Lukasz Gadowski über deutsche Startups, Trends und die Finanzkrise: „Das wichtigste ist ein Kopf, der sagt wo’s lang geht“
T3N Magazin: Herr Gadowski, Ende Oktober fand der europäische Ableger der Web 2.0 Expo zum zweiten Mal nach 2007 in Berlin statt. Haben Sie den Eindruck, dass sich Berlin zum Zentrum der europäischen Startupszene entwickelt?
Lukasz Gadowski: Ich würde nicht sagen zu dem Zentrum, aber zu einem der Zentren. Anders als in den USA, wo sich alles sehr stark im Silicon Valley konzentriert, ist Europa wesentlich dezentraler. In Deutschland ist Berlin definitv das Zentrum, wobei es natürlich auch in München, Hamburg oder Köln ein paar Startups gibt. Die drei großen europäischen Startup-Zentren sind aus meiner Sicht Berlin, London und Paris.
T3N Magazin: Sie beraten seit einigen Jahren sehr aktiv Startups. Welche drei Tipps würden Sie Leuten geben, die gerade planen, mit ihrer Geschäftsidee ein Startup zu gründen?
Lukasz Gadowski: Der erste wichtige Punkt bei der Gründung ist die Motivation: Nur wenn die zu 100 Prozent stimmt und die Gründer wirklich mit Herz und Seele bei der Sache sind und von ihrer Idee begeistert sind, kann das Ganze erfolgreich verlaufen. Als zweites würde ich einem Gründer raten: Wähle das Gründerteam klug aus. Ich finde es wichtig, bei der Wahl seiner Gründungspartner nicht unbedingt darauf zu schauen, dass man mit ihnen befreundet ist, sondern ein bisschen analytischer an die Sache heranzugehen. Jeder hat Stärken und Schwächen und es ist ja kein Freunschaftsbruch, wenn man mit jemanden nicht gründen möchte. Zuletzt sollten Gründer natürlich darauf achten, ein gutes Geschäftsmodell zu haben. Ich empfehle potenziellen Gründern, schon früh mit Leuten zu reden, die Erfahrung haben und dabei keine Scheu davor zu haben, ihre Idee zu benennen. Schließlich ist eine Idee nichts wert, die Umsetzung ist es. Und der Ideengeber ist auch der beste Umsetzer, weil er derjenige ist, der mit Herzblut daran hängt. Sicher gibt es auch Leute, die versucht sind Ideen zu kopieren. Aber das ist eine absolute Minderheit. Die meisten Leute haben schließlich selbst genug zu tun. Wenn Sie mir jetzt fünf spannende neue Ideen nennen, sage ich danke und schreibe sie auf die Liste mit den zehn anderen spannenden Ideen – aber mein Tag hat deshalb noch immer keine 48 Stunden, sodass ich die Ideen auch umsetzen könnte.
T3N Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler, die Startups begehen?
Lukasz Gadowski: Problematisch ist oft die Anteilsverteilung, die so ein bisschen wie der Genpool eines Unternehmens ist. Wenn man da einen Fehler macht oder die Verteilung der Anteile nicht optimal ist, wirkt sich das später negativ aus. Ein weiterer typischer Fehler ist, dass die IT nicht gut genug gemacht wird, weil sie unterschätzt wird. Ich habe den Fehler selber auch schon gemacht. Man denkt sich womöglich, die Applikation ist doch eigentlich gar nicht so schwer und trotzdem steckt der Teufel dann im Detail. Man kämpft als Startup ja an vielen Fronten. Und wenn man dann plötzlich noch eine Extrafront hat, kann das sogar soweit gehen, dass es ein Startup killt.
T3N Magazin: Wie setzt sich ein optimales Gründerteam Ihrer Ansicht nach zusammen?
