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So nutzt du Behavior-Patterns als Trigger für den Impulskauf

Dass Konsum oft wenig mit Vernunft zu tun hat, ist bekannt. Und trotzdem optimieren Onlineshop­betreiber ihre Websites noch immer weitgehend auf rationale Entscheidungsmuster. Damit verschenken sie viel Potenzial.

Von Philipp Spreer
7 Min. Lesezeit
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(Abbildung: Shutterstock)

Der Mensch besitzt zwei Entscheidungssysteme: ein rationales und ein intuitives. Nach Einschätzungen von Psychologen wie ­Daniel ­Kahnemann („Thinking, fast and slow“, 2011) werden rund 95 Prozent aller Entscheidungen überwiegend vom intuitiven System gefällt und laufen somit unbewusst ab. Je komplexer die Entscheidungen sind, desto mehr setzen wir auf unser Bauch­gefühl.

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Doch bei vielen Onlineshopbetreibern ist das offensichtlich noch nicht angekommen. Websites werden in den meisten ­Fällen nur auf die übrigen fünf Prozent der Entscheidungs­wege ausgelegt. Denn die Optimierung geht von der Annahme aus, Besucher würden streng rational entscheiden. Website-Betreiber verschenken damit viel Potenzial – nicht nur mit Blick auf die Umsätze, sondern auch auf das Nutzererlebnis und die Kundenzufriedenheit insgesamt.

Behavior-Patterns erleichtern das ­Denken

Entscheidungen nach Bachgefühl existieren nicht ohne Grund. Wählen wir etwas mit dem rationalen System aus, kostet uns das deutlich mehr Energie als unbewusste Entschlüsse. Und da unser Gehirn effizienzoptimiert ist, treffen wir den Großteil unserer Entscheidungen mit dem intuitiven Entscheidungs­system. Doch sind unsere intuitiven Entscheidungen zwangsläufig ­irrational? Keineswegs. Intuitive Denkprozesse resultieren aus klar definierten und immer wiederkehrenden Verhaltensmustern – den ­Behavior-Patterns. Man kann sie sich wie Schablonen unseres Handelns vorstellen. So reicht im Alltag oft ein weißer Kittel oder ein Stethoskop, damit wir eine Person für vertrauens­würdig halten. Im E-Commerce werden diese Abkürzungen zum Vertrauensaufbau etwa durch Testimonials oder externe Gütesiegel erreicht.

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Anchoring: Taucht der reduzierte Preis nach dem höheren Streichpreis als Preisanker auf, erscheint er noch günstiger. (Screenshot: Gravis)

Anchoring: Taucht der reduzierte Preis nach dem höheren Streichpreis als Preisanker auf, erscheint er noch günstiger. (Screenshot: Gravis)

Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie uns mit wenig Vorwissen, wenig Ressourcenverbrauch und wenig Zeit zu einer hinreichend guten Entscheidung kommen lassen. Das schont die ­Kapazitäten unseres Gehirns und ermöglicht uns erst ein ­normales Leben. Auch aus evolutionärer Sicht sind diese standard­isierten Verhaltensmuster wichtig: Hätten unsere Vorfahren bei jedem Rascheln im Gebüsch lange abwägen müssen, ob es sich um eine Gefahr für sie handelt oder nicht, würde es uns heute vermutlich nicht geben.

Wir können Behavior-Patterns als die heimlichen Herren unserer Entscheidungen bezeichnen. Unbewusst und schnell ablaufend sind sie oft dominanter als rationale Entscheidungswege. Damit liegt auf der Hand, dass sie für den E-Commerce ein unglaublich wirksames Instrument sind, um das Nutzererlebnis und die Conversion positiv zu beeinflussen.

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Alles Manipulation, oder was?

Das Interesse an diesen Mustern ist in den letzten vier Jahrzehnten stetig gestiegen. Denn die Kenntnis darüber birgt riesiges Potenzial: Wer den Schaltplan für Entscheidungen in den Händen hält, kann leicht feststellen, welche Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um ein bestimmtes Verhalten auszulösen.

