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„Der einfachste Server der Welt“ – Protonet im Portrait

Die Vorteile der Cloud vereint in einer lokalen Box mit sozialem Anstrich: So ließe sich das Produkt von Protonet kurz beschreiben. Das Startup will den Cloud-Markt für kleine und mittelständische Unternehmen umkrempeln. Was ihre größten Herausforderungen dabei sind und warum sie den lokalen Aspekt von Daten für so wichtig erachten, verrieten die Gründer in einem Gespräch mit t3n.

9 Min. Lesezeit
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Im Betahaus in Hamburg, einem Coworking Space, spürt man die kreative Energie geradezu in der Luft. Überall sitzen Digitalarbeiter mit ihren Notebooks, arbeiten, trinken Café, tauschen sich aus. Inmitten dieser Kreativzone werkelt Protonet an seinem Produkt. Das Hamburger Startup hat im Erdgeschoss des Betahauses in Hamburg Altona sein Quartier bezogen. Sechs Leute sitzen an einer Tischgruppe, ein großer Durchgang führt gleich in das Café des Betahauses. „Wir lieben diese kreative Atmosphäre hier. Man kann sich einfach sehr gut austauschen mit Leuten, die aus anderen Bereichen kommen und beispielsweise wertvolle Tipps erhalten. Das ist toll und für uns besonders wertvoll“, erklärt Ali Jelveh, einer der beiden Protonet-Gründer.

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Der 32-jährige hat mit dem gerade erst 23-jährigen Christopher Blum Protonet gegründet. Die Beiden waren vorher als Software-Entwickler bei Xing angestellt. Bereits 2008 hatten Jelveh und Blum erste Ideen, 2010 wagten sie dann den Weg in die Selbstständigkeit – und gründeten Protonet. Das Startup entwickelt und vertreibt einen Server. Was unspektakulär und geradezu langweilig klingt, ist bei zweitem Hinschauen deutlich spannender. Schließlich wollen die Jungs nicht einfach einen komplizierten Server bauen, der im Serverregal verschwindet und nur von Systemadministratoren konfiguriert werden kann. Vielmehr wirbt das Startup mit dem Claim: „Der einfachste Server der Welt.“

Sozialer Fileserver

Diese Einfachheit beginnt bei der Server-Hardware selbst. So hat das Gerät lediglich einen Knopf. Netzwerk- und Netzkabel einstecken, einschalten, fertig. Der kleine Server fungiert dabei als WLAN-Router, als Fileserver und als internes soziales Netzwerk in einem Gerät. Denkbar schnell lassen sich Accounts einrichten, sind Nutzer in der Lage loszulegen. Diese können Dateien per Drag-and-drop in die Protonet-Oberfläche kopieren, andere Nutzer können sofort auf die so hochgeladenen Daten zugreifen. Dateien lassen sich mit Zugriffsbeschränkungen versehen, kommentieren und verschieben. Nutzer können den Protonet-Server wie Dropbox auch als Laufwerk in den Finder auf dem Mac und im Arbeitsplatz unter Windows integrieren. Das Kopieren von Daten geht dabei rasend schnell, schließlich passiert alles lokal, nichts muss per DSL-Leitung hochgeladen werden.

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Das Hosting von Daten ist den Protonet-Jungs aber nicht genug. Sie haben ein rudimentäres Soziales Netzwerk in das auf Linux basierende Protonet-System eingebaut, das an die großen „Vorbilder“ wie Twitter und Facebook, im Business-Umfeld am meisten an Yammer erinnert. Es gibt Aktivitätsstreams, die sich kommentieren lassen. Zudem lassen sich Channels, also Gruppen, einrichten, zu denen dann nur vorher festgelegte Mitglieder Zugang haben. In Zukunft wollen die Entwickler die Kollaborationsmöglichkeiten ausbauen und beispielsweise gemeinsame Editiermöglichkeiten eines Textdokuments ermöglichen. Nutzer oder Kunden können übrigens auch von extern über den DNS-Dienst von Protonet auf den Server zugreifen, wenn es gewünscht ist – mit entsprechenden Restriktionen versteht sich, aber mit gleichen Kommunikationsmöglichkeiten wie interne Nutzer.

