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Auf Schritt und Tritt: Online-Marketers entdecken die analoge Welt

Durch Bluetooth, WLAN und Augmented-Reality wandert das digitale Marketing immer mehr in den öffentlichen Raum. Doch welche Möglichkeiten bieten sich für stationäre Händler konkret? Ein Überblick.

7 Min. Lesezeit
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(Foto: flo-flash / Photocase)

Hier ein Klick, dort ein Sichtkontakt, am Ende der Kauf: Die Customer Journey zu kennen, ist im Marketing ein wichtiger Erfolgsfaktor. Damit wird die „Reise“ eines Kunden bezeichnet, die er vom ersten Werbemittelkontakt bis zum tatsächlichen Erwerb eines Produktes zurücklegt. Auf dieser Reise hat er verschiedene Kontaktpunkte zu einer Marke oder einem Anbieter, beispielsweise durch das Ansurfen einer Website oder die Einblendung von Werbeanzeigen.

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Den einzelnen „Touchpoints“ Wertbeiträge am Kampagnenerfolg zuzumessen, gilt als die hohe Kunst im Marketing. Denn erst durch eine exakte Attribution lassen sich die Werbebudgets exakt aussteuern. In den digitalen Kanälen funktioniert dies recht gut. Der Zusammenhang zwischen einer online gesehenen Werbung und einem im stationären Laden an der Ecke gekauften Produkt war hingegen lange Zeit ein Mysterium. Nun machen sich Unternehmen daran, diese Kluft zu überwinden. Das Smartphone, das immer dabei ist, macht es möglich. Mit seiner Hilfe lässt sich unter anderem nachvollziehen, wie Nutzer auf digitale Angebote offline reagieren.

Digitaler Prospekt in der App, realer Käufer vor Ort

Seit kurzem bietet zum Beispiel die Offerista Group dem Einzelhandel einen so genannten Frequenzbeweis an. Das Unternehmen ist auf Location-based Services spezialisiert und betreibt die Shopping-Guides Barcoo und Marktjagd. Es ermittelt, wie viele Nutzer das Blättern im Online-Prospekt in der App oder auf der mobilen Website zum Besuch einer Filiale animiert hat. Auch die Verweildauer vor Ort lässt sich erfassen. Das Prinzip ist einfach: Über GPS-Koordinaten werden Radien um die Filialen der Händler festgelegt, so genannte Geofences. Hardware oder sonstige Ressourcen benötigt der Händler nicht. Jeder Marktjagd- und Barcoo-Nutzer erhält eine datenschutzkonforme ID. Mit Hilfe dieser virtuellen ID ist es nachvollziehbar, ob der User nach dem Blättern im Prospekt einen der Geofences um die Filialen herum betritt und wie lange er sich dort aufhält. Voraussetzung ist, dass der Interessent seinen Standort am Smartphone freigibt. Der wiederum bekommt dafür beispielsweise einen Gutschein für das entsprechende Geschäft.

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Anhand von Nutzer-IDs und Geofences können Werber sehen, ob das Anschauen des Prospekts zum Ladenbesuch animiert hat. (Foto: Mocup)

Bei Tests mit Kunden aus unterschiedlichen Branchen zeigte sich, dass durchschnittlich 39 Prozent der Nutzer innerhalb von 14 Tagen nach der Ansicht eines digitalen Prospekts einen Geofence um eine Filiale des jeweiligen Händlers herum betraten. Dort hielten sie sich durchschnittlich 21 Minuten lang auf.
Der überprüfte Radius lässt sich auch enger eingrenzen. Dafür können in den Läden Beacons, kleine Bluetooth-Funksender, zum Einsatz kommen, die eine granulare Analyse der Standortdaten ermöglichen. Noch detailliertere Angaben zum Einkaufsverhalten erhalten die Werber mit flankierenden Befragungen per Push-Mitteilung. So ist etwa auch die Warenkorbhöhe ermittelbar.

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Ladenbesuch als Auslöser für digitale Werbung

Während Offerista die Wirkung eines digitalen Prospekts anhand eines Ladenbesuchs nachweist, funktioniert die Verquickung von On- und Offline-Welt auch in umgekehrter Richtung. Ein Ladenbesuch kann also auch ein Auslöser dafür sein, den lokalen Besucher im Anschluss mit passender digitaler Werbung anzusprechen.

Spezialist für eine Offline-Online-Wiederansprache ist Minodes aus Berlin. Erklärtes Ziel des Technologie-Unternehmens ist es, stationäre Händler mit den analytischen Möglichkeiten des E-Commerce auszustatten. Dazu hat Minodes Wlan-Hardware und Beacons in Ladengeschäften verbaut und spezielle SDKs (Software-Development-Kits) in verschiedene Smartphone-Apps integriert.

