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Trendreport

Mobility-Startups in Berlin: Stadt unter Strom

In Berlin bereiten sich Gründer auf die Verkehrswende vor: ­Kleine, surrende Elektrofahrzeuge vom ­Skateboard bis zum Tretroller sollen Staus, Lärm und Smog aus der Hauptstadt verbannen. Investoren träumen vom ganz ­großen Geld. Doch das Geschäft ist voller Risiken – und treibt Gegner auf die Straße.

Von Daniel Hüfner
12 Min.
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(Foto: Michael Hübner)

Laurens Laudowicz wollte nur kurz zur Bank, etwas Bargeld ­holen. Aber dort kam der Gründer nicht an. Schon nach zwei ­Ampeln hatten ihn blau uniformierte Polizisten der Berliner Fahrradstaffel wild gestikulierend aus dem Verkehr gezogen. Der Grund: Laudowicz fuhr nicht etwa ohne Licht oder auf der falschen Straßenseite, sondern mit einem motorisierten Skateboard, das schon äußerlich einem Superheldenfilm entsprungen sein könnte. Schwarzes Deck, faustdicke Rollen mit tiefem ­Profil, rot leuchtende LEDs, dazu ein leise surrender Elektromotor, 30 Stundenkilometer schnell: „Die Beamten mussten ordentlich strampeln, um mich einzuholen“, witzelt Laudowicz.

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Die Spritztour des 38-Jährigen war jedoch keine Bagatelle. Denn das E-Skateboard seines Startups Stark Mobility ist in Deutschland illegal. Es zählt zu den sogenannten Elektrokleinstfahrzeugen, für die es offiziell noch keine Zulassung gibt. ­Darunter fallen motorisierte Tretroller, Hoverboards und sogenannte Mono-Wheels, ein Trittbrett mit einem großen Antriebsrad in der Mitte. Wer die Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nutzt, riskiert ein Bußgeld von 70 Euro und einen Punkt in Flensburg. Allein im vergangenen Jahr hat die Berliner Polizei insgesamt 71 dieser nicht erlaubten Elektroflitzer beschlagnahmt.

Nach Berlin ist Laurens Laudowicz trotzdem gekommen. Der Bremer, der 18 Jahre lang in den USA gelebt hat, hat sein Büro im vergangenen Jahr von San Francisco in die deutsche Hauptstadt verlegt. Zusammen mit vier Mitarbeitern sitzt er jetzt in einem geräumigen Altbau in der Rheinsberger Straße, wenige Fußmeter neben der ­Factory, dem größten Gründercampus der Stadt, wo Firmen wie Soundcloud und Google residieren. Wie sie hat auch Laudowicz eine große Vision: Er will mit Stark Mobility eine ­globale Sharing-Plattform für E-Fahrzeuge aufbauen. Und das, sagt er, gehe nirgendwo besser als in Berlin. „Die Mieten sind hier noch vergleichsweise günstig, die Stadt hat früh auf Car- und Bikesharing gesetzt, und es gibt ein großes Netzwerk von Mobilitätsanbietern. Man ist schnell bei der Deutschen Bahn oder Daimler“, sagt Laudowicz. Sein Skateboard? „Erst der Anfang.“

