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Vom Gründer zum Manager: Abschied vom Ego

Wer ein Startup gründet, bricht alte Strukturen auf. Wer ein Unternehmen leitet, optimiert Prozesse. Doch was passiert, wenn Gründer in die Managerrolle wechseln? Erfahrungsberichte aus der Praxis.

Von Lisa Hegemann
13 Min. Lesezeit
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(Foto: Photocase / simonthon.com)

Chef eines Dax-Konzerns will Sebastian Diemer nicht werden. „Managen ist nicht mein Ding“, sagt der Gründer. Nah dran sein am Produkt, ein neues Geschäftsmodell entwickeln, einen alten Markt herausfordern – das sei das, was ihm wirklich Spaß mache.Das klingt nach einer einfachen Erkenntnis. Doch Diemer musste erst selbst die Phasen eines Startups durchlaufen, um das zu verstehen.

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Mit seinem früheren Klassenkameraden Alexander Graubner-­Müller zog er 2012 das Startup Kreditech hoch. Gemeinsam wollten sie die Kreditvergabe für Personen vereinfachen, die wegen ihrer Zahlungshistorie bei einer normalen Bank kein Darlehen bekommen. In den Anfangsjahren ein Traumjob: „In der ersten Phase geht es darum, die besten Mitarbeiter zu finden und sehr schnell Hypothesen zu validieren“, sagt Diemer. „Das kann ich sehr gut.“ Als Kreditech den ersten Prototypen baute, nach dem Trial-and-Error-Prinzip ausprobierte, was funktioniert und was nicht, konnte sich Diemer gut einbringen. Kreditech startete in Deutschland, musste aber schnell feststellen, dass der Markt hierzulande noch nicht so weit ist. Der Gründer schlug vor, das Angebot in anderen Ländern wie Polen auszurollen – mit Erfolg.

Doch in der folgenden Phase wurde es problematisch. „Irgend­wann geht es nicht mehr darum, alles neu zu erfinden“, sagt ­Diemer. Statt von Grund auf etwas Neues aufzubauen, musste er den „Status Quo im Detail perfektionieren“, sich mit Investoren abstimmen, Zahlen festlegen. Strategien statt Prototypen ent­wickeln stand auf dem Tagesplan.

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Aber damit konnte der Gründer nicht so viel anfangen. „Mir sind neue Ideen beim Duschen, beim Sport, im Flieger gekommen“, sagt er rückblickend. „Mit einem motivierten Team ist es möglich, diese am gleichen Tag umzusetzen und am nächsten Tag Resultate zu sehen.“ Ab einem bestimmten Punkt habe das bei Kreditech aber nicht mehr funktioniert. Gleichzeitig stieß sein Führungsstil auf Kritik, Mitarbeiter beschwerten sich in den Medien über seinen Tonfall. Für Diemer stellte sich die Frage: „Habe ich Bock, den Schritt zu gehen und mich coachen zu lassen, Führungsseminare zu belegen, um mich vom Unternehmer zum Konzernpolitiker zu transformieren?“ Die Entscheidung fiel klar aus: Hatte er nicht. Drei Jahre nach der Gründung verließ er Kreditech. Statt Dax-Chef werden wollte er sich lieber weiter als Gründer versuchen.

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Sebastian Diemer hat das Startup Kreditech mitaufgebaut. Heute kümmert sich der Gründer unter anderem um sein neues Projekt Finiata. (Foto: Finiata)

Bleiben oder gehen? Vor dieser Entscheidung steht irgendwann fast jeder Gründer. Denn wenn das Startup wächst, braucht es einen anderen Satz an Führungs- und Managementfähigkeiten. Statt ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, müssen es Gründer optimieren. Statt auf Zuruf die Strategie anzupassen, müssen sie langfristige Pläne erstellen. Statt frei Entscheidungen zu treffen, müssen sie sich mit Anteilseignern abstimmen. Statt an der Basis mitzuwerkeln, müssen sie auf einer Metaebene die Vision definieren. Was am Anfang wichtig ist, rückt in späteren Phasen in den Hintergrund: Es zählen nicht mehr die Qualitäten eines Gründers, sondern die eines Managers.