Lukasz Gadowski: Das wichtigste ist ein klarer Leader, der sagt, wo es lang geht, der von allen akzeptiert ist und der auch stark genug ist, sich als Persönlichkeit gegen alles mögliche durchzusetzen. Darüber hinaus ist wichtig, dass alle wichtigen Bereiche im Team abgedeckt sind. Welche Bereiche das sind, hängt stark vom Geschäftsmodell ab. Das Reiseunternehmen Triphunter zum Beispiel, das ich mit auf den Weg gebracht habe, muss auf der einen Seite Reisen sehr gut einkaufen und auf der anderen Seite eine Community aufbauen, um die Reisen wieder zu verkaufen. Die brauchen also zwei Leute: Einen der sehr gut einkaufen und verkaufen kann und einen, der sich um die ganzen Prozesse kümmert.
T3N Magazin: Und wie schätzen Sie die Rolle des Entwicklers ein?
Lukasz Gadowski: Ein Entwickler muss nicht unbedingt Teil des Gründerteams sein, aber man sollte nichtsdestotrotz einen guten haben. Wenn sich jemand scheut, von Anfang an volles Risiko zu gehen, kann man auch ein Modell finden, bei dem man nur ein paar Anteile vergibt und trotzdem gut bezahlt am Anfang. Aber da gibt es verschiedene Herangehensweisen.
T3N Magazin: Wenn man die deutsche Gründerszene mit der amerikanischen vergleicht, gibt es da deutliche Unterschiede? Und wo können und sollten sich deutsche Gründer etwas von den amerikanischen abschauen?
Lukasz Gadowski: Es gibt deutliche Unterschiede. Amerika ist beispielsweise eine viel größere Volkswirtschaft und zudem vor allem im Internet viel weiter auf der Lernkurve. Sie sind uns immer ein paar Jahre voraus. Durch diesen Fortschritt haben amerikanische Startups natürlich auch als erste die Ideen. Es heißt zwar immer, dass deutsche Startups keine eigenen Ideen haben. Das liegt aber nicht daran, dass die Deutschen so unkreativ sind, sondern an dem Vorsprung der Amerikaner auf der Lernkurve – dadurch ist auch die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass dort neue Ideen zuerst entstehen. Die haben Probleme, die wir hier noch gar nicht kennen. Ein anderer großer Unterschied ist das sogenannte unternehmerische Ökosystem, also die Menge aus erfahrenen Fachkräften, unternehmerischen Leuten, Business Angels und Kapitalgebern. Dieses Ökosystem ist hier in Deutschland nicht so stark entwickelt wie in Amerika.
T3N Magazin: Haben Sie das Gefühl, dass Universitäten und Hochschulen in Deutschland genug tun, um ihren Studenten Gründergeist einzuhauchen?
Lukasz Gadowski: Auf keinen Fall. Die tun im Prinzip gar nichts in diese Richtung. Nehmen wir mal BWL als Beispiel: Es gibt in Deutschland Heerscharen von BWL-Studenten – und alle werden zu Wissenschaftlern ausgebildet. BWL ist aber keine Wissenschaft, das ist ein Handwerk. Physik ist eine Wissenschaft. IT ist irgendetwas dazwischen, aber im Prinzip ist es ja auch eher praktisch orientiert und wird auch so gelehrt. Aber besonders im Bereich BWL ist die Lehre ein Witz. Viele Studenten wollen später ihr Business machen, also sollte man sie auch dazu ausbilden.
T3N Magazin: Gibt es positive Beispiele für Bildungseinrichtungen mit Gründerfokus?
Lukasz Gadowski: In Richtung Unternehmertum eigentlich gar nicht oder kaum. In Richtung Praxisorientierung stechen die Privatuniversitäten etwas hervor, zum Beispiel die WHU in Vallendar bei Koblenz, die HHL in Leipzig oer das das Hasso Plattner Institut in Potsdam. Das läuft zwar eher in Richtung Beratung und Investment Banking und nicht in Richtung Unternehmertum, aber das ist schonmal ein Schritt in die richtige Richtung. Und dann gibt es an einzelnen Stellen noch Initiativen, wie zum Beispiel die UnternehmerTUM in München (Zentrum für Innovation und Gründung, Anm. d. Red.). Aber eben nichts in der Breite.
