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Ratgeber

Shoptech 2.0: E-Commerce-Systeme der nächsten Generation

Allein über schöne Interfaces werden sich Onlinehändler in Zukunft nicht mehr ­voneinander abgrenzen können. Auch ihre Technologie muss unverwechselbar werden. Wir stellen fünf E-Commerce-Systeme vor, die Händlern genau das ermöglichen wollen.

Von Jochen G. Fuchs
7 Min.
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(Grafik: Shutterstock / jamesteohart)

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Externe Shopsysteme und -baukästen haben es in den vergangenen Jahren unzähligen Händlern ermöglicht, auch ohne technologisches Know-how digitale Absatzkanäle zu erschließen. Ihre zentrale Rolle werden diese Systeme auch so schnell nicht verlieren. Dennoch tauchen – unter dem Begriff Shoptech 2.0 zusammengefasst – vermehrt neue Ansätze für den Onlinehandel auf, bei denen der Händler, also der Anwender selbst, wieder eine zentrale Rolle spielt. Die Bedeutung von Fachwissen und entsprechenden Kapazitäten im eigenen Haus steigt damit wieder.

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Dafür, dass Onlinehändler selbst zu Technologieunternehmen werden, sprechen viele Argumente: Onlineshops, die bei hohen Zugriffsraten in die Knie gehen, verlieren Umsätze, Marketing­automationen erfordern hohes Fachwissen. Logistik über mehrere Lager hinweg zu managen, setzt komplexe Systeme voraus. Die Liste ließe sich beliebig in jedem Bereich eines Handelsunternehmens fortführen. Eines der wichtigsten Argumente ist jedoch die strategische Herausbildung von Alleinstellungsmerkmalen, die in einer Onlinewelt rein technologisch umgesetzt und abgebildet werden: Diese USP mit einer einheitlichen Standardsoftware zu entwickeln, wird in Zukunft immer schwieriger werden.

Framework oder Platform-as-­a-Service?

Mehr Flexibilität versprechen Frameworks und Platform-as-a-Service (PaaS), die keinen fertigen Onlineshop liefern, sondern Maßanfertigungen bis ins letzte Detail ermöglichen. Der Unterschied zwischen Framework, PaaS und Standardsoftware liegt in den Funktionsprinzipien der unterschiedlichen Ansätze: Während eine Shopsoftware ein anpassbares, konfigurierbares, aber fertiges Programm ist, das Individualisierung nur in vordefinierten Bereichen erlaubt, handelt es sich bei Frameworks und ­PaaS-Systemen sinnbildlich um Betriebssysteme. Beim PaaS-System werden dem Entwickler fertige Funktionalitäten zur Verfügung gestellt, auf deren Basis er Anwendungen ent­wickeln, konfigurieren und umfangreiche Anpassungen vornehmen kann. Auch hier kann der Entwickler allerdings nicht selbst in den Kern des Betriebssystems eingreifen. Anders beim Framework: Hier stellt sich der Nutzer aus Komponenten sein Betriebssystem selbst zusammen – und darf bis auf Code-Ebene eingreifen. Der Individualisierungsgrad ist hier also am höchsten. Frameworks können zudem nicht nur über Cloudinfrastrukturen, sondern auch komplett auf eigenen Servern betrieben werden.

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Fünf Shopsysteme mit Zukunft

Im Folgenden stellen wir fünf der aktuell spannendsten ­Systeme aus dieser nächsten E-Commerce-Generation vor. Händler ­können mit allen Systemen mindestens ihr Produkt-, Katalog-, Bestell- und Bestandsmanagement sowie Lager- und Logistikmanagement abwickeln. Manche Systeme bieten zusätzlich Checkout- und Payment-Funktionalitäten und weitere Features.