Die feine Linie

Den Unterschied zwischen den beiden Führungstypen hat der Ökonom Joseph Schumpeter einst definiert. In seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ beschreibt er den Entrepreneur als einen „dynamischen Unternehmer“: Er durchbricht Traditionen, geht Risiken ein und gestaltet neu. Der Manager hingegen ist eher eine Art Unternehmensverwalter: Er schaut sich bestehende Prozesse an und will sie optimieren. Er schafft aber nichts Neues.

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Das Problem: Obwohl die Typen in der Theorie so klar voneinander abgegrenzt sind, wird von Gründern der Wechsel zum Manager quasi vorausgesetzt. „Für den Typ ‚Manager‘ ist das kreative Chaos in der Anfangsphase, das durch hohe Unsicherheit und wenig Struktur geprägt ist, in der Regel der Horror. Manager haben ihre Stärken in der Umsetzung, man würde ihnen daher nie eine Neugründung empfehlen“, sagt Heike Hölzner, Professorin für Entrepreneurship an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Interessanterweise erwarte die Öffentlichkeit aber von Gründern, dass sie sich zu einem Manager entwickeln.

Schlimmer noch: Wenn es ein Gründer nicht schafft, sein Unternehmen von der Anfangsphase bis zum Börsengang zu führen, wird das mit Scheitern assoziiert. „Schnell wird unterstellt, dass Gründer dem Druck nicht gewachsen waren und diese zweite Hälfte des Startup-Lebens, mit all ihren Herausforderungen, nicht hingekriegt haben“, so Hölzner. Dabei ist eine gute Entwicklerin nicht automatisch eine gute Chefin, ein guter Vertriebler nicht automatisch ein guter Stratege.

Dass ein guter Gründer nicht automatisch ein guter Manager ist, erkannten auch Katharina Klausberger und Armin Strbac. Die beiden haben die Flohmarkt-App Shpock aufgebaut. „Als erste Teammitglieder haben wir alles gemacht – von Verhandlungen mit Investoren führen bis Müll rausbringen“, sagt Strbac. Man habe die Angewohnheit, alles zu hinterfragen und zu mikro­managen. „Wir waren eigentlich in einem ständigen Feuerwehrmodus.“ Hinter jedem Problem steckte eine Gefahr für die Existenz des gesamten Unternehmens, ein potenzielles Großfeuer.

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Im September 2015 verkauften die beiden Gründer die Mehrheit an ihrem Startup. Nach der Übernahme kehrte Anfang 2016 Ruhe ein. „Wir realisierten, dass wir nicht mehr Feuerwehr spielen müssen“, sagt Strbac. Sie hatten eine Organisation geschaffen, die funktioniert, deren Fortbestehen vorerst gesichert ist. Doch den Feuerwehrmodus wurden die beiden nicht los. „Wir waren geprägt durch unsere Anfangsphase, durch ex­treme Enttäuschungen“, erklärt Strbac. „Das schwelt im Hintergrund immer mit.“

Dass das nicht so sein muss, merkten sie durch die Zusammenarbeit mit ihrem Marketing-Manager Bernhard Baumann. „Bernhard hat Situationen anders bewertet und Entscheidungen ganz getroffen als wir“, sagt Strbac. Wenn ein Geschäftspartner plötzlich absprang, legten die Gründer bösartiges Verhalten nahe. Baumann hingegen sah eher die langfristige Komponente, er stürzte sich nicht in jeden Konflikt, sondern gab Leuten eher eine zweite Chance. „Armin und Katharina haben in allem eine Existenzbedrohung gesehen“, sagt Baumann. Sie seien sehr konfrontativ an alles herangegangen. Das sei zwar in der Anfangsphase durchaus gut gewesen, weil Probleme so nicht lange schwelen konnten. Aber heute sei es schlicht nicht mehr nötig.