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Da rollt was auf Berlin zu

Mit diesen Ambitionen ist der Gründer in Berlin nicht allein. In der Hauptstadt warten derzeit mindestens acht weitere Startups darauf, mit Elektrokleinstfahrzeugen durchstarten zu können. Und schon im März könnte es soweit sein. Dann nämlich soll zumindest das Verbot für E-Tretroller fallen. Die Fahrzeuge verfügen über eine Lenkerstange, zwei Räder, dazwischen das Brett zum Draufstellen. Mit einem Fuß stößt man sich vom Boden ab und braust mit Stromunterstützung los. Ein Verordnungsentwurf des Bundesverkehrsministeriums sieht unter anderem vor, dass die Roller mit bis zu 20 Kilometern pro Stunde auf Radwegen und meist auch auf der Straße fahren dürfen. Der Markt wird schwer umkämpft sein, einige Berliner Startups haben sich vorsorglich schon mit Kapital eingedeckt. Im Oktober sicherte sich beispielsweise Tier Mobility von Investoren eine erste ­Finanzierung über 25 Millionen Euro. Einen Monat später zog Wind.co mit ­19 ­Millionen Euro nach und die von Szene-Urgestein Lukasz Gadowski gegründete Firma Flash erhielt im Januar sogar 55 Millionen Euro. Auf Konzernseite erprobt die Daimler-Tochter ­Mytaxi ebenfalls den Einstieg in den Markt. Alle Anbieter verfolgen das Ziel, ein stadtweites ­Verleihsystem für ­E-Tretroller zu etablieren. Die Fahrzeuge können per App für einen Euro aus­geliehen werden, die Nutzung selbst kostet dann 15 Cent pro ­Minute. Abends werden die Roller von Mitarbeitern ­eingesammelt, aufgeladen und am Morgen an ausgewiesenen Plätzen wieder abgestellt. Vorbild sind hier wieder einmal die Amerikaner. In San ­Francisco, wo die inzwischen mit Milliarden bewerteten Anbieter Lime und Bird aktiv sind, gehören E-Tretroller längst zum ­Straßenbild. Auch in ­Moskau, Paris oder Tel Aviv gibt es das ­Modell bereits.

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Das Gründerteam von Tier: Lawrence Leuschner, Julian Blessin und ­Matthias Laug. Die Szeneköpfe planen ein europaweites Verleihsystem für E-Tretroller. (Fotos: Tier Mobility)

Das Gründerteam von Tier: Lawrence Leuschner, Julian Blessin und ­Matthias Laug. Die Szeneköpfe planen ein europaweites Verleihsystem für E-Tretroller. (Fotos: Tier Mobility)

In den Augen der Gründer sind die Elektroflitzer in Ballungsräumen vor allem für Kurzstrecken geeignet; für die sogenannte letzte Meile von der Haltestelle zum Arbeitsplatz, ins Fitness­studio oder nach Hause. Also überall dort, wo Bus und Bahn nicht mehr hinkommen. Die Roller sind leicht zu bedienen und bringen Nutzer im Vergleich zum Fahrrad nicht ins Schwitzen. Im Visier haben die Gründer besonders Berufspendler: „Wer schon einmal um 18:30 Uhr an der Friedrichstraße umgestiegen ist, weiß, ­wie viel Zeit und Nerven das kostet“, sagt Julia Boss, Geschäftsführerin des Startups ­Wind.co aus Berlin. Die frühere Rocket-­Managerin sieht in den E-Tretrollern – trotz der noch fehlenden Zulassung in Deutschland – ein Erfolgsmodell. Die Arbeitslosigkeit im Land sei gering, das Auto kein Statussymbol mehr. So könne ihre Firma vielen Menschen auf dem Weg zur Arbeit, von der Arbeit sowie in der Mittagspause eine zeitsparende Fortbewegungsalternative bieten. „Das gilt umso mehr, als die Zahl der Autos vor allem in Berlin sehr hoch ist, aber niemand seine Zeit mit der ewigen Parkplatzsuche verschwenden will“, sagt Boss.

Übergeordnet werben die Startups auch mit dem Umweltschutz. Tier-Gründer Lawrence Leuschner beispielsweise redet vom „Anfang einer kompletten Mobility-Revolution“. Elektrische Tretroller seien ein erster Schritt hin zu Innenstädten ohne Staus, Lärm, Smog und anderen Umweltverschmutzungen. „Gerade die Städte im Ausland erkennen den Nutzen und die positiven Auswirkungen, welche die neuen elektrischen Fahrzeuge auf Verkehr und Umwelt haben“, sagt Leuschner. Seit Oktober ist der Gründer, der zuvor den Online-Ankaufdienst Rebuy aufbaute, mit seinem Rollerangebot unter anderem in Wien und Madrid aktiv. Sollte die Straßenzulassung wie angekündigt kommen, sagt Leuschner, werde Tier auch in Deutschland – abhängig vom Geschäftsgebiet – „einige hundert oder tausend“ Roller aufstellen. Berlin gilt wegen seiner Größe als einer der hoffnungsvollsten Standorte.