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Allen Systemen ist gemeinsam, dass sie dem Prinzip des „Headless Commerce“ folgen, also Händlern nur den „Rumpf“, das Backend, für eine E-Commerce-Anwendung zur Verfügung stellen. Der „Kopf“, das Frontend in Form einer App, eines Online­shops, eines Chatbots oder eines Sprachassistenten, ist nicht Bestandteil des Systems. Durch diese Trennung von Frontend und Backend ergibt sich eine wesentlich größere Flexibilität in der Entwicklung von Nutzeroberflächen – und in der Regel automatisch auch eine verbesserte Performance.

About You Backbone

Die Cloudlösung Backbone ist als API-basierendes System von About You*entwickelt worden. Der stark wachsende Onlinehändler mit ­aktuell rund 280 Millionen Euro Jahresumsatz ist auf skalierbare Systeme angewiesen – und hat sich diese selbst geschaffen. Backbone ist performancetechnisch auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu einer Milliarde Euro ausgelegt, gehostet wird passend dazu bei Amazon Web Services. Im Moment verarbeitet Backbone für About You rund 80 Millionen API-Calls pro Tag, skaliert durch Load-Balancer aber automatisch hoch. Backbone wird dementsprechend auch nutzungsabhängig abgerechnet.

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Zukünftig will About You als Ergänzung zu Backbone noch weitere Cloudprodukte für die Themenbereiche CRM, Checkout und Payment anbieten. Backbone kann einem Händler als Infra­struktur für verschiedene Onlineshops gleichzeitig dienen. Es liefert Push-Benachrichtigungen an Kunden aus, die gängige mobile Betriebssysteme nutzen, und ist auch in der Lage, mit Voice-Diensten als Frontend umzugehen. Frontend-Templates oder Ergänzungen bietet About You bisher nicht an. Diese ­können Händler aber auf Basis der bevorzugten Technologie selbst entwickeln.

Die technologische Basis für Backbone bilden API-Clients für PHP, Ruby, Node.js, die Datenbank My-SQL, C-Extensions sowie Elasticsearch. Der erste große Cloudkunde für das erst in diesem Jahr kommerziell gestartete System kommt aus dem Mutterhaus, der Otto Group: Die Witt-Gruppe, ein Modeversender für die Zielgruppe 50 Plus, realisiert im ersten Schritt ihr gesamtes existierendes Auslandsgeschäft mit Backbone. Gleichzeitig will Witt weitere länderspezifische Stores starten und mittelfristig auch den deutschen Onlineshop mit Backbone umsetzen. In Kürze ­sollen weitere Projekte angekündigt werden.

Spryker

Das Framework Spryker ist aus einer Eigenentwicklung von ­Rocket Internet und Project A hervorgegangen und schon bei mehr als 100 Händlern aus deren Portfolio zum Einsatz ­gekommen. Auch hier fließt viel Praxiserfahrung aus dem Händleralltag mit ein. Spryker ist als sogenannte On-Premise-Software angelegt. Händler müssen also eine Lizenz für das Produkt erwerben, wobei die Höhe der Lizenzkosten von der Anzahl der Entwickler abhängt, die beim Händler mit dem Framework arbeiten. Ob die Anwendung in der Cloud oder auf eigener Infrastruktur betrieben wird, liegt im Ermessen des Händlers.

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Die technologische Basis für Spryker bilden PHP sowie Standard­-Entwicklungs-Frameworks wie Symfony und Elasticsearch, das Datenbanksystem nutzt Redis. Das Spryker-Framework ist, ähnlich wie bei Microservice-Architekturen, modular aufgebaut. Rund 300 unabhängig voneinander funktionstüchtige Module mit Funktionalitäten bietet Spryker aktuell an. So ­können Händler die benötigten Funktionen in ihrer eigenen Softwareinstanz zusammenfassen und belasten das Endprodukt nicht mit dem Ballast von Software-Bestandteilen, die sowieso nicht genutzt werden. Spryker verfügt zwar über einen Demoshop und Demo­anwendungen, versteht sich ansonsten aber als reines Backend, das an beliebige Nutzer-Interfaces angebunden werden kann. Zu den jüngsten Spryker-Referenzen zählt der Relaunch der verschiedenen B2C- und B2B-Markenshops von Tom Tailor.