Die Gründer von Shpock, Katharina Klausberger und Armin Strbac (rechts), mit ihrem Geschäftsführer Bernhard Baumann. (Foto: Shpock)

Katharina Klausberger und Armin Strbac begannen, ihren Führungsstil zu hinterfragen: Sind wir wirklich noch die besten für Shpock? Mehrere Monate trugen sie die Entscheidung mit sich herum, wägten Pro und Contra ab. Im Februar 2017 machten sie einen Schnitt: Sie übergaben die Geschäftsführung an ­Baumann. „Man darf sich nicht zu sehr auf seine Rolle versteifen“, sagt Strbac heute. „Wenn man nicht mehr der Beste ist, warum die Rolle nicht abgeben?“ Die beiden Gründer sitzen jetzt im Beirat, stehen für Entscheidungen noch zur Seite, aus dem Alltags­geschäft halten sie sich aber raus.

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Der neue Führungsstil macht sich im Unternehmen bemerkbar. Als Fabio Tiani vor drei Jahren bei Shpock anfing, stellte der PR-Manager seine Ideen für die kommenden drei Monate vor. ­Armin Strbac lachte nur und sagte: „Die drei Sachen machen wir bis kommende Woche, den Rest schauen wir mal.“ Ressourcen für eine langfristige Strategie fehlten, jeder Schritt war nur bis zum nächsten Tag geplant. Jetzt hingegen gibt es genaue Vorstellungen, was im kommenden Monat, Quartal, Jahr passieren soll. „Armin und Katharina sind impulsiver und hatten bei vielen Themen bereits eine fixe Vorstellung, wie wir sie umsetzen sollten“, sagt Tiani. „Bernhard hat einen eher kooperativen Führungsstil.“ Der neue Chef beziehe die Manager stärker mit ein. Statt sich in jede Entscheidung einzumischen, vertraut er auf die Mitarbeiter.

Was bei Katharina Klausberger und Armin Strbac so selbstverständlich klingt, ist in der Praxis nicht einfach zu erkennen. Denn ein Startup wechselt oft unmerklich von der sogenannten Seed- in die Wachstumsphase, in der es Managerfähigkeiten braucht. „Wenn der Kriegsmodus der Normalzustand ist, dann ist es schwer zu merken, dass etwas grundsätzlich nicht mehr stimmt“, sagt Hölzner, die auch als Beraterin für Startups arbeitet. Wenn das Startup in der „Wartime“ steckt, sind Angriffe an der Tagesordnung. Wenn ein gründender Geschäftsführer also ständig bei seinen Mitarbeitern aneckt, wenn er von außen gemixte Rückmeldungen bekommt, selbst wenn er die Lust an seinem Startup verliert, kann es sein, dass er das gar nicht merkt.

Ein bisschen Spaß muss sein

Gerade Letzteres deutet aber auf einen notwendigen Wechsel hin. „Wenn einem Gründer die Freude an der Arbeit abhanden gekommen ist, ist das ein riesengroßes Warnsignal“, sagt Heike Hölzner. Denn Unternehmer sind intrinsisch motiviert – anders würden sie auch gar nicht auf die Idee kommen, etwas Eigenes aufzubauen. Sie wollen eigentlich immer selbst etwas erschaffen. Das ist das, was sie können, und das ist das, was sie glücklich macht.

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Wer gerne am Produkt arbeitet, bei dem führt dieser intrinsische Antrieb dazu, dass er sich auch in einer Wachstumsphase noch in jedes Detail einmischt. Manche Gründer lesen jede Mail ihrer Mitarbeiter gegen, manche basteln weiter mit am Code, manche rufen selbst Kunden an. Für die Mitarbeiter wirkt das, als könne da jemand nicht loslassen. Heike Hölzner aber sieht einen anderen Grund für das Verhalten: „Gründer wollen nah an der Problemlösung sein“, sagt sie. „Es geht ihnen nicht darum, keine Verantwortung abzugeben, sondern darum, den Kontakt zum Kern ihres Unternehmens nicht zu verlieren.“

