen Webspace oder Server betreiben oder bei einem Hosting-Spezialisten im Rahmen einer angepassten Hosting-Lösung speziell für das gewählte Shopsystem. Dabei werden unter anderem die technischen Voraussetzungen der Systeme stärker berücksichtigt als bei Standard-Hosting-Paketen und ein stärkerer Fokus auf die Performance gerichtet. Spezialisierte Anbieter existieren für nahezu alle Systeme: Beispielsweise Maxcluster, Hosteurope und Phoenix Medien für Magento oder Alfahosting, Continum und Host1plus für Magento und Oxid. Domainfactory und Mittwald sowie Timme Hosting bieten Platz für Magento, Oxid und Shopware. Die letzte Möglichkeit ist der Betrieb als Software-as-a-Service: Allerdings existiert einzig für Magento mit „BlueGento“ eine dedizierte SaaS-Lösung. Der Anbieter SaaS Web aus Karlsruhe bietet einen Um- beziehungsweise Ausweg an und richtet kundenspezifische SaaS-Lösungen für Oxid, xt:Commerce, Magento und Prestashop ein.
Open-Source-Shopsysteme im Überblick
Der Markt für Open-Source-Shopsysteme ist ziemlich groß, es existieren noch wesentlich mehr Lösungen, als in diesem Artikel vorgestellt werden – aber im Vergleich zu vielen anderen Lösungen sind die unten vorgestellten Lösungen entweder von Haus aus für den Einsatz in Deutschland geeignet oder lassen sich mit wenig Aufwand einsatzbereit machen – meist mit einer einfachen Erweiterung. Shopsysteme, die in einer Einzelleistung erst technisch umgerüstet werden müssen, sind nicht in die Übersicht dieses Artikels aufgenommen worden. Eine Übersicht über Open-Source-Shopsysteme findet sich in unserem Online-Artikel auf t3n.de [1].
Shopware
Shopware [2], das jüngste Shopsystem aus Deutschland im Feld, ist gleichzeitig auch das innovativste und das lauteste: Das Marketing für das mit einer Dual-License-Strategie vertriebene System ist frisch und ungewöhnlich. Das jüngst aus der Beta-Phase entlassene Projekt Bepado [3] ist ein Beispiel für einen offenen Blick für Marktentwicklungen im E-Commerce-Umfeld: hier hat Shopware einen B2C-Marktplatz eröffnet, der mit einem für Händler kostenfreien B2B-Händler-Netzwerk als Infrastruktur aufwartet und so die Möglichkeit bietet, das eigene Sortiment mit Dropshipping-Angeboten zu erweitern, oder selbst zum Lieferanten zu werden. Das Shopsystem verfügt über eine der modernsten Architekturen im Feld, gerade ist Version 4.3 erschienen. Die Community wird intensiv gepflegt, auch mit hauseigenen Events. Die Anzahl der verfügbaren Erweiterungen ist zwar noch weit weg vom Angebot bei Magento, reicht jedoch mehr als aus um alle wichtigen Themenbereiche abzudecken: von einer reichhaltigen Auswahl an Paymentanbietern über Mobile-Commerce hin zur ERP- und Warenwirtschaftsanbindung oder auch Produktsuchmaschinen.
Oxid eShop
Wie Shopware stammt auch Oxid [4] aus Deutschland und ist ebenso uneingeschränkt in Deutschland einsetzbar. Eine rege und gut gepflegte Community hat viel zur reichhaltigen Auswahl an Erweiterungen beigetragen. Der Kern des leistungsfähigen Shopsystems und das Backend wirken in der bisher erhältlichen Fassung noch etwas angegraut. Anlässlich der Oxid Commons, dem jährlichen Community-Event, hat das Oxid-Team aber eine umfassende Überarbeitung unter anderem auf Basis des Symfony2-Frameworks angekündigt. Das Team will die Komponenten-orientierte Entwicklung des Systems stark vorantreiben. So soll beispielsweise das gesamte Backend zukünftig über eine Rest-API ansteuerbar sein. Ebenfalls neu hinzugekommen sind viele Funktion für B2B-Onlineshops, von einer umfangreichen Rollen-/Rechteverwaltung bis hin zu der Möglichkeit, auch komplexere Einkaufskonditionen abbilden zu können. Für Hoch-Last-Projekte soll zukünftig ein Frontend-Framework namens FOXX E-Commerce-Accelerator Entwicklungszeit verkürzen und mehr Performance bieten.