Moltin

Das US-Startup Moltin aus Boston wurde 2013 gegründet und hat seitdem mehrere stattliche Finanzierungsrunden absolviert, ­zuletzt im Februar dieses Jahres in Höhe von acht Millionen US-Dollar. Das Unternehmen wird vom ehemaligen ­Demandware-Manager Jamus Driscoll gemeinsam mit den Gründern geführt.

Die französische ­Skimarke Black Crows setzt auf Moltin. Onlinehändler können die Lösung ab 995 US-Dollar monatlich nutzen. (Screenshot: black-crows.com)

Moltin ist eine multishopfähige, lokalisierbare, cloudbasierende Lösung, die über eine API E-Commerce-Funktionen ausliefert. Händler können Moltin ab einer monatlichen Gebühr von 995 US-Dollar nutzen. Ein Enterprise-Paket mit verhandelbaren Konditionen ist ebenso erhältlich wie ein voll funktionstüchtiger, kostenloser Developer-Account.

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Mit Moltin können Händler neben den üblichen Funktionalitäten auch den Checkout und das Payment abbilden. Allerdings hostet Moltin Checkout-Pages im Moment nicht in der Cloud. Die dabei entstehende Umleitung auf eine Moltin-Subdomain betrachtet der Anbieter als hinderlich für den Händler – er will die Funktion aber auf Wunsch anbieten. In Deutschland ist die Anbindung an das Payment-Gateway von Adyen bereits getestet und dokumentiert. Webhooks, frei definierbare Datenfelder und ein Content-Delivery-Network an weltweit 30 Standorten für die Produktbilder des Shops mit automatischem Image-Resizing ergänzen das Feature-Set.

Ein interessantes Beispiel für einen Moltin-Umsetzung findet sich im stark modular aufgebauten Onlineshop der französischen Freeride-Skimarke Black Crows.

Sylius

Das unter der MIT-Lizenz veröffentlichte Open-Source-Framework Sylius ist eine komponentenbasierende Symfony-Anwendung, die auch als Plugin in einer bestehenden Symfony-App verwendet werden kann. Etwa eineinhalb Jahre hat das Team rund um den polnischen Gründer und Entwickler Pawel Jedrzejewski an der ersten stabilen Version von Sylius gearbeitet – von Anfang an in PHP. Heute arbeiten neben sechs bis acht Core-Entwicklern rund 400 Entwickler aktiv als Contributor in der Sylius-­Community, auch die Zahl der Anwender wächst stetig. Seit Ende 2017 steht Sylius 1.0 zur Verfügung. Eine Variante, mit der Marktplätze aufgebaut werden können, erscheint bald und steht momentan für Early Adopter zur Erpobung bereit.

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Der Onlineshop des auf Garten- und Outdoor-Dekoration spezialisierten italienischen Händlers Agricola baut auf dem Open-­Source-Framework Sylius auf, das derzeit stark an Popularität gewinnt. (Screenshot: agricolashop.it)

Händler können mit Sylius auf die Business-Logik zugreifen, die von einem solchen System zu erwarten ist, sowie auf alles, was für eine sinnvolle Lokalisierung notwendig ist: So stehen etwa auch deutsche Sprachpakete zur Verfügung. Für die ­Frontend-Entwicklung gibt es API, die laut den Machern alle gängigen Frontend-Formen abbilden können. Die ­Sylius-Installation kann in der Cloud oder auf dem eigenen Server mit Composer, Vagrant oder seit Kurzem auch via Docker-Container erfolgen.

Eine der ersten Shop-Referenzen aus Deutschland findet sich beim Startup ­Wefactory.