Schaut man sich in der Unternehmerwelt um, finden sich lauter Gründer, denen es so geht. Diemer ist einer von ihnen. „Mich hat es genervt, meine Energie damit zu vergeuden, Leuten, die noch nie ein Unternehmen aufgebaut haben, über zig Power­point-Folien zu erklären, was ich verändern beziehungsweise aufbauen will“, sagt der Gründer. Er sei sehr produktverliebt, wolle lieber Marketingkampagnen aufsetzen als Budgets zu steuern. Mit seinen neuen Projekten, Digitalkasten und Finiata, macht er genau das wieder. In einem kleinen Team bastelt er an den neuen Ideen. Dezentral und direkt. So, wie er es am liebsten mag.

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„Das Ego aus der Gleichung herauszu­nehmen, siehst du ­wahnsinnig ­selten.“

Zu den Gründern, die gerne am Kern bleiben, zählt auch ­Harald Zapp. Er sitzt in einem typischen Berliner Startup-Loft am Tempelhofer Ufer: die Wände aus Backstein, die Räume abgetrennt mit Glas, ein Macbook mit Stickern auf dem Tisch. Dabei verkörpert Zapp mit seinen 55 Jahren nicht unbedingt den Prototypen eines Berliner Gründers. Er kommt nicht gerade von der Uni, sondern bringt 25 Jahre Berufserfahrung im Bereich IT und Telekommunikation mit. Mit dem von ihm gegründeten Inkubator Next Big Thing hat er sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Er will das Internet der Dinge alltagstauglich machen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Zapp das versucht. 2013 baute er das Startup Relayr auf. Mit einem Starterkit namens Wunderbar wollte es der Gründer Entwicklern ermöglichen, schnell einen eigenen Prototypen rund um das Internet der Dinge aufzubauen. Doch die Wunderbar sei nur das trojanische Pferd gewesen, wie Mitgründer Jackson Bond 2016 gegenüber t3n erzählte. Dahinter stand noch eine andere Idee: Relayr entwickelte ein Dashboard, mit dem Unternehmen verschiedene Geräte miteinander vernetzen können. Ein interessantes Geschäft vor allem für die fertigende Industrie. Deshalb verbindet Relayr heute nicht mehr Toaster und App, sondern große Industrieanlagen miteinander.

Durch den Wandel des Geschäftsmodells brauchte es mehr Geld, die Seed-Finanzierung von 2,3 Millionen Euro reichte nicht mehr. Zapp versuchte, Geldgeber in Deutschland für seine Idee zu begeistern. Doch die winkten ab. Gemeinsam mit seinem Gründungsinvestor Josef Brunner ging er in die USA, warb dort um Gelder – und konnte den Kapitalgeber Kleiner Perkins für sich gewinnen. Elf Millionen US-Dollar steckte er in das Unternehmen.

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Mit der neuen Struktur brauchte es auch einen guten Verkäufer, Kontakte zu großen Unternehmen mussten aufgebaut werden. Wenn es nötig gewesen wäre, hätte er sich schon um den Vertrieb gekümmert, sagt Zapp rückblickend. Doch Brunner sei dafür „der richtige Mann“ gewesen. 2015 entschied sich der Gründer, die Chefposition an seinen Investor abzugeben. Der 35-Jährige hat genau wie Zapp schon einige Erfahrung mit Startups, sein Unternehmen Joulex verkaufte er einst für rund 100 Millionen Euro an Cisco. „Es ist ein gutes Gefühl, ein erfolgreich aufgebautes Unternehmen übergeben zu können“, sagt Zapp. Die eher internationale Ausrichtung sei nicht mehr das gewesen, weswegen er Relayr einst gegründet hatte: um das Internet der Dinge in Deutschland voranzutreiben.

