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Software

Möglichkeiten und Grenzen von Open Source

Open Source hat die Softwareindustrie umgekrempelt wie kaum eine Idee zuvor. Heute gelten viele Open-Source-Produkte als ernst zu nehmende Konkurrenz für proprietäre Lösungen und für manche auch als Allheilmittel gegen die strukturellen Probleme der Software-Entwicklung und Asymmetrien des Softwaremarkts. Dieser Artikel skizziert grob die Geschichte des Begriffs „Open Source“ und lotet seine realistischen Dimensionen aus.

6 Min.
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Inhaltsverzeichnis

Manchmal sind es kleine Entscheidungen, die im
Laufe der Geschichte eine besondere und unabsehbare Tragweite
entwickeln. So geschehen im Jahre 1998, als Eric S. Raymond den
Begriff „Open Source“ in die Welt setzte. Netscape traf
seinerzeit die für damalige Verhältnisse spektakuläre
Entscheidung, den Quellcode seines Browsers Navigator (dem Vorläufer von Firefox) unter der „Netscape Public
License“ freizugeben. Raymond und anderen Beobachtern wie Michael
Tiemann, Gründer von Cygnus, später RedHat, wurde die neue
Bedeutung von „freier Software“ schlagartig bewusst. Sie machten sich auf die Suche nach einem Begriff, der sich in seiner
Bedeutung vom bis dahin gebräuchlichen Begriff „Free Software“
abhob und sich besser eignete, die Geschäftswelt von
den Vorzügen dieses Modells zu überzeugen [1].

Eine Idee wird
erwachsen

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Heute kommt kaum noch
eine IT-Präsentation ohne den Begriff Open Source aus und auch
Zeitschriften wie T3N festigen das semantische Spektrum von Open
Source in der Medienöffentlichkeit. Dabei hat der Begriff in
den letzten Jahren eine Dynamik erfahren, die weit über seine
ursprüngliche Idee hinausgeht. Nicht mehr nur geht es bei Open
Source um Software und politische Überzeugungen, sondern darum,
dass Open Source als bewusste Management-Entscheidung die Strukturen
der Softwareindustrie nachhaltig verändert [2].

Ziel vieler Bemühungen,
insbesondere kommerzieller Firmen wie MySQL und RedHat, ist es,
Firmenkultur und Strukturen so zu etablieren, dass durch einen
ungehinderten und transparenten Austausch von Informationen und
Wissen Mehrwert für alle Beteiligten geschaffen wird. Selbst
Microsoft hat seine Rhetorik à la „GPL und Linux sind
kommunistisch inspirierte Ausgeburten und zerstören Amerika“
zugunsten eines wesentlich realitätsnäheren und
pragmatischeren Ansatzes aufgegeben [3]
[4].

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Die Rationalität
hinter Open Source

Die Kernidee hinter
Open Source ist weder neu, noch stellt sie die Normen unserer
Gesellschaft radikal in Frage. Open Source führt zwar einen –
aus „Shareholder Value“-Perspektive auf den ersten Blick
ungewohnten – Modus der Kooperation in die Industrie ein, bringt aber
unbestreitbare Vorteile für alle Beteiligten mit sich. Schon im
Jahr 2003 bemerkte Thomas Goetz [5] :

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„Open Source wird oft als Angriff gegen die kommerzielle Welt dargestellt. Die Idee von Open Source kann jedoch durchaus einen Segen für kommerzielle Firmen bedeuten. Die gemeinschaftliche Entwicklung von Projekten spart Ressourcen und erlaubt flexible Weiterentwicklungen der Technologie.“

Die Aufweichung der klassischen Demarkierungslinien entlang von Eigentumsgrenzen zwischen kommerziellen Firmen untereinander sowie zwischen Firmen und Konsumenten hat einen großen Vorteil: Die Beteiligung von Kunden oder Dritten an der Produktion, sei es durch Bugreports, allgemeines Feedback oder

Bugfixes, macht die Produktion von Software effizienter und letztlich kostengünstiger.

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Open Source ermöglicht eine Art der Zusammenarbeit zwischen Firmen untereinander und mit ihren Kunden, die ökonomisch trotz höherer Transaktionskosten und Koordinierungskosten [6] sinnvoll ist: Der Gesamtnutzen ist größer als die entstehenden Kosten [7]. Dabei verhindert Open Source durch seine Offenheit effizient das Entstehen wohlfahrtsschädlicher Monopole und verlagert Wohlfahrtsgewinne von den Produzenten zu den Konsumenten.

Die ökonomische Sinnhaftigkeit von Open Source zeigt, dass Kooperation und Wettbewerb sich nicht prinzipiell ausschließen. Im Gegenteil: Es ist eine oft unterschätzte Tatsache, dass Wettbewerb sogar ein gewisses Maß an Kooperation bedingt. Ohne ein solches Mindestmaß an kooperativem Verhalten der handelnden Akteure wären sämtliche Transaktionen in einer Marktwirtschaft völlig unmöglich [8]. Warum also sollte sich Kooperation zwischen Firmen untereinander wie auch zwischen Firmen und Konsumenten bei der Erstellung von Software nicht auch ökonomisch auszahlen?

