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Mit „Social Magazines“ und „Curation“ gegen den Info-Overkill: Personalisierte News

Vor ein oder zwei Jahren hätte fast jeder Web-Nerd in Sachen Kanalisierung und Personalisierung der Nachrichtenflut auf semantische Verfahren gewettet. Inzwischen weht der Wind jedoch auch aus der Social-Media-Ecke: Flipboard, Twittertim.es oder Paper.li nutzen Link-Empfehlungen aus den Social Networks, um personalisierte News-Übersichten zu erstellen. Fast wöchentlich kommen neue Dienste hinzu. t3n hat sich einen Überblick verschafft und zeigt, wie man dem Info-Overkill mit Hilfe seiner virtuellen Freunde entgeht.

5 Min. Lesezeit
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Den Overkill kur(at)ieren

Als das Buzzword „Information Overkill“ vor einigen Jahren durch die Szene geisterte, fühlten sich ausnahmsweise beide Seiten angesprochen: Die „Normal-User“ sahen sich endlich in ihrem verzweifelten Kampf gegen das tägliche Informations-Chaos im Web bestätigt, während die Digital Natives in der Diskussion eher die üblichen Ressentiments gegen das Netz witterten. „There’s no such thing as information overload, there’s only filter failure“ lautete die Parole von Clay Shirky. In der Theorie hatte Shirky sicher recht, doch wo fand man diese intuitiven und userfreundlichen Filter in der Praxis?

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Da die Antworten auf diese Frage meist noch mehr Verwirrung stifteten, verwies man schließlich auf zukünftige Lösungen. Lange Zeit wurden dabei semantische Verfahren als die heißesten Kandidaten gehandelt – intelligente News-Aggregatoren sollten dem Leser passgenaue Nachrichten auf dem Tablett servieren und nebenbei noch die verbliebenen Redakteure auf die Straße setzen. Jetzt könnte allerdings doch alles ganz anders kommen, denn seit einigen Monaten macht ein neues Buzzword die Runde: „Curation“. Wird damit die Frage nach dem „Information Overload“ durch die soziale statt durch die maschinelle Brille beantwortet?

Der soziale News-Konsument

Zwei aus dem Studien-Meer gefischte Filets sollen als Zahlenbasis für die Dikussion dienen: Allensbach und PEW. Laut Allensbach gewinnt das Internet nach dem Siegeszug als Informations- und Recherche-Medium auch als Nachrichten-Medium zunehmend an Bedeutung [1]. So hat unter den 20-39-jährigen Akademikern das Internet als Nachrichten-Quelle in diesem Jahr erstmals die herkömmliche Zeitung überrundet, und auch in der Altersgruppe bis 64 ist der Trend hin zum Online-Konsum von Nachrichten stabil. Noch genauere Einblicke existieren in das Seelenleben des amerikanischen Nachrichten-Konsumenten, seit das PEW Anfang des Jahres die Umfrage „Understanding the Participatory News-Consumer“ veröffentlicht hat. Zudem legte das PEW im September 2010 eine weitere, noch detailiertere Studie vor [2].

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Zwei Ergebnisse sind dabei besonders interessant: Die Menschen vertrauen zu einem gewissen Grad den Informations-Empfehlungen aus ihrem Bekanntenkreis und nutzen ihre Sozialen Netzwerke für den Austausch und die Beurteilung von News. Gleichzeitig verlangen Nachrichten-Konsumenten immer mehr nach Partizipation und personalisierbaren Angeboten.

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Setzt neue Standards: Die iPad-App Flipboard repräsentiert bislang das userfreundlichste Modell eines Social Magazines.

Setzt neue Standards: Die iPad-App Flipboard repräsentiert bislang das userfreundlichste Modell eines Social Magazines.

An dieser Stelle könnte man noch eine Menge Studien und Zahlen bemühen. Man kann sich aber auch einfach im Bekanntenkreis umhören oder die eigenen Gewohnheiten rekapitulieren.