Im Kontext mit Behavior-Patterns kommt schnell die Frage auf, ob es sich um eine Manipulation der Käufer handelt. Die Antwort lautet: Ja, man kann mit Behavior-Patterns manipulieren. Denn viele der Verhaltensmuster sind evolutionär so tief verwurzelt, dass wir uns gegen ihre Wirkung kaum wehren können. Müssen wir also die Aussage von Paul Watzlawick – „Wir können nicht nicht kommunizieren“ – auf die unbewussten Verhaltensweisen im E-Commerce übertragen in: „Wir können nicht nicht manipulieren?“

Wer Behavioral Patterns nutzt, muss sich der Frage stellen, wo die rote Linie zur Manipulation überschritten wird. Die ­Debatte beruht nicht nur auf moralischen Aspekten, sondern hat glücklicherweise auch ein überzeugendes betriebswirtschaftliches Fundament: Fast jede Manipulation von Nutzern, die diesen später bewusst wird, geht mit einer Nachkaufdissonanz einher. Erhöhte Retouren- oder Stornoquoten sowie eine beeinträchtigte Kundenbeziehung sind die unerwünschten Folgen. Im schlimmsten Fall ist der Kunde verloren. Das Image des Shops kann durch öffentliche Beschwerden leiden.

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Wer in Kundenlebenszyklen denkt und an einer langfristig profitablen Beziehung interessiert ist, sollte die Entscheidungs­architektur so anpassen, dass Nutzer lediglich einen kleinen Schubs in die Richtung erhalten, die ihren Bedürfnissen entspricht. E-Commerce-Steuerung im modernen Sinne setzt auf Weiterempfehlungen, nachhaltige Kundenbeziehungen und arbeitet mit dem Customer-Lifecycle-Value. Von der bewussten Manipulation der Käufer sollte sie absehen. Neukundenakquise ist deutlich teurer als Bestandskundenpflege. Nachhaltige Kundenbeziehungen und Loyalität kann es nur geben, wenn Kunden mit ihren Entscheidungen langfristig zufrieden sind.

In der Wissenschaft werden Behavior-Patterns üblicherweise nicht als Manipulation betrachtet. Die Autorin Nathalie Nahai beschreibt ­Behavior-Patterns als Mittel, „die Distanz zwischen abweichenden Standpunkten zu reduzieren und gemeinsam an einem für beide Seiten positiven Ergebnis zu arbeiten“. Es geht also auch in ihrer Definition um einen Vorteil für beide Seiten. Das grenzt Behavior-Patterns von den sogenannten Dark Patterns ab, die explizit gegen das Inte­resse des Käufers beeinflussen sollen. Eine kürzlich erschienene Studie der Princeton University hat gezeigt, dass viele Onlinehändler leider immer wieder den Versuchungen kurzfristiger Nutzer­manipulation erliegen.

Customer-Journey mit gutem Gefühl

Behavior-Patterns verbessern nicht nur die Conversion-­Rate. ­Richtig angewendet, wirken sie sich entlang der gesamten Customer-­Journey positiv auf die UX und das Einkaufserlebnis aus. Dabei beeinflusst das intuitive Entscheidungssystem nicht alle Schritte gleichermaßen stark: Anzeigentexte, Produkt­seiten oder auch der Moment, in dem wir das Paket öffnen, sprechen beispielsweise stark unser intuitives Entscheidungssystem an. Das Ausfüllen des Bestellformulars als solches ist dagegen mehr vom rationalen System beeinflusst. Doch auch hier können ­Behavior-Patterns eine positive Wirkung erzielen. So sorgt etwa die Einhaltung von UX-Konventionen für Flow-Momente und stärkt intuitive Entscheidungswege. Dass der Checkout-Prozess ein ­lohnenswertes Einsatzfeld ist, zeigt auch der Befund des amerikanischen Baymard Institute: Es kommt in einer Meta­studie zu dem Ergebnis, dass fast 70 Prozent aller Nutzer den Kauf nach einer ersten positiven Entscheidung doch noch abbrechen. Hier liegt der Fokus der Überarbeitungen oft ausschließlich auf ­Wordings und Strukturen. Bei der verhaltenswissenschaftlichen Optimierung geht es demnach nicht nur um visuelle Elemente wie Bilder, Farben oder das Anordnen von Elementen.

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Kundenbewertungen als Beispiel für die Anwendung des ­Social-Proof-Patterns. (Screenshot: Amazon)

Kundenbewertungen als Beispiel für die Anwendung des ­Social-Proof-Patterns. (Screenshot: Amazon)

5 wirkungsstarke Behavior-Patterns

Es gibt über 100 Behavior-Patterns, von denen wir wissen, dass sie unsere Entscheidungen im E-Commerce beeinflussen. Die Muster unterscheiden sich in ihrer Wirkungsstärke und können auch je nach Produkt und Zielgruppe unterschiedlich bedeutsam sein. Um herauszufinden, welche Patterns für die eigene Zielgruppe effektiv sind, geht der Umsetzung eine Analyse­phase voraus. Ihr Ziel ist es, den Kunden mit seinen Bedürfnissen bestmöglich kennenzulernen. Darauf basierend werden im Kontext mit dem Produkt die relevantesten Patterns definiert und in der Umsetzung für die Optimierung herangezogen. Unabhängig von Zielgruppe und Geschäftsmodell existieren einige besonders wirkungs­starke Patterns.