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Das Tracking erfolgt durch die Interaktion der verbauten Hardware mit dem Smartphone und läuft über einen Advertising-Identifier. Eine MAC-Adresse ist nicht nötig, um Geräte zu erfassen. Um die Nutzer-erlaubnis zur Werbeansprache kümmert sich der Betreiber der App, in die das Minodes-SDK integriert ist. Android-Geräte erfassen alle paar Sekunden, welche Wlan-Access-Points sich in der Nähe des Smartphones befinden. Sobald einer der so genannten Probe Requests einen Access Point der Firma erkennt, wird das spezielle SDK aktiv und sendet die Bezeichnung des Zugangspunkts zusammen mit der Advertising-ID verschlüsselt an die Server von Minodes. Auf iOS funktioniert das Verfahren ähnlich, basiert aufgrund technischer Limitierungen jedoch nicht auf Wlan, sondern auf Bluetooth. Um beide Gerätetypen abzudecken, verbauen die Berliner Wlan-Access-Points und iBeacons stets zusammen. Die Granularität des Trackings zeigt Minodes zufolge keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Verfahren. Fürs Wlan spricht, dass bei deutlich mehr Konsumenten die Wlan-Funktion am Smartphone stets aktiv ist. Durch die Wlan-Stärke lässt sich außerdem klar unterscheiden, ob ein Nutzer nur Passant ist oder wirklich einen Laden betritt.

Geräteübergreifend erinnern

Für die Aussteuerung der Kampagnen nutzt Minodes Facebook als Werbeplattform. Der Vorteil: Das soziale Netzwerk kann Werbeanzeigen geräteübergreifend ausspielen. Die möglichen On-Offline-Verquickungen sind vielfältig: Wer beispielsweise nach der Anprobe von Wintermänteln ein Kaufhaus unentschlossen verlässt, kann später auf seinem Desktop-Computer, Smartphone oder Tablet mit digitaler Werbung an diese Mäntel erinnert werden – auch ohne, dass er die Website des Kaufhauses oder des Mantelherstellers jemals angesurft hat. Das zusätzliche Anbieten von Rabatt-Gutscheinen kann weiter dazu beitragen, aus Vor-Ort-Besuchern auch Vor-Ort-Käufer zu machen.

Eine Kampagne für die Touristenattraktion Camden Market in London hat gezeigt, dass eine nachträgliche Online-Ansprache von Vor-Ort-Besuchern wirkt. Dem Betreiber von Camden Market ging es darum, für abendliche Events neben Touristen auch Einheimische zu gewinnen. Dazu ließ er rund um den Markt 150 Sensoren anbringen, die Advertising-Identifier von Besuchern sammeln und Besucherströme messen. Im Nachhinein wurde an die gesammelten Identifier über Facebook Cross-Device-Werbung ausgespielt. Um einen Benchmark zu erhalten, zeigte Minodes diese Anzeigen nur 90 Prozent der gesammelten IDs an. Das Ergebnis: Die Click-Through-Rate (CTR) der Kampagne war 32 Prozent höher als der Durchschnitt für Facebook-Anzeigen von Camden Market. Das kontinuierliche Vor-Ort-Tracking zeigte, dass die Nutzer, die eine Werbung für die Events gesehen hatten, mit einer zu 75 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit die Veranstaltungen besuchten.

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Minodes nutzt komplexe Systeme aus Wifi-Access-Points und Beacons, um Kunden nach dem Stöbern geräteübergreifend an den Kauf zu erinnern. (Grafik: Minodes)

Augmented-Reality-Effekte im öffentlichen Raum

Diese Verquickung von digitaler und realer Marketing-Welt dürfte künftig noch inniger werden. Besonders gut kommen bei Nutzern Kreationen an, mit denen sie interagieren können und die Wow-Effekte auslösen. Die Traditionsmarke Tempo zeigte beispielsweise im vergangenen Sommer mit einer Augmented-Reality-Inszenierung in einem Einkaufszentrum, wie reale und virtuelle Welt verschmelzen. Wer in den „Magicmirror“ hineinsah, erlebte im eigenen Spiegelbild einen Wasserfall, einen wasserspritzenden Wal und einen Yeti, der in eine Pfütze sprang – so real, dass die Umstehenden vor vermeintlichen Wassertropfen auswichen. Tempo warb auf diese Weise für seine Erfrischungstücher.

Das Startup Sensape erregt die Aufmerksamkeit von Passanten, indem es ihr Spiegelbild durch Verknüpfung von Augmented Reality mit künstlicher Wahrnehmung mit Sprechblasen und witzigen Accessoires anreichert. (Foto: Sensape)

Das Startup Sensape geht noch einen Schritt weiter und kombiniert Augmented Reality mit künstlicher Wahrnehmung. Das Unternehmen hat ein Digital-Signage-System entwickelt, das Alter, Geschlecht und Emotionen der Betrachter und auch Objekte erkennt und mit Hilfe von AR-Elementen zum Interagieren einlädt – beispielsweise, indem auf den Displays Sprechblasen über den Köpfen der Passanten erscheinen oder ihrem virtuellen Spiegelbild eine Brille oder ein Astronautenhelm verpasst werden. Durch die intelligente Software sind die Screens auch in der Lage, Produkte zielgerichtet nach Alter und Geschlecht zu bewerben, passende Rezeptvorschläge zu unterbreiten oder Coupons auszudrucken. Das Targeting und die Analyse, die sich durch diese Erkennungsdaten auftun, können Marketers sonst nur in der Online-Werbung betreiben.