In der Tat sind heutzutage kommerzielle und häufig börsennotierte Firmen die wohl wichtigsten Antriebsfedern hinter vielen bedeutenden Open-Source-Projekten wie Linux, Eclipse oder OpenOffice. RedHat, IBM und SUN sind nur drei der offensichtlicheren Beispiele für Firmen, die erhebliche Ressourcen für Software-Entwicklung aufwenden und es dennoch schaffen, von ihrem Einsatz nachhaltig zu profitieren. Selbst Microsoft, das derzeit noch wenig Anreiz hat, sein proprietäres Geschäftsmodell grundlegend zu ändern, kann sich der Realität von Open Source nicht mehr grundsätzlich entziehen und strebt zumindest einen Dialog mit der Open-Source-Community an.

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Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bedeutet Open Source die Möglichkeit, auf verbreiteten und gut zugänglichen Open-Source-Stacks (etwa LAMP) oder -Systemen aufzusetzen. Hier entsteht also durch Open Source häufig erst ein Wettbewerb. Mittlerweile zeichnen sich klassische Geschäftsmodelle im Bereich Open Source ab: Dienstleistungen, Anpassungen, spezielle Erweiterungen, Installation und Administration, Beratung und Schulung.

Open Distribution und
Open Innovation

Während manche Beobachter Open Source primär als soziales und softwaretechnisches Phänomen und dementsprechenden Forschungsgegenstand auffassen [9]
[10], gibt es Stimmen, die ganz andere Aspekte als die eigentlich revolutionären hervorheben: Vertrieb, Verkauf und Marketing. So bemerkt N. M. Asay [11] :

„Bei Open Source geht es darum, die Verbreitung eines Produktes zu maximieren, es über Firewalls und Bürokratien hinweg in die Hände von Anwendern und Entwicklern zu bekommen, sodass diese es ausprobieren können. Später können sie dann auf den Anbieter zurückkommen, etwa für Supportverträge und Dienstleistungen.“

Open Source ist also nicht nur eine bestimmte Art
und Weise, Software gemeinschaftlich zu entwickeln, sondern auch,
diese zu vermarkten. Dabei kann man das Wort Marketing durchaus in
einem sehr positiven Sinne betrachten. Open Source steigert nicht nur die Möglichkeiten für Anwender, sich und ihre Arbeit in die Entwicklung von Software einzubringen, sondern auch, ihre Ideen und Wünsche in die entstehenden Produkte einzubringen. Es gibt Unternehmen also eine sehr
effektive und kostengünstige Möglichkeit, ihre Kunden
besser zu verstehen.

Dafür müssen jedoch
entsprechende Strukturen und Prozesse geschaffen und professionell
gehandhabt werden. Zu Kommunikation und Zusammenarbeit gehören schließlich immer zwei Parteien. Allein das Aufsetzen von technischen
Kommunikationsinfrastrukturen wird hier nur in den wenigsten Fällen
genügen. Im besten Falle entstehen jedoch bei der Zusammenarbeit
von Anbietern mit ihren Kunden Produkte, die weder die einen hätten
erdenken noch die anderen alleine hätten produzieren können.

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Wie weit trägt Open
Source?

In den blühendsten Szenarien, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, führt Open Source nicht nur zu besserer und ethischerer Software [12], sondern mindestens auch zu doppelter Freiheit der Arbeiterklasse im Sinne von Karl Marx [13], wenn nicht gar noch zur Lösung der Digital Divide und der Befreiung der Entwicklungsländer aus der Abhängigkeit des Nordens. All diesen Utopien gemein ist eine teils offensichtliche, teils unterschwellige Ablehnung jeglicher kommerzieller Interessen, die nicht ohne eine gewisse Realitätsferne auskommt.

Die Geschichte von Open Source, auch jenseits von Software, handelt primär vom kreativen Umgang mit geistigem Eigentum und der Durchsetzung eines ungewohnten Produktions-, Konsumptions- und Kooperationsmodus in der Gesellschaft. Wenn sich dabei Machtverhältnisse verschieben, wird jedoch noch lange nicht die Marktwirtschaft an sich untergraben. Auch wenn es Beispiele dafür gibt, dass Hersteller „entbehrlich“ geworden sind [14], ist kaum anzunehmen, dass sie vollständig verschwinden werden. Ebenso ist es verfrüht, proprietäre Anbieter und kommerzielle Interessen in der Softwareentwicklung, der Wiege von Open Source, für obsolet zu erklären. Eine Palette von Open-Source-Produkten ist zwar zu ernst zu nehmender Konkurrenz für proprietäre Angebote gewachsen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Open-Source-Communities ohne kommerzielle Anreize Innovationen im Markt schaffen. In der Tat sind die erfolgreichsten Open-Source-Produkte zwar ihren proprietären Pendants durchaus ebenbürtig, aber eben wenig originell [15].

Als empirisch gesichert kann gelten, dass Open Source Konkurrenz für einzelne Produkte schafft, die Preise nach unten treibt und den Mehrwert insgesamt steigert, nicht jedoch, dass es in jedem Marktsegment echte Produktinnovationen hervorbringt. Open Source ist also nicht die ultimative Antwort auf strukturelle Probleme der Softwareentwicklung, geschweige denn auf weit reichendere Probleme von Gerechtigkeit und Macht. So einfach sind weder die Fragen noch die Antworten.

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