Mit „ansteckenden“ Ideen gezielt Mundpropaganda auslösen: Viral Marketing
Die klassische Massenkommunikation wird immer ineffizienter. Anzeigen werden einfach überblättert, Plakate ignoriert und in der Fernsehwerbepause wechseln viele Konsumenten den Sender oder gehen in die Küche. Obwohl immer mehr Experten einen Wandel im Umgang mit Werbung signalisieren, setzen viele Unternehmen weiterhin auf Strategien, die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Ursprung haben, wie beispielsweise der 30-Sekunden-Spot im Fernsehen. Die scheinen aber immer weniger im Einklang mit dem Lebensstil vieler Konsumenten zu sein. Und anstatt auf neue Erfolg versprechende Strategien und Taktiken zu setzen, erhöhen viele Unternehmen einfach nur die Flut an klassischen, meist unterbrechenden und aufdringlichen Werbemaßnahmen. Die Folge: Immer mehr Konsumenten filtern wo immer sie können ungewollte Werbung aus ihrer Wahrnehmung. Dabei ist das generelle Interesse an Produkten, Dienstleistungen oder Marken nicht erloschen. Ganz im Gegenteil: Die Mehrheit der Konsumenten setzt sich sogar gern mit werbenden Inhalten auseinander, jedoch zu der Zeit und den Bedingungen, die sie bestimmen.
Der stärkste Hebel bei Kaufentscheidungen
Mundpropaganda, die wahrscheinlich älteste Form des Marketings, ist der stärkste Hebel für die Kaufentscheidung, egal, ob es sich um Produkte oder Dienstleistungen handelt. Und nicht nur das: Selbst die Steigerung der Markenbekanntheit wird mit herkömmlicher Werbung immer häufiger zur kostenintensiven Luftnummer. Konsumenten sind gegenüber klassischen Werbebotschaften mittlerweile so kritisch eingestellt, dass ihr persönlicher Abwehrschild nur selten eine Lücke für neue Produkte und Dienstleistungen lässt.
Was ist Viral Marketing?
Viral Marketing beschreibt das gezielte Auslösen und Kontrollieren von Mundpropaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistungen. Viral Marketing baut auf den Forschungsergebnissen unterschiedlicher Wissenschaftszweige wie etwa der Psychologie, der Sozialwissenschaften oder der Evolutionstheorie auf und integriert Erfahrungen der unternehmerischen Praxis. Dadurch entstand in den letzten Jahren ein Arsenal an Strategien und Taktiken zur Planung, Durchführung und Kontrolle von Marketingaktionen, die gezielt soziale Epidemien auslösen sollen. Der Begriff „Viral“ ist dabei eine Assoziation zur Medizin: Wie ein Virus sollen sich Informationen über ein Produkt oder eine Dienstleistung innerhalb kürzester Zeit von Mensch zu Mensch verbreiten.
Kundenempfehlungen versus virale Werbung
Beim Begriff Mundpropaganda kommen zuallererst Kundenempfehlungen in den Sinn. Jemand sucht beispielsweise nach einer neuen Spülmaschine und fragt eine Kollegin, welche Marke verlässlich sei. Ist die Gefragte mit ihrer Maschine von „Bauknecht“ seit Jahren zufrieden, so ist es wahrscheinlich, dass sie diese Marke weiterempfiehlt. In diesem Sinne propagieren Menschen bewusst verlässliche Handwerker, vertrauenswürdige Anwälte oder auch einen kompetenten Steuerberater. Für das Viral Marketing ist diese Art von Empfehlungen jedoch weniger interessant, da sie aus einer innigen, teilweise jahrelangen Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde herrühren. Die Einflussmöglichkeiten des Unternehmens auf Zahl und Art der Empfehlungen sind vergleichsweise gering. Nur wer von Anfang an mit der Qualität seiner Leistung den Kunden überzeugt, hat eine Chance darauf, solche Weiterempfehlungen zu erhalten.
Für das Virusmarketing sind vor allem „Gelegenheitsempfehlungen“ relevant, also Empfehlungen, die nicht auf langfristigen Beziehungen mit einer Marke oder einem Unternehmen beruhen, sondern sich kurzfristig, situativ ergeben und dadurch instrumentalisierbar sind. Hierzu zählen unspezifische Empfehlungen wie Gerüchte und Geschichten, aber auch spezifische Tipps wie etwa der Hinweis auf eine interessante Website, die Empfehlung eines Shareware-Programms oder eines lustigen Werbeclips. Mit Sicherheit haben auch Sie schon eine Powerpoint-Präsentation, PDF-Datei oder Bilddatei erhalten, die Sie an ein paar Freunde weitergeleitet haben. Den meisten Menschen fällt jedoch nicht auf, dass viele dieser Dateien von Unternehmen in Umlauf gebracht wurden, um damit beispielsweise gezielt die Bekanntheit einer bestimmten Marke zu steigern.
Warum ist das Internet besonders?
