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Digitale Gesellschaft

Social TV: Buzz-Word oder Mega-Trend?: Soziales Fernsehen

Bei Social TV geht es um mehr als nur um einen Tweet zum Tatort. Social TV steht als Sinnbild für die sich ändernde Fernsehlandschaft. Doch welche Services und Tools bieten die Deutschen Fernsehsender und App-Anbieter eigentlich? Ein Bericht über Chancen, Möglichkeiten – und langsame Entwicklungen.

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Fernsehen ist schon lange nicht mehr nur das Konsumieren linearer TV-Inhalte. Längst lassen sich TV-Sendungen auch über Mediatheken, Videoportale und Online-Videotheken abrufen. Zuschauer nutzen neben dem Fernseher weitere Geräte, wie Smartphone, Tablet oder Notebook. Der Begriff des „Fernsehens“ lässt sich also nicht mehr am Gerät, der Verbreitungsform oder dem Zeitpunkt der Nutzung fest machen.

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Doch Zuschauer nutzen Smartphones und Tablet meist gar nicht zum Fernsehen, sondern vor allem auch als Empfehlungs- sowie Beteiligungskanal parallel zum TV-Konsum, um Informationen und Inhalte zu den Sendungen zu erstellen und zu teilen. Hier befinden wir uns in einem Second-Screen-Szenario [1]. Das erweitert nicht nur die Möglichkeiten des Storytelling, es schafft – durch bessere Schnittstellen zwischen mobilen und stationären Geräten wie Fernsehern oder Set-Top-Box – auch eine bessere Einbindung der Nutzer. Während Social-TV-Startups das sich ändernde Nutzungsverhalten als
Chance für neue Geschäftsmodelle sehen, geht es den etablierten Sendern
vor allem um Zuschauerbindung. Erste zukunftsweisende Geschäftsmodelle zeichnen sich bereits ab: Mobile Geräte als Performance-Kanal nutzen, um die (Werbe-)Angebote auf dem First Screen zu beziehen. Im E-Commerce macht man sich dies bereits zunutze und schaltet mobile Werbung gezielt zur TV-Primetime [2].

Das Social TV der TV-Sender

Die Fernsehsender möchten ihr Publikum natürlich mit Social-TV-Konzepten an sich binden – in der Regel über Präsenzen in Facebook, Google+ und Twitter sowie mit eigenen Apps. Sowohl die Öffentlich-rechtlichen als auch die Privaten sind dazu übergegangen, ihre Inhalte mit Social Media zu verknüpfen [3]. Besonders erfolgreich ist dabei das Format „Berlin – Tag & Nacht“ (BTN) mit über 2,5 Millionen Facebook-Fans. Über den Tag verteilt werden zur Story-Verlängerung Clips, Bilder und Statements der Darsteller eingespielt. Das Konzept funktioniert und hat mit „Köln 50667“ bereits auch einen Ableger.

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Der dazugehörige Sender RTL2 zeigt dabei, wie man die Fernsehinhalte sozial verlängern kann. Die Bewohner von BTN gestalteten gemeinsam mit ihren Fans einen Fernsehabend: Während im Fernsehen der Film „Dirty Dancing“ lief, konnte man per RTL2-Website oder App der BTN-WG Fernsehschauen zugucken und über so maßgebliche Dinge entscheiden wie die Frage, welche Pizza nun für den Fernsehabend bestellt werden sollte. Ein ähnliches Erlebnis konnten die Zuschauer der Sendung „Walulis sieht fern“ auf Einsplus erleben. Während der ersten Folge einer neuen Staffel konnten sie den Machern Tobi und Philipp per Chat Fragen zur Sendung stellen.

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Während der Sendung von „Walulis sieht fern“ konnten Zuschauer mit den Machern Tobi und Philip chatten.
Während der Sendung von „Walulis sieht fern“ konnten Zuschauer mit den Machern Tobi und Philip chatten.

Einige Formate integrieren ihre Nutzer und deren Kommentare allerdings noch tiefer in die Sendung. In der Netzgemeinde besonders beliebt war aus diesem Grund zum Beispiel die rundshow mit Richard Gutjahr: Über die App „Die Macht“ konnten Zuschauer die Sendung direkt kommentieren, über Themen abstimmen oder applaudieren. Auch wenn die Bild- und Ton-Qualität eines per Google Hangout zugeschalteten Gastes zu wünschen übrig ließ, so bot die rundshow bis dato die tiefste Form der Integration von Zuschauern in eine deutsche TV-Sendung.

