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Trendreport

Re-Commerce und Produktmiete: Das steckt hinter dem Run auf Secondhand

Der Handel mit Secondhandwaren oder das zeitweise Mieten von Produkten war lange  ein Nischenthema. Jetzt entdecken immer mehr Onlinehändler das ­Geschäftsfeld für sich. Dabei geht es nicht nur ums Geldverdienen.

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(Abbildung: 22Images Studio)

Wenn in den vergangenen zwei Jahren ein übergreifender Trend den Onlinehandel bestimmt hat, dann ist es die Nachhaltigkeit. Für immer mehr Kunden entscheidet sie darüber, ob ein Produkt gekauft wird oder nicht. Laut einer KPMG-Studie haben im vergangenen Jahr vier von fünf Kunden vor dem Kauf häufiger auf Nachhaltigkeitsthemen geachtet – sich etwa mit der Frage beschäftigt, was mit dem Produkt passiert, wenn sie es nicht mehr nutzen wollen.

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Das Problem, das der Handel mit dem Warenfluss hat, ist dabei nicht neu: Kunden kaufen und bezahlen Waren. Sie nutzen sie für einen mehr oder weniger kurzen Zeitraum – und müssen sich dann um den Weiterverkauf Gedanken machen. Gerade bei Luxusprodukten in Segmenten wie Unterhaltungselektronik und Technik sind Re-­Commerce-Plattformen wie Rebuy, Momox, ­Asgoodasnew oder Zoxs seit Jahren erfolgreich und haben sich neben Portalen wie Ebay Kleinanzeigen zu einer festen Größe im Gebrauchtmarkt entwickelt. 312 Millionen Euro Umsatz hat ­alleine der Ankaufsspezialist Momox 2020 erzielt. Im Vergleich zum Vorjahr schaffte Momox ein Umsatzplus von 62 Millionen Euro und somit ein Wachstum von 25 Prozent.

Mit dem französischen Startup Back Market schickt sich nun einer der internationalen Branchenführer an, den Markt im deutschsprachigen Raum neu zu verteilen. Mit 110 ­Millionen Euro frischem Kapital, das 2020 unter anderem von Goldman Sachs kam, will Back Market die Expansion in der DACH-­Region forcieren – und könnte nicht nur den Wettbewerbern Markt­anteile abjagen, sondern auch neues Potenzial mit dem Trend­thema Nachhaltigkeit erschließen. „Unser Ziel ist es, einen grundlegenden Mentalitätswandel unter den Verbrauchern zu erreichen und dem Trend zum ständigen Neukauf von Elektronik­produkten entgegenzuwirken“, betont Thibaud Hug de Larauze, einer der drei Gründer. Deutschland sei im E-Commerce ein Schlüsselmarkt und von einem starken Umweltbewusstsein der Verbraucher geprägt. Der neue Standort Berlin sei für das Unternehmen daher sehr wichtig und man sehe auch eine gestiegene Nachfrage nach generalüberholten Elektronikartikeln.

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Eine andere Form des Warenkreislaufs stellen C2C-Platt­formen dar, bei denen der Kunde einen Großteil des Verkaufs­aufwands vom Fotografieren und Einstellen der Ware bis hin zum Versand an den Käufer selbst erledigt. Aus den Portalen Kleiderkreisel und Mami­kreisel, die es in Deutschland schon seit 2009 beziehungsweise 2012 gibt, wurde im Herbst 2020 die neue Marke Vinted geschaffen. Inzwischen zählt das litauische Unternehmen, das 2019 zum Einhorn wurde, also eine Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar erzielte, alleine 9 Millionen ­Mitglieder in Deutschland. Darüber hinaus ist man in elf weiteren europäischen Märkten und den USA präsent und erreicht insgesamt 45 Millionen Mitglieder. Thomas Plantenga, CEO von Vinted, ist sich sicher, dass Secondhand insbesondere im Bekleidungsmarkt raus aus der Nische und im Mainstream angekommen ist. ­„Heute trifft das Bedürfnis nach verantwortungsvollem Konsum und Nachhaltigkeit auf den Wunsch nach abwechslungsreicher Mode. Secondhand ermöglicht uns, den Wunsch nach Abwechslung und Vielfalt im eigenen Kleiderschrank mit bewusstem Konsum in Einklang zu bringen.“