Commercetools

Commercetools ist eine Platform-as-a-Service (PaaS) nach dem API-first-Ansatz und liefert über eine Rest-API Funktionalitäten für E-Commerce-Systeme. Seit der Übernahme durch Rewe stellt es die technologische Infrastruktur für den Marktplatz der Einzelhandelskette. Als PaaS-Anwendung rechnet Commercetools nach Nutzung ab und berechnet Händlern eine Gebühr pro erfolgter Transaktion – kostenlose Accounts für Entwickler stehen ebenfalls zur Verfügung.

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Die technologische Basis für die Cloudlösung liefern die Programmiersprache Scala, die Datenbank MongoDB und ­Elasticsearch. Gehostet wird Commercetools in der Google Cloud. SDK sind für Java, PHP, Node.js und Scala vorhanden. Händler profitieren von Integrationen zu den gängigsten ERP-Systemen und den Marktplätzen Amazon und Ebay. Darüber hinaus stehen für Frontend-Layer auch Integrationen zu CMS-Systemen wie Hippo, Magnolia, Neos oder zum Adobe Experience Manager zur Verfügung. Commercetools ist zwar nicht für das Frontend zuständig, stellt aber ein responsives Template namens Sunrise als Starthilfe oder Demoshop zur Verfügung. In diesem Bundle ist auch eine Turnkey-iOS-App enthalten, die als Basis für eigene Entwicklungen dienen kann.

Zu den Referenzen von Commercetools gehören unter anderem der C.H. Beck Verlag, der Shop für die Kinder-Hörspielbox „Toniebox“, dem in Kürze noch eine B2B-Plattform folgt, sowie der junge Wertstoff-Marktplatz Scrappel, der ein neuartiges, an ­Messenger-Dienste angelehntes Frontend nutzt.

Klassische Systeme erweitern mit ­Shoptech 2.0

Eine Alternative zum kompletten Umstieg ist die Verbindung einer klassischen Shopsoftware mit neueren ­Shoptechnologien. Eine API, die das ermöglicht, stellt jedes ernstzunehmende Shopsystem zur Verfügung. Erweiterte Funktionalitäten lassen sich dann entweder im Zusammenspiel mit einem der hier vorgestellten E-Commerce-Systeme nutzen, oder indem eigene Microservices erstellt werden. Hierfür liefert die E-Commerce-Agentur Neofonie mit einem komplexen Produktkonfigurator für einen Shopware-Onlineshop ein gutes Beispiel.

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Ambitionierte Händler, die ihre bisherige Shopsoftware zwar komplett, aber nicht auf einen Schlag ersetzen wollen, können mit der Hilfe von Headless-Commerce-Systemen ihr bisheriges ­System auch schrittweise ersetzen: beispeislweise nur die Produkt­detailseiten, dann den Katalog und schließlich den Checkout.

Shopsysteme wandeln sich zu ­E-Commerce-Technologien

Das Schlagwort „Shoptech 2.0“ weist über die Grenzen des Shopsystem-Ansatzes hinaus und bezeichnet Ansätze und Strategien, mit denen Onlinehändler selbst zum Technologieunternehmen werden. Shoptech 2.0 verlangt Händlern ab, wieder mehr Know-how im eigenen Unternehmen aufzubauen und entsprechende Ressourcen aufzuwenden. Wer sich den Herausforderungen stellt, wird allerdings belohnt: Denn in einer Zukunft, in der die Kunden ihre Produkte auf Mobile Devices, im Auto, per Voice-Assistant oder über Interfaces finden, an die wir heute noch gar nicht denken, machen erst die technologischen Alleinstellungsmerkmale Händler unverwechselbar.

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Dein t3n-Team

Yuri Struszczynski

Für die meisten Händler empfiehlt sich dann doch wohl immernoch eine klassische Lösung. Für einen einfachen Start Shopify, aber wenn es komplexer wird sollte man sich auf jeden Fall Shopware6 anschauen. Da passiert gerade sehr viel in der Entwicklung und dieses Jahr wird das System stable sein. Dann hat man eine hochprofessionelle Lösung aber weniger Overhead durch eigene Entwicklungen. Spryker sollte man aber auf jeden Fall auch auf dem Schirm haben, sehr interessant!

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