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Die Unternehmenskultur auf stetigen Wandel ausrichten: Innovate! Change! Disrupt! Repeat!

Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Viele Unternehmen spüren den Druck, sich in einer digitaleren Welt erneuern zu müssen. Warum das nötig ist – und wie sie das schaffen können. Eine Analyse in vier Schritten.

9 Min. Lesezeit
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(everything possible/shutterstock)

Dass zum Leben eines Konzernchefs eine Schwimmweste und Cowboystiefel gehören können, hat Dieter Zetsche wahrscheinlich nicht vermutet, als er vor mehr als zehn Jahren sein Amt als Daimler-Vorstandsvorsitzender antrat. Doch in diesem Frühjahr sorgten diese Accessoires für mehr gute Presse als der letzte Autotest der modernisierten E-Klasse. In einem launigen Sicherheitsvideo begrüßte Zetsche die deutsche Delegation mit Sauerstoffmaske und Schwimmweste auf einem Sonderflug zur Digitalmesse South by Southwest (SXSW), vor Ort in Austin verzichtete er nicht nur auf Krawatten, sondern stieg in Boots auf die Bühne. Was vor einigen Jahren als exzentrischer Ausflug eines Konzernlenkers durchgegangen wäre, wird heute als Marketingcoup bejubelt.

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Denn bei Daimler hat sich auch einiges getan. Angetreten ist Zetsche 2006 als Chef eines Autoherstellers – spätestens seit 2015 bezeichnet sich der Stuttgarter Konzern offiziell als „vernetzter Mobilitätsdienstleister“. Das Aushängeschild – wenn auch in der Regel in den roten Zahlen – ist das Digitalgeschäft: Car2Go, Mytaxi, Moovel, Mercedes.me heißen die Einheiten bei den Stuttgartern, die mal näher dran, mal weiter weg vom alten Kerngeschäft liegen. Ein Sprung auf ein neues Level, um nicht irgendwann Game Over zu gehen.

Denn dieses Schicksal hat auch Unternehmen schon getroffen, die eigentlich erfolgreich waren: Von den 500 Großunternehmen, die 1955 auf der Fortune-Liste der umsatzstärksten Unternehmen auftauchten, existierten 2015 noch exakt 61. Um nicht in der aktualisierten Variante dieser Liste zu erscheinen, versuchen viele Unternehmen, sich zu wandeln – um langfristig zu bestehen. Das passiert aus denselben Gründen, aus denen Amazon hochgeschätzt wird, Kodak pleitegegangen ist und unzählige Unternehmen aktuell Inkubatoren gründen, Zukäufe tätigen und Chief Digital Officer installieren: Weil sich Innovation verändert hat. Weil Unternehmen sich ändern müssen (und manche das auch wollen). Weil sie dafür Veränderung tief in ihrer Struktur verankern müssen. Und weil all das ziemlich schmerzhaft sein kann. Der Weg zum Wandel wird dabei selten rein spielerisch gelingen. Durch vier Level aber müssen alle durch – ob Dax-Konzern oder Design-Agentur.

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Innovate: Das neue Neue

Früher ging es häufig um Details in der Alltagsarbeit, die den Unterschied zwischen solide und sehr erfolgreich markierten: Das Produkt war ein bisschen ausgefeilter als das der Konkurrenz, die Logistik funktionierte besser als beim Wettbewerb oder der Preis war das entscheidende Stück tiefer. Diese stetige und schrittweise Verbesserung hatten insbesondere deutsche Unternehmen lange Zeit perfektioniert – die so genannte inkrementelle Innovation machte aus mittelständischen Betrieben und Auto- und Chemiekonzernen Weltmarktführer.