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Strenge Regeln für leise Treter

Dass der erhoffte Boom in der Hauptstadt einsetzen wird, ­stellen manche Experten jedoch infrage. Denn das Bundesverkehrs­ministerium hat für die Straßenzulassung strenge Regeln festgelegt. So müssen die E-Tretroller nach jetzigem Stand über zwei Blinker und eine Versicherungsplakette verfügen. Auf eine Helmpflicht wurde verzichtet, doch Fahrer müssen mindestens 15 Jahre alt und im Besitz eines Mofa-Führerscheins sein. Ein Show-Stopper, findet Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Zwar könnten die Roller dem Verkehrsforscher zufolge bei sachgerechter Nutzung das Nah­verkehrsangebot in Berlin „deutlich“ verbessern. „Aber die Ver­sicherungs- und Führerscheinpflicht wird die Nachfrage nach den Rollern stark bremsen. Das ist wieder mal ein typisches Beispiel für die Überregulierung in Deutschland“, sagt er. In ­Barcelona oder Paris gebe es diese Regeln nicht. Knie schätzt, dass bis Jahres­ende nur wenige hundert E-Tretroller in Berlin unterwegs sein werden.

Auch Tier-Gründer Lawrence Leuschner hält die Ausgestaltung der Verordnung noch für verbesserungswürdig: „Gerade junge Menschen in großen Städten, die heute keinen Führerschein mehr machen, werden hier ausgeschlossen“, sagt er. „Wir würden es begrüßen, wenn, wie in den anderen europäischen Ländern, auf Führerschein- und Versicherungspflicht verzichtet würde.“ So könnten Fahrer bei Zuwiderhandlung strafrechtlich verfolgt werden, kommt es zu einem Unfall, drohen außerdem Schmerzensgelder. Immerhin: Wegen der Kritik an einer möglichen ­Überregulierung hat das Bundesverkehrsministerium die ursprünglich bereits für 2018 geplante Zulassung der Elektro­kleinstfahrzeuge zuletzt noch einmal vertagt. Der Entwurf könne sich noch ändern, räumte das Ministerium Anfang Dezember auf Anfrage ein. Zumindest die Blinker- und Versicherungspflicht soll überdacht werden. Einfache Handzeichen wie beim Fahrradfahren könnten bei der Nutzung der E-Tretroller ausreichen. Auch das pauschale Verbot von E-Skateboards, das weiter bestehen bleiben sollte, scheint nicht mehr in Beton gegossen. So könnte eine Sondergenehmigung für die Laufzeit von zwei Jahren ausgestellt werden, um dann noch einmal neu zu entscheiden.

Für das Startup von Laurens Laudowicz wäre das eine gute Nachricht. Bisher hat der Stark-Mobility-Gründer von seinem ­futuristischen E-Skateboard erst knapp 1.000 Exemplare verkauft, mehr als die Hälfte davon an Kunden in den USA. Es könnten viel mehr sein, gerade in Deutschland. „Zumal es hierzulande nicht nur trendbewusste Geschäftsleute gibt, sondern auch viele Hobby-Skater“, sagt Laudowicz, der mit seinen beiden Mitgründern insgesamt 440.000 Euro aus eigener Tasche in die Firma gesteckt hat. Zudem haben Crowdinvestoren vor anderthalb ­Jahren rund 193.000 Euro beigesteuert. Von einem Teil des Kapitals hat Laudowicz kürzlich auch einen E-Tretroller entwickelt. Produziert wird das Fahrzeug in China. Demnächst will Laudowicz mit dem Verkauf in Deutschland starten, um von Anfang an von der erhofften Nachfrage profitieren zu können.

