Blogosphäre: Neue Runde in der Diskussion „Blogger gegen Journalisten“: Tummelplatz für Schmierfinken
„Blogs sind meines Erachtens nur in ganz wenigen Ausnahmefällen journalistische Erzeugnisse. Sie sind eher der Tummelplatz für Menschen, die zu feige sind, ihre Meinung frei und unter ihrem Namen zu veröffentlichen.“ So äußerte sich Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), anlässlich des DJV-Verbandstages Anfang November. In seiner Rede [1] forderte er außerdem Richtlinien, „um Müll von Qualität zu trennen“ und beschwerte sich über „Schmierfinken, die sich als Journalisten bezeichnen, die aber Persönlichkeitsrechte verletzen, sich nicht an unsere Postulate wie Wahrhaftigkeit, Objektivität, Vollständigkeit halten“.
Die Reaktion der Blogosphäre ließ nicht lange auf sich warten, beispielsweise durch den bloggenden Journalisten Thomas Knüwer („Indiskretion Ehrensache“ [2], Handelsblatt). Die neuerliche Diskussion um die Qualität des heutigen Journalismus und über die Rolle von Bloggern führte schließlich zu einer Podiumsdiskussion Anfang Januar in Berlin. Unter anderem trafen hier der stellvertretende Stern-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges und Blogger DonAlphonso aufeinander. DonAlphonso hatte sich im Vorfeld die Website stern.de sehr genau angesehen und konfrontierte Jörges genüsslich mit den journalistisch zweifelhaften Inhalten – allerdings ohne wirklichen Effekt.
Zwei Stunden lang pflegte man öffentlich seine Vorurteile und redete teils grandios aneinander vorbei. Allein die Begriffsverwirrung führte zu den seltsamsten Missverständnissen. Die bloggende N24-„Chefkorrespondentin Politik“, Michaela May, warf „Blog“ und „Posting“, „Autor“ und „Kommentator“ so durcheinander, dass manchmal nur zu erraten war, was sie wirklich meinte. Und dabei bloggt sie schon ein Jahr, wie sie mitteilte.
Am Ende gab’s Schnittchen, die Grüppchen diskutierten weiter, bis sich das Buffet lichtete. Schließlich ging man auseinander, ohne dass das Abendland untergegangen wäre. Mal schauen, ob es 2008 dabei bleibt. Toi, toi, toi.
Die Weisheit der Vielen – aber wie viele sind es?
Wenn es um die Zahl der deutschsprachigen Blogs geht, klaffen die Schätzungen weit auseinander. Das konnten Dirk Olbertz und Jens Schröder nicht mehr mitansehen. Beide sind einschlägig als Statistikfreunde bekannt. Olbertz brachte der Blogwelt einst den Dienst „Blogscout“. Schröder betreibt mit den Deutschen Blogcharts [3] eine Hitliste der meistverlinkten deutschen Blogs.
Beim „Blogcensus“ nun wollen sie endlich das Rätselraten beenden, wieviele deutschsprachige Weblogs es gibt. „Mit speziell konzipierten Suchmechanismen und redaktioneller Pflege der Datenbank sollen alle deutschsprachigen Blogs gefunden werden“, heißt es auf der Website [4].
Im (bei Redaktionsschluss) aktuellsten Report vom Dezember 2007 kam der „Blogcensus“ auf 125.800 deutschsprachige Blogs, die in den vergangenen zwei Monaten aktualisiert wurden. Die Aktualisierung wird anhand des RSS-Feeds der Blogs überprüft.
In den vergangenen vier Monaten wurden 165.500 Blogs aktualisiert und weitet man den Rahmen auf sechs Monate aus, sind es 202.700. Da ein Blog aber wohl nur als lebendig angesehen werden kann, wenn es regelmäßig aktualisiert wird, kann man also von rund 100.000 deutschsprachigen Blogs ausgehen.
Dabei haben Dirk Olbertz und Jörg Schröder nach Möglichkeit Spam und anderen Müll per Hand entfernt. Eine Sysiphus-Arbeit, die Jörg Schröder von seinen Deutschen Blogcharts bereits kennen dürfte: Denn dort greift er zwar auf die öffentlich zur Verfügung gestellten Zahlen der Blog-Suchmaschine Technorati [5] zurück, korrigiert diese aber händisch, um für seine Hitliste nur aktiv gesetzte Links zu zählen. Automatische Links beispielsweise in Layoutvorlagen für Blogs filtert er heraus.
Ein weiteres Ergebnis des „Blogcensus“ zeigt, welche Blogsysteme genutzt
werden. Ein selbst installiertes WordPress führt dabei mit etwas mehr
als 20 Prozent Marktanteil. Danach folgen
myblog.de (11,7 Prozent),
spin.de (11,5 Prozent), Blogger/Blog-spot.com (10,6 Prozent) und
myspace (7,8 Prozent). Das nächste selbst installierte System ist erst
wieder Serendipity auf Platz 18 mit 0,4 Prozent.
Zu genau sollte man die Ergebnisse allerdings noch nicht unter die Lupe nehmen, das sagen die Macher selbst: „Da wir die Blogcensus-Technik weiterhin ständig verbessern, bitten wir, dieses Ranking weiterhin mit etwas Vorsicht zu genießen. Wir stehen zwar im Großen und Ganzen hinter den Zahlen, aber kleinere Unkorrektheiten können vorerst weiterhin nicht ausgeschlossen werden“, hieß es bei der Vorstellung der Dezember-Ergebnisse.
Und noch mehr Charts: Rivva Leitmedien
Die Blogosphäre hat außerdem eine neue Hitliste: die Rivva Leitmedien. Hintergrund: Auf Rivva.de zeigt eine automatisch generierte Seite, welche Artikel derzeit besonders viel von Blogs verlinkt und somit diskutiert werden. Aus diesen Verlinkungen entstehen die neuen Charts, täglich aktualisiert [6].