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Für einen nachhaltigen ­Warenkreislauf: Ikea kauft ­gebrauchte Möbel gegen Gutscheine zurück. (Abbildung: Ikea)

Kein Geld verdienen – zumindest nicht direkt

Gerade dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist auch der Grund, ­warum in das Gebrauchtgeschäft inzwischen immer häufiger ­Onlinehändler, Handelsketten und auch Hersteller selbst einsteigen – oftmals über Dienstleister und Ankaufsplattformen. Sie profitieren je nach Ausgestaltung des Geschäftsmodells vom Re-Commerce der eigenen Produkte gleich in mehrfacher Hinsicht: Da ist zum einen das Generieren von neuem Umsatz – denn der Kunde erhält für Waren, die er in Zahlung gibt, meist kein Bargeld, sondern einen Gutschein, den er beim nächsten Kauf für Neuware einsetzen kann. Gleichzeitig stärken Händler dadurch auch in einer anderen Hinsicht die Kundenbindung, weil der ­Kunde weiß, dass er das soeben erworbene Produkt auch problem­los wieder loswird und stets Waren der aktuellen ­Modellreihe nutzen kann.

Mehr zum Thema: Alles auf Grün: Potenzial für Nachhaltigkeit im E-Commerce

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Ein gutes Beispiel für ein Konzept, das all diese Elemente vereint, ist die „Zweite Chance“ von Ikea. Gut erhaltene Möbel­stücke aus den halbwegs aktuellen Programmen des Möbelhändlers kauft Ikea nach festen Preisvorgaben wieder an. Die richten sich nach dem Gesamtzustand, erfordern allerdings, dass der Kunde die Möbel wieder ins Möbelhaus zurückbringt. Dort verkauft sie der Möbelriese als Gebrauchtware in der Fundgrube weiter – ­übrigens zum an den Kunden gezahlten Ankaufspreis zuzüglich Mehrwertsteuer. Man verdiene also nichts, wie Ikea betont, doch das Geschäft lohnt sich für den Möbelhändler eben dennoch.

Es geht dem Unternehmen wohl vor allem darum, sich als verantwortungsvoll nachhaltig handelnd zu präsentieren, weswegen man 2020 aus dem Black Friday kurzerhand einen ­„Buyback Friday“ machte: „Wir möchten die Lebensdauer unserer Möbelstücke verlängern und verantwortungsvoll mit begrenzten Ressourcen umgehen. Deshalb haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, mit dem ‚Buyback Friday‘ nicht zu Impuls­käufen zu animieren, sondern ­darauf aufmerksam zu machen, dass ­Dinge, die man selbst nicht mehr benötigt, für jemand anderen von großem Nutzen sein können“, erklärt Katarzyna Dulko-Gaszyna, Sustainability Managerin bei Ikea Deutschland. Die ­blumigen Worte sollten allerdings nicht darüber hinweg­täuschen, dass man mit den ausgegebenen Gutscheinen wiederum neuen Umsatz generiert. Immerhin: Das Programm passt zu den Nach­haltigkeitszielen des Möbelhauses. Das will nämlich bis zum Jahr 2030 alle Produkte nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft entwerfen und dabei ausschließlich auf erneuerbare oder recycelte Materialien setzen.