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„Ende der entspannten Verhältnisse“

Womöglich scheitert die von den Gründern ausgerufene Verkehrswende aber nicht einmal an der Regulierung. Schaut man sich die Entwicklung des Roller-Trends in den USA an, so wird deutlich, dass die Elektroflitzer nicht bei allen Stadtbewohnern beliebt sind. In San Francisco, wo Lime und Bird im vergangenen Jahr über Nacht gestartet sind, kam es schnell zum Chaos. Innerhalb von Stunden gingen Anrufe bei der Stadt ein, in denen sich Bürger über Roller beschwerten, die achtlos auf Gehwegen abgelegt worden waren oder Bushaltestellen blockierten. Der Frust einiger Menschen entlud sich daraufhin in Vandalismus. Viele Roller wurden zerstört, beschmiert, in Mülleimer gesteckt oder im Hafenbecken von San Francisco versenkt. Zeitweise untersagte die Stadt den Betrieb der Rollerflotten sogar.

Nicht bei jedem Stadtbewohner sind die Elektrokleinstfahrzeuge willkommen. Fußgänger fürchten sich vor rücksichtslosen Fahrern und einer erhöhten Unfallgefahr. ( Foto: dpa)

Auch in Deutschland scheinen solche Szenarien nicht unwahrscheinlich. Die bereits 2017 massenhaft von chinesischen Anbietern wie Obike oder Ofo aufgestellten Leihfahrräder in ­Berlin oder München wurden schnell zum Gespött. Nach wenigen Wochen lagen hunderte Schrotträder in den Straßen. Noch vor dem offiziellen Start richten sich jetzt auch erste Proteste gegen die neuen Elektrokleinstfahrzeuge. Als im Dezember knapp 200 Anhänger des E-Fahrzeug-Bündnisses Electric ­Empire mit Tretrollern, Mono-Wheels und Skateboards für die Legalisierung der Elektroflitzer durch Berlin zogen, brachten sich Gegen­demonstranten mit Schwimmnudeln und Blindenstöcken in Stellung, um symbolisch die Gehwege zu versperren. Die Gegner fürchten sich vor rücksichtslosen Fahrern und der damit verbundenen Unfallgefahr. „Auf dem Gehweg sind Alte, Kinder, Seh- und Hörbehinderte unterwegs“, sagt Roland Stimpel, Sprecher der Fußgängervereinigung Fuss e. V. „Jetzt sollen E-Fahrzeuge bis zwölf Stundenkilometer dazukommen, das ist dreimal so schnell wie viele Fußgänger. Das wäre das Ende der entspannten Verhältnisse.“ Stimpel fordert, dass die Elektrokleinstfahrzeuge ausschließlich auf Radwegen und Fahrbahnen verkehren dürfen.

Wie ein offener Dialog im Anschluss der Demo gezeigt hat, sind sich die Gegner mit den Befürwortern von Electric ­Empire darin sogar einig. Anfängliche Bedenken habe man schnell ausräumen können. „Wir wollen nicht auf den Gehweg, sondern auf die Straße“, beteuerte ein Sprecher von Electric Empire. Doch das Verkehrsministerium will sich da offenbar nicht festlegen: Der ­Verordnungsentwurf sieht vor, dass Fahrer Radwege ­benutzen. Dort, wo keine Radwege vorhanden sind, dürfen die Fahrer auf Straßen fahren. Jedoch sollen per Ausnahme­regelung von ­Kommunen auch Gehwege freigegeben werden. Nur auf ­Gehwegen unterwegs sein dürfen hingegen E-Fahrzeuge ohne Lenkerstange wie Skate- und Hoverboards. Wie auch immer es kommt: Künftig dürfte es auf Berliner Straßen noch enger ­zugehen als bisher.