Decoy-Effect: Müssen sich Menschen zwischen einer günstigeren Option A und einer teureren Option B entscheiden, wählen sie meist die günstigere Alternative. Kommt allerdings eine dritte, deutlich teurere Option C hinzu, kann das die Entscheidung für Option B erleichtern. Option C ist dann der unattraktive Decoy („Köder“), der in Preis oder Leistung so stark von Option B abweicht, dass diese nun attraktiv erscheint. Man kennt das etwa von den drei Kaffeegrößen in gängigen Coffeeshops. Im E-Commerce findet dieses Pattern oft Anwendung bei der Auswahl von Versicherungen oder Smartphones.

Anchoring: Wer von einem Boot aus einen Anker wirft, kann sich von dieser Stelle nicht mehr weit fortbewegen. Der sogenannte Preisanker funktioniert ähnlich. Ein einmal wahrgenommener Zahlenwert wird bei der Verarbeitung eines Preises immer als Referenz herangezogen. Und zwar unabhängig davon, ob der Zahlenwert mit dem Preis inhaltlich in Verbindung steht oder nicht. Wer auf seiner Website also hohe Werte integriert (etwa über Besucherzahlen oder zufriedene Kunden), sorgt für eine niedrigere Wahrnehmung der Preise. Ähnlich auch bei gesenkten Preisen: Der höhere Streichpreis sollte immer zuerst erscheinen, um den reduzierten Preis noch günstiger erscheinen zu lassen.

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Authority: Wir tendieren dazu, Autoritäten Glauben zu ­schenken. Empfehlungen von Experten, Vertrauenssiegel oder der eigene Expertenstatus können als Autoritäten wirken, den Käufer von der Qualität überzeugen und zum Kaufen bewegen. Der Einsatz solcher Autoritäten auf Websites steigert das Vertrauen und die Kaufbereitschaft der Interessierten.

Social Proof: Fällt uns eine Entscheidung schwer, stellen Handlungen anderer Menschen eine gute Orientierung dar. Ob Individuen (Testimonials, Influencer) oder das Kollektiv aus anderen Kunden: Sind wir unsicher, glauben wir, dass andere Personen, die sich bereits entschieden haben, in dieser ­Situation mehr spezifisches Wissen hatten, mit dem sie eine fundierte Entscheidung treffen konnten. Das wahrgenommene Risiko der eigenen Entscheidung erscheint somit kleiner.

Endowed Progress: Nach der ­Anmeldung überspringt der Fortschrittsbalken zwei Schritte und landet direkt beim Schritt ­„Bestätigen“, da Adresse und Zahlungsdaten schon hinterlegt sind. Bis zum Kauf­abschluss ist es jetzt nur noch ein Klick. (Screenshot: Zalando)

Endowed Progress: Nach der ­Anmeldung überspringt der Fortschrittsbalken zwei Schritte und landet direkt beim Schritt ­„Bestätigen“, da Adresse und Zahlungsdaten schon hinterlegt sind. Bis zum Kauf­abschluss ist es jetzt nur noch ein Klick. (Screenshot: Zalando)

Endowed-Progress-Effect: Unser Gehirn will unvoll­ständige Aufgaben gern vollenden. Wenn Menschen durch einen künstlich geschaffenen Fortschritt schon näher ans Ziel gebracht wurden, steigt ihre Motivation, das Ziel zu er­reichen. Werden beispielsweise bei einem Bonussystem erste ­Punkte oder Stempel geschenkt, steigert das die Loyalität des Kunden. Beim Onlineshopping lässt sich dieser Effekt beim Checkout-Prozess nutzen. Zeigt der Fortschrittsbalken schon im ersten Schritt einen Fortschritt an, erhöht das unsere ­Motivation, den Prozess auch zu beenden.

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Fazit

Auf den Bauch hören: Behavior-Patterns bieten großes ­Potenzial für Website-Betreiber, ihre Onlineshops zu optimieren – auch oder gerade jenseits der bekannten Behavior-Patterns wie ­Anchoring oder ­Decoy. Doch obwohl viele Optimierungsmaßnahmen aus der großen Bibliothek von Behavior-Patterns schnell und unkompliziert realisierbar sind, lassen etliche Verkäufer die Möglichkeiten ungenutzt – nicht nur im Hinblick auf die reine Conversion. Wer sich in seiner Kundenansprache an Behavior-Patterns orientiert, verbessert das Kundenerlebnis und trägt damit auch langfristig zum Geschäftserfolg bei.

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