ProSieben und RTL bietet mit „ProSieben Connect“ und „RTLinside“ eigene Lösungen. Hier sind nicht nur Kommentare und Videoabrufe, sondern auch Check-Ins möglich. Während „The Voice of Germany“ konnten
die Nutzer durch ihre Beteiligung sogar Preise gewinnen, Votings via App flossen live in die Bewertung der Kandidaten ein. Auch die Bespielung der Social-Media-Profile
der Kandidaten sowie der Jury fiel positiv auf. Per App erhielten die Zuschauer zusätzliche Inhalte
zu den Sendungen.

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Die Erfolgsfaktoren im Social Web: Passende Formate und Communities

Noch gibt es keine Gesetze, wie man Formate und Menschen erfolgreich verknüpft. Social TV bedeutet daher immer auch Versuch und Irrtum. Groß angekündigt und schließlich doch eingestellt wurde etwa „Gottschalk Live“: Das Konzept war lieblos umgesetzt, vom Moderator nicht ernst genommen und deshalb am Ende auch vom Publikum verschmäht. Auch beim Vorzeigeprojekt rundshow lief nicht immer alles perfekt: Fast niemand schickte Videos als Botschaften zur Sendung, woran nicht nur der Aufwand schuld sein dürfte, den die Erstellung eines Videos verlangt, sondern auch die Angst, sein Gesicht im Fernsehen zu sehen. Anders bei der NDR-Sendung „Mein Norden“: Auch hier konnten Zuschauer Videos aus ihrem Leben einreichen. Was zunächst aussah wie ein Desaster, wurde am Ende ein Erfolg. Die Zuschauer nahmen sich viel Zeit, um wirklich gutes Material zu erstellen [4].

Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass es nur eine begrenzte Zahl von Formaten gibt, sich für die aktive parallele Integration von Zuschauern eignen. Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) hat hierzu eine Studie veröffentlicht [5]. Zu den zwei wichtigstens Voraussetzungen für die Nutzer-Interaktion gehört, dass die Sendung hoch emotional ist und zeitlich aktuell. Dazu kommt die Komplexität des Formats, die Situation, in welcher der Zuschauer TV schaut (alleine, mit Freunden) und zudem, ob es einen persönlichen Anreiz gibt, sich zu informieren oder auszutauschen.

Darüber hinaus entscheidet auch der Kanal, über den die Sender ihre Inhalt verbreiten, über den Erfolg eines Social-TV-Konzepts. Die YouTube-Channels von ZDF, ARD & Co. tun sich allerdings schwer, eine größere Anhängerschaft zu gewinnen. Das zeigt zum einen, dass es gar nicht so leicht ist, eine Community aufzubauen. Zum anderen weist das aber auch darauf hin, dass der Content zur Plattform passen muss. Nahezu jeder
erfolgreiche Kanal ist dabei an die Akteure geknüpft, die in regem Austausch mit der Community stehen müssen, um erfolgreich zu sein. Das sind Beziehungen, die man beim Fernsehen bislang nicht erwartete und erst lernen muss. Markenbotschafter handeln dabei für „ihr“
Format, aber nicht unbedingt für einen Sender. Diesen Community-Gedanken verfolgen einige App-Drittanbieter bereits schon und schaffen sich so einen ganz eigenen Markt.

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Social TV Apps: Von Empfehlungen bis Check-Ins

Denn die Social-TV-Apps und -Services von Drittanbietern liefern ebenfalls parallele Nutzungszenarien, den Austausch zum laufenden Programm, zusätzliche Informationen und Check-Ins sowie Empfehlungssysteme über mehrere Verbreitungswege hinweg. Unter den unabhängigen Apps in Deutschland gibt es zwar bisher noch keine, die TV-Formate verlängert, Schnittstellen dafür anbietet oder direkt in die Story eingreift, wie dies zum Beispiel bei der rundshow möglich war. Dennoch sind etliche Konzepte dabei, die überzeugen. Im Folgenden eine Auswahl der bekanntesten Applikationen.

Tweek

Tweek setzt vor allem auf den Use-Case Empfehlungen. Dafür wurden bis vor kurzem die Likes eines Nutzers und seiner Freunde auf Facebook ausgelesen. Mittlerweile ist auch ein Login ohne Facebook möglich. Tweek verbindet nicht nur TV-Programme, sondern auch On-Demand-Videos mehrerer Plattformen wie iTunes und Lovefilm und spricht so ein großes Spektrum an Video-Empfehlungen aus. Auch die Inhalte der ARD- und ZDF-Mediathek lassen sich aus der Tweek-App streamen. Tweek gibt es mittlerweile für das iPad und iPhone. User anderer Plattformen schauen derzeit noch in die Röhre, eine Web-App steht nicht zur Verfügung.