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Die Protonet-Gründer Ali Jelveh und Christopher Blum im Gespräch mit t3n-Redakteur Luca Caracciolo.

Die Protonet-Gründer Ali Jelveh und Christopher Blum im Gespräch mit t3n-Redakteur Luca Caracciolo.

Doch was passiert, wenn die Kiste geklaut wird oder kaputt geht? „Wir bieten eine Backup-Lösung, die sich dazubuchen lässt. Die Daten werden verschlüsselt auf Servern gespeichert, die in Deutschland stehen. Wenn die Box also abschmieren sollte, könnten wir innerhalb kürzester Zeit eine virtuelle Maschine aufsetzen und der Kunde kann in der Regel am gleichen Tag weiterarbeiten“, erklärt Blum. Wer das Backup-Modul nicht dazu bucht, kann eine eigene Backup-Lösung aufsetzen, beispielsweise über eine zweite Box oder einen Server an einem anderen eigenen Standort.

Alles aus einer Hand

Bisweilen legt Protonet bei der Produktentwicklung eine Akribie an den Tag, die man sonst wohl nur von Apple kennt. Der ästhetisch ansprechende Server ist in jedem Detail genauestens durchdacht. Allein an dem Einschaltknopf hat das Team sechs Monate gearbeitet, um die ideale Lösung zu finden. „Als das erste iPhone herauskam, gab es enorme Diskussionen um den Knopf – weil er nicht seitlich drückbar war, weil er sich manchmal verhakte. Ein mechanisches System wie der Knopf ist eben nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Das hat mit Haptik zu tun, mit dem richtigen Druckpunkt, es darf nicht verkanten, muss sich genau richtig anfühlen“, geht Jelveh ins Detail.

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Zwischen den Zeilen klingt hier die Philosophie von Protonet durch: Die Jungs wollen das perfekte Produkt bauen, in jeder Hinsicht. Es soll leicht benutzbar sein, leicht zu konfigurieren. Es soll gut aussehen, keinen Krach machen – daher ist das Servergehäuse im übrigen passiv gekühlt. Den Schlüssel zum Erfolg sehen sie in der Symbiose aus Hard- und Software: „Wenn wir unseren Kunden die IT-Infrastruktur in die Hände geben wollen, dann muss alles funktionieren – und zwar so einfach wie möglich. Und um das gewährleisten zu können, muss man sowohl Hardware als auch Software aus einer Hand anbieten“, erklärt Blum.

Nicht nur innovative Software, sondern auch die dazu passende Hardware zu vertreiben, ist ein gewiss hoher Anspruch. Ob es nicht einfacher sei, gute Software zu entwickeln, die dann auf zugemieteter Server-Infrastruktur läuft? So werden sämtliche Daten von Dropbox beispielsweise auf einer Amazon-S3-Infrastruktur gespeichert. Genau dieser Umstand passt aber nicht in die Produktidee von Protonet, die eben eine grundverschiedene ist: „Wenn die Daten dir gehören sollen, dann muss die Infrastruktur dir gehören. Da gibt es keinen Weg dran vorbei. Und Daten sind in der digitalen Welt nun mal das wichtigste Gut überhaupt“, meint Jelveh.

Protonet hat sich jedenfalls viel vorgenommen. Die schiere Komplexität eines Server-Produkts ist enorm herausfordernd: die eigene Hardware bauen; die dazu passende Software entwickeln, die gängigen Server-Anforderungen genügt und gleichzeitig leicht in der Bedienung ist. Hinzu kommt der Vertrieb für ein relativ komplexes Produkt und die nötige Kommunikation – all das gilt es zu stemmen. Vor allem letzteres ist eine echte Herausforderung für die Hamburger. Das Produkt ist in einem Satz kaum erklärbar, benötigt immer einer gewisse Erläuterung, bis die Vorzüge der Lösung einleuchten. Hat man erstmal einen Präsentationstermin bei einem Unternehmen machen können, ist ein sehr wichtiger Schritt bereits vollzogen. Aber bis dahin sei es oftmals ein steiniger Weg.