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Jetzt ist es unruhig geworden in den Chefetagen. Die Vordenker haben festgestellt, dass der alte Weg nicht mehr – oder nicht mehr lange – reicht, um vorne mit dabei zu sein. Aus den Tiefen der digitalen Welt und aus Garagen an der US-Westküste sind Wettbewerber entstanden, die die tradierten Unternehmen attackieren. Als Zetsche sein Amt als Daimler-Chef antrat, dauerte es noch knapp drei Jahre bis zur Gründung von Uber. Heute wird der Anbieter bereits an der Börse höher bewertet als die US-Autokonzerne General Motors und Ford. Die neue Frage für Unternehmen ist heute: Was wollen sie sein – und was wollen sie werden? Und sie setzt tief an: Firmen muss es gelingen, eine neue Wandelbarkeit tief im Konzern zu verankern.

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Ein Problem: Weil sich die Innovationsgeschwindigkeit überall deutlich erhöht, wird es schwieriger, verlässliche Prognosen abzugeben. „Man hat es sehr viel stärker mit einer Unsicherheit zu tun, was die Zukunft angeht“, sagt Claus Herbolzheimer, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman.

Ein zweites Problem: Die Abgrenzungen sind nicht mehr klar. Eine Schraube ist eine Schraube ist eine Schraube. Amazon hingegen legte als Online-Buchhändler los, entdeckte irgendwann das Potenzial der eigenen riesigen Rechenzentren, verbucht aktuell jährlich Rekordgewinne im Cloud-Geschäft und nimmt sich Schritt für Schritt andere Bereiche wie das Videostreaming vor. Die digitale Welt befeuert das: Ein Autokonzern kann über Telemetrie-Daten auch gleich Versicherungstarife anbieten, ein Telekommunikationsunternehmen das Smart Home mitvernetzen, ein soziales Netzwerk über seine Nachrichtenkanäle einen ganzen Shoppingkanal abbilden. Ein Ende ist nicht in Sicht: „Viel Musik spielt an den Schnittstellen zwischen den Branchen“, sagt Kai Bender, zuständig für die IT-Practice bei Oliver Wyman in Deutschland. „Je mehr Daten nutzbar werden, desto eher werden sich Geschäftsfelder für Unternehmen auch außerhalb ihres angestammten Bereichs ergeben.“

Change: Wandel von innen

„It is still Day One“, sagt Amazon-Chef Jeff Bezos. Klingt gut. Nur: Wenn man bald 400.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, ist so etwas leichter gesagt als umgesetzt. Je größer Firmen werden, desto schwieriger fällt Flexibilität. Je mehr Strukturen existieren, desto komplizierter bleibt es, wandelbar zu bleiben. Aber: Unternehmen  können heute leichter ausprobieren. Weil etwa IT-Infrastruktur aus der Cloud gemietet werden kann. Und wer eine gute Idee hat, wird in vielen Fällen die Software finden, die ihm helfen kann. „Der Zugang zu den Möglichkeiten, um Innovation zu erzeugen, ist leichter geworden“, sagt Bender. Wandel an sich ist erst einmal einfacher geworden.

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Ohne die passende DNA im Unternehmen bleiben das jedoch hilflose Versuche. „Der Umbau zu einer höheren Innovationsgeschwindigkeit ist dem Wesen nach ein ganz anderer Prozess als alles, was wir vorher gesehen haben“, sagt Bender, der gemeinsam mit Herbolzheimer im vergangenen Jahr ausführlich untersucht hat, wie Traditionsunternehmen den Sprung in die digitale Welt schaffen können.

Ein Hauptunterschied: Die Strategie muss von oben kommen – die Umsetzung jedoch von allen getragen werden. „Aus Sicht der Unternehmensspitze hat das viel mit Loslassen zu tun“, sagt Herbolzheimer. Wer sich wandeln will, muss Kontrolle abgeben. Wer flexibel auf Veränderungen reagieren will, darf keine langen Berichtsketten und Entscheidungswege dazwischenschalten. Hewlett Packard galt viele erfolgreiche Jahre als Vorreiter dieses Prinzips. Irgendwann konzentrierten Firmenchefs dann viel Macht an der Spitze und bremsten Motivation und Mitarbeiter aus. Jetzt hat sich der Konzern aufgespalten und will sich auf diese Weise langsam wieder an alte Flexibilität und Geschwindigkeit herantasten.