Das „Daily Me“-Prinzip

Als vor etwa zwei Jahren zahlreiche Twitter Accounts vor dem gefühlten Overkill standen, bot ein ebenso unscheinbarer wie nützlicher Dienst aus Israel seine Hilfe an: „Readtwit“ filterte die Links der Twitter-Freunde aus der Twitter-Timeline heraus und bündelte die verlinkten Beiträge in einem handlichen RSS-Feed. An hektischen Tagen konnte man so einen kurzen Blick auf den Feed-Reader werfen und zumindest die wichtigsten Neuigkeiten überfliegen, ohne permanent die Timeline von Twitter zu überwachen.

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Readtwit wurde im Sommer 2010 eingestellt, doch das Prinzip hat überlebt. Dienste wie Siftlinks.com oder Twitter Lists 2 RSS sowie der Webservice TwitterTim.es, der als Nebenprodukt eines semantischen Search-Projekts in Moskau und San Francisco entstanden ist, verfolgen einen ganz ähnlichen Ansatz wie Readtwit. TwitterTim.es begnügt sich allerdings nicht mit einem RSS-Feed, sondern stellt die Link-Empfehlungen als personalisierte Website im Newspaper-Layout dar. Damit war das erste „Daily Me“ geboren, das den Namen auch tatsächlich verdiente. Mittlerweile haben mehrere Dienste wie Rivva Social, Paper.li oder Flipboard diesen Ansatz adaptiert und erweitert.

Kleine Tools bereiten oft das größte Vergnügen: Mit FriendShuffle kann man stundenlang die Twitter- und Facebook-Empfehlungen seiner Freunde durchsurfen.

Kleine Tools bereiten oft das größte Vergnügen: Mit FriendShuffle kann man stundenlang die Twitter- und Facebook-Empfehlungen seiner Freunde durchsurfen.

Vor allem die beiden letztgenannten Dienste verdeutlichten das Potenzial solcher auf sozialen Netzwerken basierender Nachrichten-Übersichten. Dabei punktet der Schweizer Service Paper.li durch sein schickes Magazin-Layout, der thematischen Sortierung von aggregierten News und der Integration von Media-Inhalten bei den Usern. Als der Hype um Paper.li so richtig in Schwung kam, konnte der Service sogar eine Gruppe von Investoren ins Boot holen.

Anders die iPad-App Flipboard aus Colorado. Die Köpfe hinter Flipboard zogen das „Social Magazine“ von Anfang an als professionelles Startup mit bekannten Investoren im Rücken auf. Die App erlag bereits am ersten Tag dem Ansturm der Follower und Fans. Auch Flipboard aggregiert die Link-Empfehlungen der Social-Media-Accounts des Nutzers. Es stellt die Inhalte jedoch nicht im Newspaper-Layout dar, sondern im Stil eines Lifestyle-Magazins, das wie geschaffen für das Schmökern auf dem iPad ist. Bis heute sind noch einige andere Services an den Start gegangen, zum Beispiel das Nebenprodukt „personal magazines“ von Genieo.

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Das „Stumble Upon“-Prinzip

Eine zweite Variante, Link-Empfehlungen aus sozialen Netzwerken zu verwerten, verfolgen Dienste wie Friendshuffle und Tumbl.in. Sie generiern kein „Daily Me“, sondern übertragen die Logik von „Stumble Upon“ auf die sozialen Netzwerke. So stolpert man bei Tumbl.in durch die Link-Empfehlungen seiner Twitter-Freunde, während man mit FriendShuffle auch die „likes“ seiner Facebook-Freunde durchsurfen kann. Man darf gespannt sein, ob dieser Ansatz Schule macht und weitere Dienste auf den Plan ruft.

Der „Curation“-Trend

Auch wenn mit „Daily Me“ oder „Social Magazine“ gleich mehrere Buzzwords um die Gunst der Szene buhlen, werden die oben vorgestellten Ansätze meist unter dem Oberbegriff „Curation“ zusammengefasst.

Darunter finden sich allerdings auch diverse Startups, die weniger die automatische Aggregation von Link-Empfehlungen aus sozialen Netzwerken verfolgen als vielmehr das manuelle Filtern und Remixen von Social-Media-Inhalten durch einzelne User.