Grundsätzlich ist Viral Marketing an kein spezifisches Medium gebunden. Es ist jedoch kein Zufall, dass gerade mit der Entwicklung des Internets die Diskussion und die Ideen über das gezielte Auslösen von Mundpropaganda eine Renaissance erlebten. Grund dafür sind die enormen Geschwindigkeiten, mit denen sich Informationen mittels Websites, Foren oder E-Mails quasi exponentiell verbreiten können. Nur wenige Gerüchte und Geschichten erreichen außerhalb des Internets überhaupt eine kritische Masse. Wenn jemand in der Offline-Welt eine Empfehlung aussprechen will, so ist der Empfängerkreis dieser Empfehlung durch die zur Verfügung stehende Zeit und die Reichweite des Empfehlers begrenzt. Ein normaler Mensch trifft nur eine Handvoll guter Bekannte in der Woche. Und es ist unwahrscheinlich, dass jemand zum Telefon greift und alle seine Freunde anruft, nur um ihnen eine Empfehlung für ein Produkt auszusprechen. Anders verhält es sich online. Bei einer E-Mail muss der Nutzer beispielsweise nur kurz den Weiterleitungs-Button betätigen, die Adressen von Freunden, Kollegen und Bekannten im Adressbuch selektieren und auf „Senden“ drücken. Schon ist die Empfehlung abgegeben.
Wie kommt man „ins Gespräch“?
Drei wesentliche Elemente müssen gegeben sein: |
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Der Kern jeder viralen Kampagne ist das Kampagnengut. Nur wer etwas bietet, worüber es sich zu reden lohnt, kann überhaupt auf Erfolg hoffen. Dabei stellt das Kampagnengut in der Regel nicht die Leistung dar, die eigentlich verkauft werden soll, sondern es dient als Köder. Die Suchmaschine Google zieht User in der ganzen Welt an, Geld verdient das Unternehmen aber vornehmlich über Werbeeinnahmen, wie zum Beispiel über die so genannten Sponsored Links von AdWords oder mit der Lizenzierung seiner Suchtechnologie. Ein Kampagnengut muss also vor allem einen hohen Gesprächswert haben, beispielsweise einzigartig unterhaltsam sein oder einen außergewöhnlichen Nutzwert bieten. Die Bereitstellung sollte zumindest in Teilen kostenlos sein und es muss einfach weiterzuleiten sein beziehungsweise es muss einfach sein, darüber zu erzählen.
Einen großen Hit landete im Jahr 2005 der Dessous-Hersteller Victoria’s Secret mit einem Poker-Spiel. Zur Einführung einer neuen Kollektion konnten Interessierte unter der Domain pinkpantypoker.com mit den Modells des Modeherstellers (männlich und weiblich) eine virtuelle Runde Strip-Poker wagen und so spielerisch die neuen Produkte kennen lernen. Keines der Modelle zog sich komplett aus. Ziel war aber auch nur, geschickt die Aufmerksamkeit auf die modischen Dessous zu lenken, was dem Modehersteller so kosteneffizient gelang. Hunderttausende leiteten Empfehlungen zum Pink Panty Poker an Kollegen, Freunde und Bekannte weiter.
Neben dem Kampagnengut sind auch die Begleitumstände wichtig. Die schnelle Verbreitung und die ausreichende Verfügbarkeit eines Kampagnenguts müssen schon vorab sichergestellt sein – sonst können alle Bemühungen ins Leere laufen. Ausreichende Serverkapazitäten und gute Presseinformationen sind nur zwei Stichpunkte auf der Liste zur Vorbereitung einer viralen Kampagne. Nur weil die österreichische Multimedia-Agentur Edelweiss ausreichend Downloadkapazitäten zur Verfügung stellte,###YEEIMAGE###konnte
der Ansturm auf ihr Viral-Game „Yeti Sports Part 1“ befriedigt werden.
Allein in den ersten fünf Tagen nach Veröffentlichung zählten die
Server von Edelweiss über 550.000 Downloads.
Von nichts kommt nichts – das gilt auch fürs Viral Marketing. Deshalb ist es sinnvoll, Konsumenten für die „Empfehlungsarbeit“ nach Möglichkeit zu belohnen, sei es durch Rabattgutscheine, kostenlose Prämien oder die Teilnahme an einem Preisausschreiben. Damit eine Belohnung auch den richtigen Zweck erfüllt, sollte sie jedoch in Beziehung zum Unternehmen stehen. Belohnungen sind nicht unabdingbar, erhöhen aber die Chance der Verbreitung des Kampagnenguts erheblich.
Das nordamerikanische Lederfachgeschäft Danier lobte während seiner viralen Kampagne täglich einen Einkaufsgutschein über 500 Dollar aus, der unter allen Nutzern, die eine Empfehlung für das Geschäft aussprachen, verlost wurde. Damit schlug das Unternehmen drei Fliegen mit einer Klappe: 1. Niedrige Werbekosten, 2. Nur die Nutzer sprechen eine Empfehlung aus, die Interesse an Lederwaren haben (natürlicher Filter), 3. Alle Gewinner werden automatisch zu Kunden. Folgekäufe dieser Klientel sind hochgradig wahrscheinlich.
Die Revolution in der Massenkommunikation
Kaum ein anderes Marketinginstrument hat jemals ein so großes Potenzial gehabt, die klassische Massenkommunikation zu revolutionieren. Nicht unbedingt, weil die Verbreitung der Marketingbotschaft durch den „Kundenmund“ wesentlich kostengünstiger ist, sondern vielmehr, weil virale Kampagnen die natürlichen Beziehungen und Kommunikationswege in menschlichen Netzwerken ausnutzen. Weil eine Botschaft den aufdringlichen Charakter eines Werbeversprechens verliert, indem sie von Freund zu Freund weitergetragen wird, können enorme Potenziale in der Kundenkommunikation erschlossen werden.