Die C2C-Plattform Vinted ist bereits seit 2009 in Deutschland am Markt – mit der Marke Kleiderkreisel. (Abbildung: Vinted)

Digitaler Flohmarkt oder Ankaufsplattform

Ebenfalls eher für günstig produzierte Waren ist der Bekleidungskonzern Hennes & Mauritz bekannt. Auch H&M hat das Secondhand-Thema auf der Agenda, allerdings etwas anders ausgerichtet und ohne die Gebrauchtwaren selbst anzukaufen: Der schwedische Modehändler hält seit 2019 mit 70 Prozent der Anteile die Mehrheit an der in Skandinavien erfolgreichen C2C-Plattform Sellpy, die es seit vergangenem Jahr auch in Deutschland gibt. Thorsten Mindermann, Deutschland-Chef bei H&M, zu den Gründen für den Deutschland-Start: „Wir sehen, dass das Bewusstsein für nachhaltige Mode und die Nachfrage unserer Kunden ständig wächst und jetzt wahrscheinlich größer ist als je zuvor.“ Sellpy gilt international als einer der größten Konkurrenten von Vinted. Der Kunde hat hier nur minimalen Aufwand, da er die Ware nicht selbst fotografieren und bewerten muss. Er schickt sie lediglich zu Sellpy, die im Gegenzug einen Euro pro angebotener Ware und bis zu 60 Prozent vom Verkaufs­erlös für sich beanspruchen.

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Auch Versandhändler Zalando ist in diesem nachhaltigkeitsorientierten Kontext unterwegs. Schon 2018 startete das Unternehmen mit einer „Pre-Owned“-Kategorie unter dem Namen Wardrobe eine App, die dafür sorgen soll, dass das Verkaufen von Bekleidung für die Kunden genauso einfach ist wie der Kauf. Inzwischen heißt das System Zircle und soll einerseits im Rahmen der Community Styling- und Modeanregungen vermitteln, andererseits aber auch das einfache Verkaufen ermöglichen.

Kleidung kann entweder auf C2C-Basis, also zwischen den Mitgliedern der Community oder aber auch an Zalando selbst verkauft werden. Dazu lädt der Nutzer Fotos der gebrauchen Produkte hoch und ergänzt die relevanten Informationen zu Marke, Modell und Zustand. Zalando akzeptiert nach eigenen Angaben Produkte von über 2.500 Herstellern, sofern die Artikel keine nennenswerten Gebrauchsspuren oder Beschädigungen aufweisen. Die Website zeigt sofort die Ankaufspreise für die einzelnen Artikel und einen Gesamtankaufspreis an, den der Kunde erhält, sofern die Prüfung keine schlechtere Bewertung durch Zalando ergibt. Im Gegenwert des Kaufpreises gibt es dann eine Gutschrift für die Zalando-Plattform, um selbst weiter zu shoppen oder auch um das Geld an eine karitative Einrichtung zu spenden. Die angekauften Waren, so erklärt das Unternehmen, verkaufe man über verschiedene Online- und Offline-Kanäle in ganz Europa.

Oft sind allerdings, ähnlich wie beim Ankauf durch andere Portale, die gebotenen Preise erstaunlich niedrig und liegen bei gerade mal 20 bis 25 Prozent des regulären Neupreises. Daher handelt es sich dabei eher um eine Alternative für Verbraucher, die aussortierte Stücke am liebsten möglichst schnell und einfach aus dem Schrank haben wollen.

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Einen anderen Weg schlägt der Outdoor-Hersteller The North Face ein: Das Unternehmen hat einen Secondhandshop namens The North Face Renewed eröffnet und bietet dort wiederauf­bereitete Waren der Marke an.
Doch dabei handelt es sich vor allem um Retourenware oder leicht beschädigte oder ausge­besserte Artikel aus Kundenreklamationen.