Josef Brunner leitet das Startup Relayr heute. (Foto: Relayr)

Wenn Josef Brunner heute über Zapps Entscheidung spricht, dann schimmert Respekt durch. „Das Ego komplett aus der Gleichung herauszunehmen und das Beste für die Firma zu tun, das siehst du wahnsinnig selten“, sagt er. Das Ziel des Managers: Relayr soll das Betriebssystem für das Internet der Dinge werden und auch alte Geräte an das Web anschließen. Mit Bosch oder GE hat das Startup prominente Kunden. Das Wachstum macht sich auch im Unternehmen selbst bemerkbar: Als Brunner es 2015 übernahm, hatte es 40 Mitarbeiter. Mittlerweile sind es 200.

Brunner bringt zwar schon Erfahrung als Manager mit. Nach dem Verkauf von Joulex an Cisco hat er bei dem Konzern eine Führungsrolle übernommen. Trotzdem gibt es Unterschiede zu seiner jetzigen Position. Statt ein Produkt auf dem Markt platzieren, muss er sich um langfristige Themen kümmern: Skalierung, Prozesse, Profitabilität. „Wir stehen vor der nächsten Evolution des Managementteams“, sagt Brunner. „Jetzt stellen wir Leute ein, die uns vor zwei Jahren noch umgebracht hätten.“ Sie helfen etwa dabei, Strukturen in das Unternehmen einzuziehen und das Wachstum in bestimmte Bahnen zu lenken. Um die richtigen Mitarbeiter zu finden, hat sich der Relayr-Chef Hilfe geholt. Mit seinem Mentor John Chambers, dem früheren Cisco-CEO, trifft er sich einmal pro Quartal, redet er über diesen Prozess.

Der heutige Cisco-Chairman hat eine solche Phase selbst durchlaufen, hat das Unternehmen noch mit 500 Mitarbeitern gekannt. Als Chambers selbst Chef wurde, skalierte er den US-Konzern auf 70.000 Mitarbeiter, steigerte den Umsatz von einer auf 48 Milliarden Dollar. „Er hat 70, 80 Iterationen von Managementteams gesehen“, sagt Brunner. Auch wenn Relayr noch weit von der Größe entfernt sei, gebe es eine gewisse Verbindung.

Aus der Vogelperspektive

Solche Gespräche rät Heike Hölzner auch anderen Gründern. Gerade in Gründerteams fehlt die offene Reflexion über die aktuelle Rolle manchmal, weil die Mitglieder die Erwartungen der anderen erfüllen wollen. Der Blick von außen sei da wichtig: „Es hilft, mit anderen Gründern und Unternehmern zu sprechen, die selbst schon mal eine Wachstumsphase durchgemacht haben“, sagt die Entrepreneurship-Expertin. Sie hat es oft erlebt, dass sich ein Teammitglied erst einem Außenstehenden gegenüber öffnet – und dadurch auch die Mitgründer anfangen, von ihren Problemen oder Wünschen zu erzählen. In seinem Bestseller „The Hard Things About Hard Things“ schreibt Ben Horowitz, dass es zwei Arten von Freunden brauche: Einen, mit dem man gute Nachrichten teilen könne, der sich über alle Maßen für einen freue. Und einen, mit dem man schlechte Nachrichten teilen könne, der einem auch mal etwas Unangenehmes sage. Gründer brauchen im besten Fall einen Mentor mit beiden Qualitäten.

Obwohl sich die Rollen eines Gründers im Laufe der Zeit verändern, muss das aber nicht automatisch bedeuten, dass er sein Unternehmen verlässt. Es gibt noch einen anderen Weg: Er kann die Aufgaben an Manager übertragen. „Der Gründer gibt die strategische und visionäre Richtung des Unternehmens vor, für den operativen Teil stellt er sich Manager ein“, sagt Hölzner. Das beste Beispiel: Mark Zuckerberg. Der Facebook-Chef spinnt an einer umfassenden Vision, die Welt zu vernetzen. Um das Alltagsgeschäft kümmert sich derweil Sheryl Sandberg.