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Die Lösung: Weg mit parkenden Autos

Das hält auch Verkehrsforscher Andreas Knie für problematisch. Für ihn gehören die Elektroflitzer deshalb weder auf den Gehweg noch auf die Fahrbahn. „Die Fußwege in Berlin sind schon ­heute voll, und wer mit dem Taxi schnell zu einem Termin fahren muss, möchte auch keinen Tretrollerfahrer vor sich sehen, der die Straße blockiert“, sagt Knie. Er plädiert für gesondert ausgewiesene Fahrbereiche, die von Radfahrern und E-Fahrzeug­nutzern gleichermaßen genutzt werden können. Dass Berlin bereits 2016 in einer nicht-repräsentativen Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e. V. zum Radfahrklima in deutschen Städten nur auf Platz 36 von 39 landete, unter anderem wegen häufiger Konflikte mit dem Autoverkehr, will Knie nicht gelten lassen. An Platz mangele es Berlin dem Forscher zufolge keineswegs. Die Infrastruktur sei grundsätzlich ausreichend: „Es gibt keine andere Stadt in der Welt, die so für neue Verkehrsmethoden prädestiniert ist wie Berlin. Aber das Problem sind die 1,2 ­Millionen Autos, die zum Großteil unbenutzt am Straßenrand stehen. Das ist eine Sünde an der Menschheit“, sagt Knie. Hier könne und müsse die Stadt eingreifen, beispielsweise mit Fahrverboten, erhöhten Parkgebühren und Sondernutzungsrechten für Handwerker und Lieferanten. Mit dem neu gewonnenen Platz steige dann auch die Akzeptanz für die Elektrokleinstfahrzeuge. ­Andernfalls, so befürchtet Knie, werde Berlin auch im europäischen Vergleich weiter abgehängt. „Die Stadt der Zukunft ist ­elektrisch und kennt keine parkenden Autos mehr.“

Eine Vision, an der Stark-Gründer Laurens Laudowicz schon heute arbeitet. Immerhin will er seine Skateboards und Tretroller nicht nur verkaufen, sondern seine Firma künftig zu einer Mobilitätsplattform ausbauen, die Menschen ermöglicht, ihren privaten Fuhrpark an Fremde zu verleihen. „Die Leute bezahlen viel Geld für Autos, Fahrräder und Roller, die dann 95 Prozent der Zeit ungenutzt vor der Haustür stehen“, erklärt Laudowicz. „Besser wäre es doch, man stellt diese Dinge zeitweise zur Verfügung und verdient nebenbei Geld damit.“ Bei der Ausgestaltung seines ­Services hat sich der Gründer von ­großen Tech-Firmen inspirieren lassen. So besitzt Laudowicz mehrere Ferienwohnungen in den USA, die er gekauft und anschließend über Airbnb vermietet und abbezahlt hat. Über die zu Daimler gehörende Leihplattform Turo wiederum hat er sein privates Auto finanziert. Viel Ärger hatte er damit nicht. Um lästige Dinge wie Schlüsselübergabe, Reinigung, Wartung und Betankung haben sich spezielle Agenturen gekümmert. Dieses Modell will Laudowicz mit seinem Startup nun auf die Mobility-Branche übertragen und damit Menschen motivieren, sich ein elektrisches Fahrzeug anzuschaffen. „Unser Ziel war immer, die Elektromobilität voranzutreiben“, sagt ­Laudowicz. Eigenes Geld verdienen will er später mit Provisionen, die sein Startup bei jedem Leihvorgang einbehält. Ein aus Sicht von Investoren spannendes Modell: Gefördert wird Stark Mobility neuerdings vom Berliner Accelerator Techstars mit rund 106.000 Euro. Außerdem steht Laudowicz angeblich in Verhandlungen mit weiteren Geldgebern, die seine Idee vorfinanzieren sollen. Konkrete Namen will der Gründer zwar nicht nennen, aber es sei ein großer deutscher Automobilhersteller dabei.