Bei Zalando Zircle handelt es sich um eine umfassende Mode-Community, die auch 
gebrauchte Bekleidung der Kunden ankauft und weiterverkauft. (Abbildung: Zalando)

Mieten statt Kaufen – nachhaltiger ­Konsum mal anders

Ein weiterer Trend im Onlinehandel, der ebenfalls ­zusätzlichen Umsatz generiert und zugleich auch einem nachhaltigeren Nutzungs­verhalten vieler Kunden entgegenkommt, sind Mietmodelle. Doch sie kommen naturgemäß weniger im Kontext von Bekleidung zum Einsatz, sondern vor allem bei Technik und Unterhaltungselektronik. Einer der größten Anbieter für deutsche und österreichische Endkunden im Bereich Tech-Subscription-­Services ist das Startup Grover. Die Berliner vermieten mehr als 2.000 Tech-Produkte von Smartphone und Laptop bis hin zu ­Gaming-, VR- und Smarthome-Gadgets auf monatlicher Basis und richten sich mit ihrem Geschäftsmodell sowohl an Geschäftskunden als auch an Privatpersonen.

Der Service hat sich in den vergangenen Jahren vor allem auf technische Produkte fokussiert, die insbesondere Early Adopter nutzen und auch wieder problemlos loswerden wollen. Das lohnt sich vor allem für Kunden, die sich nach der Nutzungszeit, die zwischen einem und zwölf Monaten liegt, nicht mit dem Weiterverkauf beschäftigen wollen. Aber auch Kunden, die ein Gerät nur kurz benötigen oder einfach mal einen Monat ausprobieren wollen, profitieren. Das Startup wirbt mit größtmöglicher Freiheit, Kosteneffizienz und optimaler Ressourcennutzung und vermietet Produkte sowohl über die eigene Plattform als auch mit Partnern wie Mediamarkt, Saturn, Gravis und Conrad sowie Tchibo. Kürzlich hat auch der Smartphone-Hersteller Samsung angekündigt, über den unternehmenseigenen Onlineshop einen durch Grover organisierten Vermietservice für einzelne Modelle der S20-Serie anbieten zu wollen.

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Passend dazu: Online Technik mieten fürs Corona-Homeoffice: 12 Portale im Vergleich

Gründer Michael Cassau sieht das Unternehmen, das inzwischen über 80 Mitarbeiter beschäftigt, als „Antwort auf die ­‚Access over ­Ownership‘-Bewegung“. Wichtiger als das reine Besitzen sei der Zugang zu einer Technik – und im Zweifelsfall auch die Möglichkeit, stets ein aktuelles Modell zu nutzen, ohne sich um den Weiterverkauf kümmern zu müssen. Mit inzwischen 103 Millionen Euro Finanzierungsvolumen zählt Grover in diesem Segment zu den erfolgreichsten ­Startups.

Doch nicht bei allen Vermiet-Shops scheint die Rechnung aufzugehen. Dass ein solches Mietmodell alles andere als ein Selbstläufer ist, musste die Otto Group einsehen. Deren Angebot Otto Now war als „Pionier der Sharing-Economy“ wohl weniger erfolgreich als erhofft und nimmt seit Januar keine neuen Mietverträge mehr an. „Die Produktvermietung ist in Deutschland nach wie vor ein Nischenmarkt, Konsumenten bevorzugen meist den Kauf eines Produktes“, erklärt Marc Opelt, Vorsitzender des Otto-­Bereichsvorstands dazu.

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Fazit

Ob mit einem Vermietmodell oder dem klassischen Gebrauchthandel – Verbraucher fragen nicht nur immer öfter danach, wie Waren produziert werden, sondern auch, wie nachhaltig sie genutzt werden können und was passiert, wenn sie ihrer über­drüssig geworden sind. Hersteller und Onlinehändler, die hier Antworten geben können, haben beim Kunden ein besseres ­Standing. Denn die Verbraucher hinterfragen einerseits, ob sie wirklich alle zwei Jahre ein neues Smartphone oder Tablet benötigen, und bemerken andererseits, dass etwa bei Bekleidung vieles weniger getragen wird als zunächst angenommen. Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen die Vergleichbarkeit der ­Produkte abnimmt und sich das Konsumverhalten vieler Verbraucher auch und gerade während der Pandemie verändert hat.

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