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Wie naiv die Hamburger in Sachen PR und Marketing anfangs waren, erzählt Jelveh in einer kleinen Anekdote: „Wir hatten einen ersten Bericht über unser Produkt in der Page und waren sehr aufgeregt. Als der Bericht erschien, dachten wir alle, dass das der Durchbruch sei. Am nächsten Tag starrten wir gebannt auf das Telefon… Aber nichts passierte.“ Das war eines der wichtigsten Learnings: Dass sich Produkte nicht von selbst verkaufen, auch wenn man selbst von dem Produkt völlig überzeugt ist. Mittlerweile arbeiten zwei Mitarbeiter daran, Protonet aktiv zu vertreiben.

„Für bis zu 30 Mitarbeiter ideal“

Die Hamburger könnten eine ungelöste Frage beantworten, die bei vielen Unternehmen in der Tat seit Jahren zur Diskussion stehen dürfte. Wie verwalte ich meine Daten sicher, kann sie andererseits aber allen meinen Mitarbeitern und Kunden jederzeit und ortsunabhängig zur Verfügung stellen? Die Cloud ist die Lösung, die seit Jahren in der IT-Branche von entsprechenden Anbietern wie Microsoft oder Google propagiert wird. Das Versprechen: Datenspeicherung sicher und zuverlässig, keine komplizierte Administration nötig. Aber vielen Unternehmen behagt es nicht sonderlich, ihre Daten auf fremde Server, in die Hände anderer Unternehmen zu geben. Hier geht es um hochsensible Daten, verständlich, diese am liebsten bei sich lokal hosten zu wollen.

An dieser Stelle will Protonet mir ihrem Produkt ansetzen. „Wir wollen unseren Kunden alle Vorteile der Cloud bieten, ohne dass diese die Hoheit über ihre Daten abgeben müssen“, so Blum. Seit Mitte des Jahres vertreibt das Startup die kleine Box aktiv, bereits über 40 Kunden konnte das Team von seiner Lösung überzeugen, unter anderem den Website-Baukasten-Anbieter Jimdo, Xing, den Design-Fachbereich der Fachhochschule Hannover und den Shopsystem-Anbieter VersaCommerce. „Für kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 30 Mitarbeitern ist unser Produkt ideal“, meint Jelveh.

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Finanzierung

Aktuell sind die Jungs hauptsächlich mit der Markteinführung beschäftigt. Es müssen die richtigen Weichen gestellt werden, um regelmäßiges Einkommen aufzubauen, um die Mannschaft auch in Zukunft bezahlen und aufstocken zu können. Die künftige Finanzierung ist daher momentan ein wichtiges Thema. Bisher basiert sie komplett auf Bootstrapping, sprich: Das Startup ist aus eigenen Mitteln finanziert. Im Februar dieses Jahres hat Protonet das EXIST-Gründerstipendium erhalten, das momentan die Bezahlung der Hälfte des Teams sichert. Zudem steht jetzt eine Finanzierungsrunde mit 500.000 Euro an. Ein Teil davon soll aus Crowdinvestment (unter anderem über die Plattform Seedmatch) kommen, ein weiterer aus dem Bereich Innovationsförderung.

Das Team von Protonet sitzt im Betahaus in Hamburg.

Das Team von Protonet sitzt im Betahaus in Hamburg.