Ben Horowitz schreibt dazu, dass ein guter Manager Menschen einstellen müsse, die sehr viel kompetenter in ihrem Job seien, als er es selbst wäre. Aber wie findet man diese Leute ohne eigene Erfahrung in einem Bereich? Horowitz nennt drei Schritte: Definieren, was man sucht; einen Prozess aufsetzen, der genau diese Punkte abfragt; die Entscheidung allein treffen.

Diesen Rat hat auch Alexander Graubner-Müller beherzigt. Der Kreditech-Chef hat in den vergangenen Jahren Manager engagiert, die Erfahrung in bestimmten Bereichen mitbringen: Finanzchef René Griemens hat bei der Citibank und McKinsey gearbeitet, COO Oliver Prill 15 Jahre lang bei Banken, Head Data-Scientist Jose Garcia Moreno-Torres kommt aus der Machine-Learning-Forschung. Das C-Level und die Manager darunter sind gewissermaßen Graubner-Müllers „Sheryl Sandbergs“.

Alexander Graubner-Müller hat die Wandlung vom Gründer zum Manager bewältigt und führt in seinem Unternehmen Kreditech heute knapp 400 Mitarbeiter. (Foto: Kreditech)

Wenn der Kreditech-Gründer Gäste empfängt, dann führt er sie gerne auf die Dachterasse. Von dort aus lässt sich fast ganz Hamburg überblicken, der Michel, der Hafen, die Elbphilharmonie. „Die schnellste Touritour der Stadt“, sagt Graubner-Müller und grinst. Kreditech sitzt an der Haltestelle Rödingsmarkt auf drei Etagen. An einem Sommertag um 18 Uhr sind kaum noch Menschen im Unternehmen. Es strahlt eine Ruhe aus, die auch Graubner-Müller ausmacht.

Als der Kreditech-Gründer 2015 den Chefposten von ­Sebastian Diemer übernahm, war das anders. Das Startup kämpfte an mehreren Fronten um seinen Ruf. Die Verbraucherzentralen kriti­sierten das Geschäftsmodell, in den Medien beschwerten sich Mitarbeiter über die Führung, von Chaos und schlechter Stimmung war die Rede. Gleichzeitig sprach der Finanzchef über einen möglichen Börsengang, dem Startup haftete etwas Größenwahnsinniges an.

Eine der ersten Amtshandlungen von Graubner-Müller: eine Struktur einziehen. „Wir brauchten einen Unterbau für die ­Größe, die wir erreicht hatten.“ Kreditech konzentrierte sich auf das Kerngeschäft, der Gründer definierte, wer für was zuständig ist. Das war auch für Graubner-Müller eine Evolution. In der Anfangsphase sei sein Führungsstil sehr direktiv gewesen: Du machst die Powerpointpräsentation, du den Pitch, du die Stellenausschreibung. Damals habe er fünf Jobs auf einmal gemacht, erzählt er.

Jetzt sieht er als seine Hauptaufgabe, die Vision voranzutreiben. „Ich muss mir überlegen, wie ich die Leute mitnehmen kann“, sagt er. Seinen Führungsstil bezeichnet er mittlerweile als kollaborativ: Statt Leuten zu sagen, was sie tun sollen, spricht er mit anderen Managern, holt sich Feedback ein. „Vielleicht ist das die wichtigste Fähigkeit als Unternehmer: zu wissen oder herauszufinden, wer einem am Besten weiterhelfen kann.“

Auch wenn er zwischenzeitlich mit der Rolle kämpfte, beschrieb der Wandel zum Manager für ihn einen logischen Prozess. „Als Gründer habe ich mich immer gesamtverantwortlich für das Unternehmen gefühlt“, sagt er. Mit jeder neuen Phase habe sich seine Rolle verändert, daraufhin habe er sie wieder angepasst. Die Gesamtvision, die hatte er aber immer im Kopf.

Bei Ben Horowitz heißt es, dass es eigentlich nicht den richtigen CEO gebe. Es gibt nur den richtigen CEO für ein bestimmtes Unternehmen. Genauso scheint es auch bei Kreditech zu sein.

 

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