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Mit dem Service Curated.by kann man zum Beispiel Twitter-Inhalte über Tags bündeln und in einen Blog integrieren. Storify erweitert das Prinzip um Inhalte von Flickr, Youtube oder Google Search. Die Zahl der neuen Startups in diesem Bereich ist beachtlich – häufig genannte Dienste sind bagtheweb, Keepstream oder Publitweet. Eine große Übersicht zum Thema Curation & Co. hat Robin Good in Form einer Mind-Map zusammengestellt.

Trend oder Hype?

Sind das nun alles Nerd-Tools oder zeichnet sich hier ein echter Trend ab? Für einen Trend spricht zum Beispiel die Integration von Twitter in Google News oder die Tatsache, dass Facebook Google News inzwischen als Traffic-Lieferant für Nachrichten- und Medien-Seiten überrundet hat. Dafür sprechen aber auch Einzel-Aktionen von etablierten Medien wie zum Beispiel der New York Times. Die renommierte Zeitung hat in Kollaboration mit dem Startup Betaworks unter der Domain news.me einen „Social News Service“ als iPad-App und Web-Version angekündigt. Nicht zu vergessen die aufsehenerregende Ankündigung von MySpace, einen Neustart mit einer Entertainment-Plattform zu wagen, bei der der User als „Curator“ eine zentrale Rolle spielen soll.

Nach dem Social Magazine kommt jetzt die Curation: Mit Storify können User die Social-Media-Inhalte Filtern und in einem Stream aggregieren, der sich auch auf die eigene Homepage integrieren lässt.

Nach dem Social Magazine kommt jetzt die Curation: Mit Storify können User die Social-Media-Inhalte Filtern und in einem Stream aggregieren, der sich auch auf die eigene Homepage integrieren lässt.

Dass rein maschinelle Aggregatoren ihre Bedeutung in naher Zukunft einbüßen, ist angesichts wegweisender Startups wie Qwiki unwahrscheinlich. Da jedoch der Nachrichten-Konsument auch im Web ein Homo Societatis bleibt, dürften Konzepte, die auf Soziale Netzwerke zurückgreifen, einen festen Platz neben News-Automaten und traditionellen Redaktionen erobern.

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Dein t3n-Team

Stefan Wolfrum

Schade, dass ihr Zite nicht erwähnt habt, was ich mittlerweile noch besser als Flipboard finde. Siehe auch http://musicdiver.com/wordpress/2011/03/zite-very-nice-ipad-news-app/ (damals lag bei mir Flipboard noch knapp vor Zite … ;-) )

Antworten
Christiane

Der Artikel scheint schon einige Monate alt zu sein, da er noch Rivva erwähnt. Welche „neuesten“ Dienste gäbe es denn noch?

Antworten
sebastian

@Wolfrum, @Cristiane: Der Artikel ist tatsächlich schon ein paar Monate alt, da er aus der Print-Ausgabe Nr. 22 stammt. Zu der Zeit gab es noch Rivva, Zite jedoch noch nicht. Die Masse der neuen Tools in diesem Bereich ist inzwischen unüberschaubar geworden, vor allem für Flipboard gibt es inzwischen wohl ein knappes dutzend Nachahmer.
Trendige Tools sind derzeit soweit ich überblicke:
– Flipboard und Zite, und auch NewsMix hatte gute Kritiken bekommen.
– Storify (sind gerade in die public Beta gegangen und haben einen ziemlichen run)
– Paper.li, sind in ihrem Bereich def. führend und haben soweit ich sehe auch TheTweetedTimes übernommen.
– Storyful, ein neuer Dienst der ziemlich hyped
– Scoop.it, ebenfalls ein neuer sehr guter Dienst, der allerdings nicht über Social Media funktioniert, sondern dem alten Bookmarking-Muster folgt und selbst Social-Network-Elemente mitbringt (Followen von anderen Usern etc.).

Empfehlenswert zum Thema Curation sind die Scoop.It-Streams von Robin Good (http://www.scoop.it/t/real-time-news-curation) und Morten Myrstad (http://www.scoop.it/t/brand-content-curation).

Oder auch mal auf T3N nach den Tools stöbern, findet ihr sicher auch was zu…

Viele Grüße
Sebastian

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