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Startups & Economy
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Kolumne: Neulich im Gründerzentrum…

„Verstehe nicht, warum wir gescheitert sind. Unsere Website hatte ein so tolles Favicon!“ Dieser Gag aus 2001 zündet heute vielleicht wieder. Zumindest in den USA regnet es Geld für so manches Startup und nicht jedem ist klar, warum. Das gilt beispielsweise für die zwei deutschen Gründer in unserer kleinen Geschichte. Ein fiktiver Tatsachenbericht.

4 Min. Lesezeit
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„Hast du gelesen, wie viele Milliarden Groupon wert ist? Irre!“ sagt A. und starrt mit großen Augen in sein Laptop. Kollege B. sitzt ihm in dem winzigen Büro direkt gegenüber. Gemeinsam arbeiten sie im Gründerhaus in H. an X., ihrem großen Projekt. Was X. einmal genau sein wird, wissen sie noch nicht. Ist schließlich alles Alpha. „Arbeiten“ ist jetzt vielleicht auch etwas übertrieben formuliert. Jedenfalls ist es an diesem Tag mal wieder spät geworden. Draußen ist es dunkel, kalt und regnerisch.

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„Mh?“ murmelt B. und klickt lustlos auf seinem Laptop herum. „Na, Groupon! Milliarden! Irre!“ ruft A. aus und B. stutzt. „Milliarden für YouPorn? Hätte nicht gedacht, dass das so viel wert ist.“ – „Quatsch YouPorn. Groupon! Gutscheine und so. Die haben doch in Deutschland hier gerade Dings gekauft. Superdeal oder Dealcity oder wie die heißen. Was weiß ich.“ – „Und warum sind die so viel wert?“ – „Na, weil… Die… Ach, keine Ahnung. Aber warum machen wir nicht sowas?“ – „Gutscheine?“ – „So ein Portal. Irgendwas mit local. Oder social. Oder beides. Am besten noch mit diesem Augmented Reality. Eine App. Oder gleich HTML5. Das ist auch schwer angesagt gerade.“ – „Jo…“ sagt B. und denkt nach. Ihm passiert das nicht oft und entsprechend ist es ungewohnt. Schnell gibt er es wieder auf.

„Oder hier: Qwiki!“ ruft A. als nächstes. „Bitte was?“ sagt B., jetzt schon ein bisschen gereizt. Wie soll er sich auf seine Konzeptideen für X. konzentrieren, wenn er laufend unterbrochen wird? „Qwiki. Das ist eine Seite, die Wikipedia nimmt, die Daten und Fotos in einer schicken Diashow zeigt und währenddessen wird der Text automatisiert vorgelesen.“ – „Mh.“ – „Die haben auch gerade ein paar Millionen bekommen. Und TechCrunch feiert die voll ab.“ – „Ahja. Und warum?“ – „Weil… Das… Ist doch egal. Jedenfalls ist das super.“ – „Und die machen das mit HTML5?“ fragt B., jetzt doch leicht verwirrt. „Nee, mit Flash. Aber darum geht’s ja jetzt auch nicht.“ – „Verstehe“, sagt B. Er versteht kein Wort. Wenn er aber eines aus der Zusammenarbeit mit A. in den letzten vier Wochen gelernt hat, dann eines: Keine Fragen stellen. Einfach nicken. Funktioniert immer prima.

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„Alter, und das hier ist erst fett!“ ruft A. begeistert wie immer. B. fragt diesmal nicht. Ob das etwas hilft? Vielleicht vergisst A. ja, was total „fett“ ist. Vielleicht ist es ihm ja in Wirklichkeit auch egal, ob B. zuhört. Er verhält sich still. Und wartet. „Das ist fett! Richtig fett!“ ruft A. Okay, denkt sich B., Experiment gescheitert. „Worum geht es?“ fragt er. „Quora! Das lieben alle! Alle großen Namen sind dabei.“ – „Und da passiert was?“ – „Da kann man Fragen stellen und bekommt dann Antworten.“ – „Aha. Das ist jetzt nicht so übermäßig neu, oder?“ fragt B. und beißt sich auf die Zunge. Er wollte doch keinen Widerspruch mehr äußern. Keine Diskussionen! Bloß keine Diskussionen! Verflixt. „Ja, nee, das ist schon anders. Und alle sind dabei. Fett. Musst du dir ansehen. Ich schick dir mal den Link rüber.“ – „Spitze“, sagt B. und versucht, seine Gedanken zu sammeln.

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„30! Millionen! Dollar! Irre.“

„Heiliger Bimbam!“ ruft A. plötzlich und B. rollt mit den Augen. Jedes Mal die gleiche Show. Muss das wirklich jedesmal sein? Was sollen die anderen denken? Mensch, Mensch, Mensch… „Was hast du denn jetzt wieder Schönes entdeckt, Kollege?“ fragt B. im freundlichsten Ton. „Du wirst es nicht glauben. Du glaubst es nicht.“ – „Und zwar?“ – „Einfach un-glaub-lich!“ – „Rück schon raus.“ – „Der Typ von den LOLcats kriegt 30 Millionen Dollar. 30! Millionen! Dollar!“ – „Wieso das denn?“ – „Na, ist doch klar, weil das eben schwer angesagt ist.“ – „Die machen das Mobil?“ fragt B., der schon gern wüsste, worum es eigentlich geht. „Nee. Glaub nicht. Keine Ahnung.“ – „Aber in HTML5?“ – „Nee.“ – „Ich blick’s nicht.“ – „Ist doch auch egal. Aber sowas müssen wir machen! Sowas!“ – „Katzencontent?“ – „Ja, nee, irgendwie halt. 30 Millionen! Ich klapp zusammen. Irre. Irre! Da ist voll Musik drin gerade. Und wir mittendrin. Wir mittendrin! Fantastisch. Das wird richtig nach vorne gehen. Ich sag dir das! Irre.“

„Ja, das wird alles super“, sagt B. und seufzt. „Das ist echt der Wahnsinn, was da gerade läuft“, ergänzt er lustlos, aber A. antwortet nicht. Wahrscheinlich liest er bereits die nächste Erfolgsstory. Einige Minuten lang starrt B. stumpf und unschlüssig auf den Bildschirm seines Laptops. Schließlich klickt er in die Adresszeile seines Browsers und gibt die URL eines Jobportals an. Er atmet einmal tief ein. Dann ganz langsam wieder aus. Gucken kann man ja mal, ist sicher nicht verkehrt, denkt er sich. So ein Angestelltendasein hat schließlich auch seine guten Seiten.

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Bildnachweis für die Newsübersicht: visual.ly – The Anatomy of Nerds & Geeks, Trent.Jordan

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info425

Das ist so ziemlich die geilste Geschichte, die ich seit langem gelesen habe. Ich habe Tränen gelacht !!

Scheint nur online noch nicht freigegeben zu sein…

Antworten
rubyist

Tolle Geschichte!!
Leider ist auch sehr viel Wahrheit dabei. Deswegen meine Devise:
„Ich gründe kein Startup sondern ein Unternehmen, denn Startups gehen (meist) immer pleite und leben nur einen Hype lang…“

Antworten
Dominik Mauritz

Köstlich!
Ich bin mir sicher, ich kenne A. und B. persönlich. Und X. wird groß.

Antworten
Allchemist

Wunderbar getroffen.

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