Magento
Die eBay-Tochter Magento [5] verfügt international über die größte Verbreitung im gesamten Feld und führt auch in Deutschland noch regelmäßig die Statistiken an. Das leistungsfähige Shopsystem verfügt für nahezu jeden denkbaren Zweck über eine riesige Auswahl an Erweiterungen. Für den Einsatz in Deutschland ist eine solche Erweiterung notwendig, oder man setzt auf „Magento DE oder CH/AT“, eine vom Start weg lokalisierte Magento-Version der Netresearch App Factory AG, die in Zusammenarbeit mit der Magento-Community entwickelt wurde. Magento ist ein mächtiges Instrument, dessen technischer Background seit sechs Jahren immer weiter entwickelt wird und seit langem auf dem Weg zu einem umfangreichen Erneuerungsprozess ist – der allerdings laut Roadmap für Magento 2.0 noch mehr als ein Jahr dauern wird. Diese lange Entwicklungszeit bringt die Gefahr mit sich, dass Innovationen auf dem Weg zur Version 2.0 auf der Strecke bleiben könnten. Einige Kritikpunkte, die seit längerem geäußert werden, wie beispielsweise das veraltete Frontend, hat das Entwickler-Team mit dem gerade veröffentlichten Release CE 1.9 und EE 1.14 jedoch behoben.
Prestashop
Das französische Open-Source-System Prestashop [6] bietet eine ähnliche Grundausstattung wie alle vorgestellten Systeme. Das System wird aktiv gepflegt und weiterentwickelt, kürzlich ist Version 1.6 erschienen. Im Zuge dessen ist auch das Prestashop-Frontend auf responsives Design umgestellt worden. Prestashop weist in Deutschland eine messbare Verbreitung auf und besitzt eine rege Community. Die Auswahl an Erweiterungen, die sich für den Einsatz in Deutschland eignen, ist im Vergleich zu anderen Systemen zwar noch relativ klein, bietet aber die gebräuchlichsten Funktionen wie Payment- oder Marktplatz-Anbindungen. Angehende Shopbetreiber müssen das Shopsystem mit Hilfe eines Lokalisierungsmoduls – was ohne größeren Aufwand möglich ist – für den rechtssicheren Einsatz in Deutschland noch anpassen. Das Modul ist leider auch aktuell der einzige Wermutstropfen: das entsprechende Modul ist bisher nur für die Version 1.5 erhältlich, das Modul für Version 1.6 befindet sich gerade noch in der Beta-Phase und ist damit noch nicht für den Einsatz in einer produktiven Umgebung geeignet. Die beiden Entwickler der bisherigen Lokalisierungsmodule haben sich zusammengetan, um zukünftig gemeinsam ein Modul zu entwickeln und so Änderungen schneller umsetzen zu können.
osCommerce, xt:Commerce und die Ableger commerce:seo, Gambio und modified
Das US-System osCommerce [7] kann schon fast als Mutter der freien Shopsysteme betrachtet werden. Allerdings ist das System veraltet und entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Eine neue Version ist seit Jahren in Entwicklung, ein Release-Termin bisher nicht in Sicht. Auch ist osCommerce für den Einsatz in Deutschland nicht geeignet – jedenfalls nicht ohne das System manuell anzupassen. Viele Ableger haben es sich zur Aufgabe gemacht, direkt eine für den deutschen Markt geeignete Version des Shopsystems anzubieten.
Der bekannteste Ableger dürfte in Deutschland xt:Commerce [8] sein. Ab Version 4.0 (Veyton) unterliegt xt:Commerce allerdings auch keiner Open-Source-Lizenz mehr, eine kostenfreie Version liegt mit xt-Start aber seit einiger Zeit wieder vor. Aus der alten xt:Commerce-Version 3.0 haben sich weitere Forks entwickelt, die immer noch gepflegt und weiterentwickelt werden. Dazu gehören Gambio [9], modified eCommerce Shopsoftware [10] und commerce:seo [11]. Gambio bietet eine kostenpflichtige Version des Systems mit einem Jahr Support an, modified ist nur kostenfrei erhältlich und commerce:seo bietet unterschiedliche kostenpflichtige Komplettpakete mit zusätzlichen Modulen, Templates und Dienstleistungen. Alle vier Systeme sind kürzlich an die neuen Anforderungen der Verbraucherrechte-Richtlinie angepasst worden.
Fazit
Die Auswahl eines Shopsystems sollte anhand einer realistischen Selbsteinschätzung erfolgen. Komplexe Systeme sind für kleinere bis mittlere Online-Händler nicht automatisch die bessere Wahl. Die Logik „Was mehr kostet, bringt auch mehr“ ist hier fehl am Platz. Allerdings ist der Blick in die Zukunft wichtig: „Was will ich erreichen“ und „Wo will ich hin“ sind die richtigen Fragen. Magento, Oxid und Shopware lassen sich mit überschaubarem Aufwand von einer Einsteiger-Lösung hin zu einer Enterprise-Edition ohne Datenverlust migrieren und sind somit relativ zukunftssichere Investitionen. Wer starken Wert auf die schnelle Umsetzung von technischen Innovationen legt, muss genauer hinschauen, denn bei den Herstellern wird mit stark unterschiedlicher Geschwindigkeit gearbeitet – auch wenn die Wichtigkeit technischer Innovation bei allen großen Anbietern sichtbar angekommen ist.