Der Traum vom ganz großen Geld

Die Verdienstmöglichkeiten sind es auch, die den aktuellen Hype um die E-Tretroller erklären. Einer Analyse der News-Seite Quartz zufolge lassen sich mit einem regelmäßig genutzten Roller rund 1.000 US-Dollar Gewinn machen. Dabei wird mit einer Lebensdauer von rund vier Monaten und einem Anschaffungspreis für den Roller von 320 Dollar kalkuliert. 16 Dollar Umsatz pro Roller am Tag und fünf Dollar Kosten für das tägliche Aufladen ergeben dann laut den Berechnungen den vierstelligen Gewinn. Mit einer steigenden Lebensdauer durch optimierte, länger haltbare Roller könnte der Gewinn pro Fahrzeug sogar noch gesteigert werden. Drängt man als Anbieter ähnlich wie Lime oder Bird nun noch mit Tausenden Fahrzeugen in die Städte, ergibt sich für Gründer und Investoren ein gut skalierbares Geschäftsmodell.

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Das allerdings sehen nicht alle so. Hohe Anschaffungskosten, aufwendige Wartung und ein – pro Fahrzeug gesehen – geringer Umsatz könnten das Geschäft ausbremsen, sagte Gunnar Froh kürzlich dem Magazin Spiegel. Froh ist Gründer des Startups Wunder ­Mobility, das die Software hinter vielen Sharing-Apps und seit kurzem auch E-Tretroller verkauft. Problematisch findet Froh vor allem die kurze Lebensdauer von bis zu vier ­Monaten. Denn danach landeten die batteriebetriebenen Roller auf dem Müll – was die Frage aufwirft, ob die Fahrzeuge wirklich ein so großer Segen für die Umwelt sind, wie die Anbieter behaupten. Julia Boss vom Berliner Startup Wind.co widerspricht der Kritik vehement. Das Unternehmen setze bei seinen Rollern auf austauschbare Akkus, um den Wartungsaufwand zu verringern und die Lebensdauer zu erhöhen. „Wir haben also kein Batterie-­Schrott-Problem. Sollte ein Roller mal Probleme haben, haben wir Mechaniker, die die Roller reparieren. Sollte ein Roller nicht zu reparieren sein, wird er als Ersatzteillager für andere Roller verwendet“, sagt Boss. Jedes Fahrzeug werde so lange wie möglich genutzt. Was dann noch übrig bleibe, werde fachgerecht recycelt. Das betont auch Tier-Gründer Lawrence Leuschner, der Konkurrent von Boss. Man habe sein Modell „deutlich verbessert“ und für eine längere Lebensdauer ausgelegt. Der Markt müsse sich eben erst ent­wickeln. „Henry Ford ist mit dem Model T ja auch nicht sofort quer durch die USA gefahren“, sagt Leuschner.

Auch an solchen Aussagen sieht man: Der Wettstreit unter den Startups mit Elektrokleinstfahrzeugen läuft gerade erst heiß. Sollte die Zulassung wie angekündigt noch in diesem Frühjahr kommen, werden sich nicht nur Berlins Fußgänger auf große Konkurrenz einstellen müssen. Denn wie so oft in der Tech-Branche werden nicht alle Anbieter überleben. Gut möglich, dass es auch zu Fusionen kommt. Gewinnen werden am Ende höchstens ein oder zwei Anbieter. Stark-Mobility-Gründer Laurens Laudowicz jedenfalls ist optimistisch. Und warum auch nicht? Nachdem er mit seinem E-Skateboard auf dem Weg zur Bank von Berliner Fahrradpolizisten gestoppt wurde, gab es eine Überraschung. Die Beamten nahmen sich zehn Minuten Zeit, um sich die Idee des Gründers anzuhören. „Ich habe ihnen erklärt, was das für ein Fahrzeug ist und warum wir nach Berlin gekommen sind“, sagt Laudowicz. „Statt eines Bußgeldes gab es dann erstaunte Blicke, und das Skateboard durfte ich behalten.“ Klingt so, als habe der Gründer seine ersten Kunden in Berlin schon gewonnen.

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Da sind noch einige inhaltliche Fehler, die korriegiert werden sollten ;)

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