Viele Wege führen dabei ins „digitale Rom“: Unternehmen können eigene Kapazitäten aufbauen (wie Google seinen internen Inkubator Area 120), sich aus den laufenden Umsätzen des etablierten Geschäfts potenzielle Innovationstreiber zukaufen (wie Facebook mit Whatsapp und Instagram), oder sie kopieren (wie Facebook mit Instagram-Stories die Snapchat-Stories) oder näher an agile Startups rücken (Berlin zählt aktuell alleine acht große Firmeninkubatoren von börsennotierten deutschen Konzernen – von Axel Springer bis zur Lufthansa). „Build, buy, partner“ heißt der handwerkliche Dreiklang hin zu neuen Ideen und Einheiten. Ohne Strategie ist das jedoch nur ein teurer und sinnfreier Spaß. Viel tun heißt nicht automatisch, dass viel erreicht wird. „In viele Unternehmen herrscht die Erkenntnis vor, dass man alles eigentlich schon gestern geschafft haben müsste“, sagt Herbolzheimer, „daraus entsteht auch ein gewisses Maß an Aktionismus.“

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Disrupt: Alles ist nichts

Mehr ausprobieren klingt gut. Mehr Flexibilität ist wichtig. All das kann aber auch gefährlich sein: Denn mit jeder neuen Einheit, mit jedem zusätzlichen Geschäftsfeld wird das Profil eines Unternehmens verwässert. Die Börse guckt gewöhnlicherweise sehr streng auf undurchsichtige Konglomerate, man denke nur an die Probleme von Rocket Internet am Aktienmarkt. Und Großinvestoren drängen bei Konzernen darauf, dass irgendwann aufgespalten wird – Bayer brachte in den vergangenen Jahren erst den Spezialchemieanbieter Lanxess und dann den Werkstoffproduzenten Covestro an die Börse. Vor allem das Wörtchen „Dienstleister“ ist dabei in den vergangenen Jahren schwer in Mode gekommen – und verrät erst einmal nichts. Auch kleine Digitalunternehmen können in die Falle tappen – etwa Design-, Design-Thinking-, Innovations-, Web-, und Kommunikationsagenturen in Berlin und anderswo: Sie setzen in erster Linie auf ein Image. Welche Leistung konkret für welche Zielgruppe verkauft wird, lässt sich häufig nicht mal nach einem Blick auf die Homepage entdecken. Nur noch bei der Agentur für Arbeit kann man sich wirklich sicher sein, was einen erwartet. Mit einer über viele Jahre geschaffenen Marke hat man sich Vertrauen bei den Kunden verdient. Wer plötzlich auf ganz andere Felder setzt, kann die schnell verprellen.

Dazu kommt: Wandel kostet. Mercedes‘ große Digitaloffensive etwa fällt in einen Zeitraum, in dem das Unternehmen in regelmäßigen Abständen neue Umsatz- und Absatzrekorde vermelden kann. Zugespitzt gesagt: Weil das tradierte Geschäftsmodell Autoverkauf in China gerade so glänzend läuft, ist in der Zentrale in Stuttgart einiges an Taschengeld für Experimente übrig. Wer alleine in den ersten drei Monaten 2017 vier Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern verdient, hat ein paar Euro über, um die SXSW in einer Miniversion im Herbst nach Frankfurt zu exportieren (und auch für das ein oder andere Paar Cowboystiefel). Fotopionier Kodak entdeckte das Digitalgeschäft durchaus für sich – aber erst zu einem Zeitpunkt, als das Geld schon knapp wurde.