„Wir können viele Dinge wie ein Promo-Video einfach nicht machen, wenn wir auf Fremdkapital verzichten. Und wir wollen nicht alles selbst machen müssen, weil uns das dann wieder zu sehr vom eigentlichen Produkt ablenken würde“, so Jelveh. Die Fokussierung auf das Produkt kommt immer wieder durch bei den beiden Geschäftsführern. Ob sie sich vorstellen könnten, etwas ganz anders zu machen? „Ja, ähm, nicht wirklich.“ Sich nicht zu sehr ablenken zu lassen, ist übrigens auch eines der Hauptgründe für das Startup, nach wie vor vom Betahaus aus zu arbeiten. Für eigene Büros fehlt einfach die Zeit. Suchen, umziehen und der ganze Kram – in den Augen der Gründer alles Dinge, die aktuell eher ablenken als weiterbringen. Sie wollen erst ihr Produkt auf die Straße bringen. Und zwar langfristig nicht nur in den Geschäftsetagen dieser Welt.

Lokale Magie

Denn Kommunikation und Datensicherheit seien Grundbedürfnisse im digitalen Zeitalter, so Jelveh. Aktuell würden diese Bedürfnisse von großen Firmen wie Facebook bedient. Nutzer müssen allerdings auf eine Vielzahl von Cloud-Diensten zurückgreifen, um all das machen zu können, was sie möchten: Kommunikation auf Facebook, Datenaustausch auf Dropbox, kollaboratives Arbeiten mit wieder anderen Tools. Und sie geben bei jeder Nutzung eines neuen Dienstes Daten von sich in fremde Hände. „Wir glauben, dass wenn man die ganzen Vorteile der Cloud in eine Box steckt, ohne Nachteile und ohne etwas abgeben zu müssen, dann ist das die ideale Lösung für das Datenproblem in der digitalen Welt – und zwar nicht nur im Geschäftsbereich.“

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Insofern könnten sich Jelveh und Blum gut vorstellen, Protonet-Server auch im privaten Bereich zu etablieren. Allerdings sind Versuche, „lokale“ Cloud- und Kommunikationsalternativen wie Diaspora aufzubauen, bisher gescheitert. Woher kommt also der Glaube, mit der eigenen Lösung erfolgreicher zu sein? „Die Leute sind bei Facebook, weil Facebook funktioniert. Diaspora hat nie richtig funktioniert. Die Jungs wollten zu viel auf einmal. Für eine konsistente, gut funktionierende Alternative brauchst du einfach Zeit. Facebook ist auch nicht von heute auf morgen entstanden. Hinter dem Erfolg von Facebook steht enorm viel Arbeit von Leuten, die sich jahrelang damit beschäftigt haben, welche ‚Trigger’ in sozialen Netzwerken gut funktionieren“, entgegnet Jelveh.

Mit Protonet möchten die Gründer erstmal im Kleinen arbeiten, kleine Probleme lösen. In einem Unternehmen mit 20 Mitarbeitern seien die Probleme deutlich kleiner und nicht so aufwändig wie sie es in einem großen sozialen Netzwerk wären. Das ist eine gute Basis, um darauf aufbauend weiter zu gehen und mit dem Produkt auch in andere Lebensbereiche vorzustoßen. So könnten sich die Protonet-Macher den Einsatz ihrer Lösung beispielsweise in einem Wohnhaus mit mehreren Mietparteien sehr gut vorstellen.

„Wenn man den Leuten zeigt, was man zusammen machen könnte, wie ein Straßenfest oder ein virtuelles Schwarzes Brett – also wie man die Lokalität verändern kann, dann wäre das ein mächtiges Instrument. Denn dieser lokale Bezug spricht das Ur-Bedürfnis von Menschen nach Nähe an. Ich glaube, es steckt Magie in dieser Lokalität. Wenn man diesen lokalen Bezug digital richtig abbildet – dann hat Facebook keine Chance“, so Jelveh.

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Wenn Facebook der Maßstab ist, dann haben die Jungs aus Hamburg noch viel zu tun. Aber was sie bereits jetzt schon auf die Beine gestellt haben, und das mit einem Bruchteil der Manpower, kann sich durchaus sehen lassen.

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Uwe

Neu…? Tonido macht im Prinzip nix anderes und gibt’s schon lange…

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