Shair und wywy

Die iPhone-Apps Shair und wywy sind deutlich second-screen-lastiger. Dabei kommt eine technisch neue, aber nur für lineares TV gedachte Funktion zum Einsatz: Per
Audio erkennt die App die laufende Sendung und erleichtert so Check-Ins, liefert den passenden Chat und Zusatzinformationen. wywy orientiert sich dabei am US-Service viggle: Punkte aus Audio-Check-Ins kann man gegen Gutscheine eintauschen. Sowohl Shair als auch wywy funktionieren nur parallel zum Fernsehen. Die Erkennung von aufgenommenen Sendungen oder aus Mediatheken funktioniert nicht.

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Zapitano und Couchfunk

Smartphone-Apps als Second-Screen-Szenario – wie hier mit Zapatino.
Smartphone-Apps als Second-Screen-Szenario – wie hier mit Zapatino.

Sendungen und Stars des klassischen TV-Programms können Zuschauer über Zapatino bewerten. Während Zapatino das Kommentieren in den Fokus rückt, konzentriert sich Couchfunk auf die Kommunikation und das Teilen. Daher hat Couchfunk Twitter stark integriert, wo ein Großteil der Kommunikation zu Sendungen stattfindet. Bei Couchfunk kann man zudem aber auch einchecken, YouTube-Kanäle oder -Videos kommentieren und bewerten. Zapatino und Couchfunk gibt es als Web-, iOS- und Android- App, Couchfunk auch für Windows 8.

miso ist mehr als ein Check-In-Dienst. Über Sideshows können Nutzer und Formatinhaber unter anderem Zusatzinformationen und Umfragen einbauen.
miso ist mehr als ein Check-In-Dienst. Über Sideshows können Nutzer und Formatinhaber unter anderem Zusatzinformationen und Umfragen einbauen.

GetGlue, viggle, waydoo und Miso

Im Vergleich zu den US-amerikanischen Nutzerzahlen sind die deutschen noch gering. So hat der US-amerikanische Check-In-Service GetGlue etwa über drei Millionen Nutzer (wobei er nicht nur für TV, sondern auch für Bücher und andere Medien ausgelegt ist). Die Zahl seiner Interaktionen übertrumpfte sogar schon mehrfach die von Twitter – und das, obwohl viele GetGlue-Nutzer ihre Check-Ins auf Twitter teilen. Ein ähnlicher Service ist die US-amerikanische App viggle, die nur etwa eine Million Nutzer hat. Das deutsche Pendant zu GetGlue ist die App waydoo, die vor
kurzem ihre 100.000 Download-Marke in Deutschland erreichte. Miso ist ebenfalls ein amerikanischer Check-In-Dienst, der sich als App jedoch in Deutschland nutzen lässt. Da User Sendungen eintragen können, findet man beispielsweise auch die deutsche Serie „Tatortreiniger“. Miso verfolgt einen deutlich „sozialeren“ Ansatz: Über Sideshows können Nutzer und Formatinhaber Zusatzinformationen, Umfragen oder Inhalte mit Zeitstempeln an Sendungen heften. Miso hat dafür eigens die App „Vertical Quips“ veröffentlicht, mit der User ihre persönlichen Highlights erstellen können. Quips steht in Deutschland allerdings nicht zur Verfügung.

Fazit

Trotz des Hypes um Social TV läuft die
Service-Revolution im deutschen Fernsehmarkt recht langsam ab.
Das geht zum einen, wie bereits angedeutet, auf das Nutzungsverhalten der Deutschen zurück. Zum anderen liegt dies aber auch am zurückhaltenderen Einsatz von Social-TV-Angeboten der Fernsehsender. Der für den Trend wichtige Social-TV-Unterhaltungskanal Twitter kommt in Deutschland – anders als in den USA – nicht aus der Nische. Die
klassischen Apps für Check-Ins werden eher verhalten angenommen. Ein Großteil der Kommunikation zum Fernsehen spielt sich aber in einem Bereich des Netzes ab, das für Außenstehende nicht sichtbar ist. Likes und Tweets können daher nur als Anhaltspunkte dienen, spiegeln aber nicht das wirkliche Social TV Aufkommen wider. Auch der Informationsbedarf der Zuschauer – etwa die Recherche nach Schauspieler und anderem in der Wikipedia – wird hier nicht betrachtet.

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Dass bei Großereignissen mittlerweile schon mal 15.000 Tweets von
10.000 Nutzern verfasst werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass
der Anteil der Nutzer, die sich per Twitter zu einem Programm
austauschen, im Vergleich zur Quote sehr gering ist. Bei
Samstagabend-Formaten mit durchschnittlich 6 Millionen Zuschauern
twittern dazu noch nicht einmal 0,2 Prozent der Zuschauer. Doch all die oben beschriebenen Entwicklungen zeigen, dass der TV-Markt vor gravierenden Veränderungen steht, wie wir sie zuvor bei Print und Audio gesehen haben. Social TV ist damit kein Hype, sondern Ausdruck eines langfristigen Trends.

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