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Das zeigt: Früh investieren ist wichtig – und doch so schwierig. Als hämisches Beispiel gilt oft die Anekdote, dass die Videotheken- Kette Blockbuster um die Jahrtausendwende die Chance verpasste, Netflix für einen niedrigen Millionenbetrag zu übernehmen. Nur: Ob sich das Unternehmen – damals noch ein Versender von DVDs – unter dem Blockbuster-Dach genauso entwickelt hätte, ist in der Rückschau nicht zu beurteilen. In Deutschland fragte die Deutsche Post vor einigen Jahren bei den großen Automobilkonzernen an, wer günstige Elektrotransporter bauen wolle. Alle Gefragten lehnten ab – jetzt sorgt die Post für Furore, weil sie kurzerhand selbst eine Produktion aus dem Boden stampfte. Der „Streetscooter“ rollt so gut, dass die Fertigung verdoppelt werden soll.

Repat: Endgegner Eigenständigkeit

In großen Firmen können Leuchtturmprojekte helfen, in denen einige Mitarbeiter in relativ kurzer Zeit etwas Neues schaffen – und so dem Rest der Firma zeigen, dass es auch anders, schneller, vielfältiger gehen kann. „Einzelne Projekte reißen zumindest Teile der Organisation mit“, sagt Bender, „und dadurch wird das ganze Unternehmen ein Stückchen schneller.“ Dass die Chefs dabei mitziehen, sollte selbstverständlich sein – auch wenn sie dafür mehr tun müssen, als alte Machtinsignien beiseite zu legen. „Wenn der Vorstand die Krawatten ablegt, ist das noch nicht genug“, sagt Herbolzheimer. Alternativ helfen Galionsfiguren für die digitale Welt – solange die neuen Chief Digital Officer und Innovationsverantwortlichen tatsächlich etwas verändern dürfen und nicht nur ein Feigenblatt aus Bits und Bytes sind, um die offenen Flanken einer analogen Organisation zu bedecken. Das Risiko ist dabei inklusive: Immer wieder wird etwas schiefgehen – und das passt häufig nicht in ein klassisches Karriereprofil. „Scheitern hat keinen besonders guten Leumund in Deutschland“, sagt Bender.

„Do the right thing“ ist seit zwei Jahren das neue Leitmotiv der Google-Mutter Alphabet. Ganz ähnlich klang bereits vor mehr als 100 Jahren ein ähnlicher Leitspruch: Mit „Think“ marschierte Thomas Watson voran, als er die Vorläufer von IBM gründete. Die Gefahr, nur eine hohle Marketingphrase zu verbreiten, ist heute wahrscheinlich noch höher als 1911. Solch ein Slogan kann aber nicht nur nach außen wirken. Insbesondere für den Zusammenhalt innerhalb des Unternehmens kann er die zentrale DNA abbilden: Die richtige Idee, die richtigen Worte für ein Unternehmen bieten die Chance, den kleinsten gemeinsamen Nenner für eine immer vielfältigere Produktpalette zu finden – und damit einen beständigen Nukleus, der drumherum Flexibilität ermöglicht.

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Wer nur seinen eigenen Arbeitsplatz verteidigen muss, hat weder Kraft noch Lust auf neue Projekte. Wenn ständig neue Firmen hinzugekauft werden oder Abteilungen abgestoßen werden, steigt eher die Unsicherheit als die Abenteuerlust. Fühlen sich die Mitarbeiter dagegen emotional an ein Unternehmen gebunden – und das ist nach jüngsten Zahlen nur etwa ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer –, dann geht der Blick auch über die eigene Stellenbeschreibung hinaus. „Wie sehr bleibe ich in meiner eigenen Welt verhaftet – und wie sehr höre ich dem Kunden zu“, fasst Bender zusammen. Die Gadgets Schwimmweste und Cowboystiefel, die man auf diesem Weg einsammelt, dienen dann tatsächlich nur für Marketingzwecke. Und nicht, um sich und das Unternehmen in rauer See über Wasser zu halten oder das nächste Feuer auszutreten. Zumindest für den Moment. Denn wenn es um den steten Wandel von Mitarbeiter und Unternehmen geht, ist das Spiel nie zu Ende.

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