Verquickung auch auf Prozessebene

Doch digitales Marketing und analoge Welt verschmelzen nicht nur im Bereich der Kundenansprache. Auch auf Prozessebene wird die Verquickung intensiver. Das zeigt ein Blick nach Hamburg. So hat sich der Vermarkter G+J EMS bei Werbeplatzierungen in Zeitschriften vom digitalen Werbetrend „Programmatic Advertising“ inspirieren lassen. Unter „Programmatic“ versteht man im Online-Marketing die automatisierte Auslieferung von Werbung über Technologieplattformen. G+J EMS macht sich diese Technologie zunutze und lässt die Printanzeigen automatisiert über eine digitale Einkaufsplattform in den verschiedenen Zeitschriften setzen. In einer ersten Pilotphase Anfang vergangenen Jahres haben sich zwei Anforderungen an „Programmatic Print“ herauskristallisiert: Zum einen wünschen sich Media-Agenturen printeffiziente Einkaufsprozesse mit Schnittstellen zwischen Agentur- und Vermarktersystemen und zum anderen die datenbankgestützte Auswahl spezifischer Themenumfelder.

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Als erster Kunde buchte im Herbst 2016 Engelhard Arzneimittel eine programmatische Print-Kampagne bei G+J EMS. Der programmatische Einkaufsprozess ermöglicht die kurzfristige Belegung von Pharma-Umfelden und ein automatisiertes Ausspielen von Anzeigen in den dahinterstehenden G+J-Titel, wie etwa Eltern, Brigitte und Stern. Im Digitalen hatte das Pharmaunternehmen bereits sehr gute Erfahrungen mit programmatischen Kampagnen gemacht. Nun möchte man diesen Weg auch bei den Printanzeigen gehen und lotet mit dem Pilot-Case die Möglichkeiten aus.

Auch klassische Außenwerbung erschließt sich immer mehr Möglichkeiten der Online-Werbung. Das zeigte der Außenwerber Ströer zusammen mit der Agentur Vivaki im Sommer 2016 mit einer programmatischen Out-of-Home-Maßnahme, die Teil einer Werbekampagne für eine App war. Die Out-Of-Home-Displays zeigten morgens, mittags und abends automatisiert verschiedene Werbespots an, die das aktuelle Wetter in Hamburg aufgriffen. Dahinter steckt die Strategie einer emotionalen Ebene mit aktuellem Bezug. Davon erhoffen sich Werber generell eine höhere Aufmerksamkeit beim Betrachter.

Individualisierte TV-Werbung

Auch die klassische TV-Werbung steht vor einem Umbruch. Hier geht die Entwicklung ebenfalls in Richtung programmatischer Buchungen und Aussteuerungen. Schon heute ist es möglich, auf Smart-TVs Werbung in linearen Fernsehprogrammen über Adserver-Technologien auszuliefern. Das Fernsehsignal läuft dabei klassisch über Satellit, Kabel oder Ähnliches. Der HbbTV-Standard (Hybrid Broadcasting Broadband TV) ermöglicht dann die Platzierung digitaler Werbemittel während der linearen TV-Sendung. Pay-TV-Anbieter wie Sky bieten sogar einen rückkanalfähigen Receiver. Dieser erfasst die angeschlossenen Haushalte, anonymisiert deren Mitglieder und spielt ihnen auf sie zugeschnittene Werbung aus. Die Lösung ist in Großbritannien bereits verfügbar und erlaubt Werbekunden, TV-Spots nur in einer bestimmten Region oder bei Nutzern mit einem speziellen Interesse auszustrahlen.

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Fazit

Die gesamte Entwicklung zeigt, dass Möglichkeiten, die bisher nur aus dem Online-Marketing bekannt sind, die analoge Welt erreichen – vor allem auch Dank des technischen Fortschritts. Was den werbetreibenden Unternehmen gefällt, kann für Kunden aber unangenehm sein und vielleicht auch nicht gewollt. Schon heute blocken viele Nutzer Werbung im Internet. Laut OVK liegt die Adblocker-Rate hierzulande bei hohen 19 Prozent. Eine hundertprozentige Customer Journey könnte zu einem ernsten Akzeptanzproblem von Werbung führen – kanalübergreifend. Werbetreibende sind also aufgerufen, nicht nur die technischen Möglichkeiten zu sehen, sondern auch an ihre Kunden zu denken und mit Fingerspitzengefühl zu agieren.

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