T3N Magazin: Sie bezeichnen Ihr Anfang September gegründetes Unternehmen „Team Europe Ventures“ als „Internet Konglomerat“, vermutlich auch wegen der vielen Themenbereiche, in denen Sie aktiv sind. In welchen Bereichen sehen Sie derzeit besonders interessante Gründungen?
Lukasz Gadowski: Da gibt es verschiedene. Zum einen alles, was irgendwie transaktionsorientiert ist. Das können E-Commerce-Modelle, Marktplatzmodelle oder auch Spiele sein, die transaktionsorientiert sind, zum Beispiel Browserspiele. Auch Werbemodelle in den Bereichen Community oder Content sind nicht uninteressant, aber sehr schwierig, da würde ich selber nichts gründen, sondern nur in Sachen investieren, die schon laufen. Zum anderen wird der Bereich Mobile im Laufe des nächsten Jahres ein großes Thema werden und in 2010 den endgültigen Durchbruch erlangen. Zuletzt sind natürlich nach wie vor technikorientierte Sachen interessant, bei denen jemand eine neue Technologie auf den Markt bringt und an der Speerspitze des Internets Probleme löst. Das Beispiel FON finde ich persönlich sehr cool, da hier jemand den Bedarf nach einer möglichst flächendeckenden Wifi-Abdeckung erkannt hat und das Thema angegangen ist.
T3N Magazin: Haben Sie den Eindruck, dass die derzeitige Finanzkrise ein Bremser für Gründer sein wird?
Lukasz Gadowski: Die Finanzkrise schafft auf jedenfall Unsicherheit. Und definitiv ist es im Moment für ein Unternehmen schwieriger, eine Finanzierung oder Folgefinanzierung zu bekommen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch weniger Konkurrenz, weil weniger Leute gründen. Und weniger Konkurrenz bedeutet weniger Wettbewerb – sowohl unter den Unternehmen als auch um die Ressourcen. Es gibt mehr Ressourcen, zum Beispiel wird weniger eingestellt und somit sind mehr Fachkräfte auf dem Markt. Man kann also auch in rezessiven Phasen druchaus erfolgreich gründen, Spreadshirt ist ja ein Beispiel dafür.
T3N Magazin: Aprospos Spreadshirt. Hat Open-Source-Software bei der Gründung Ihres Unternehmens eine Rolle gespielt?
Lukasz Gadowski: Definitiv. Wir haben Spreadshirt auf einem klassischen LAMP-Stack entwickelt. Im Bereich Bildbearbeitung haben wir Image Magick eingesetzt, das ebenfalls Open Source ist. Das geht runter bis zur Verwendung von OpenOffice.org. Open Source ist also definitiv ein Riesenfaktor für Startups, denn so kann man sofort loslegen, ohne zunächst groß in Lizenzgebühren investieren zu müssen. Wir haben zum Beispiel TYPO3 als Content Management System eingesetzt. Das sind alles Sachen, die wichtig waren.
T3N Magazin: Wenn Sie heute auf Ihre mittlerweile doch recht lange unternehmerische Tätigkeit zurückblicken, was waren Ihre schönsten Momente?
Lukasz Gadowski: Es gibt viele schöne Momente. Schwierig, da einen rauszugreifen. Aber beispielsweise der erste Launch von Spreadshirt oder der erste Relaunch, den wir gemacht haben – das sind schöne Momente. Auch Situationen, in denen man als Unternehmer hart arbeiten musste und niemand wollte etwas von einem wissen und man kam an der Sekretärin einfach nicht vorbei. Und dann plötzlich, drei Jahre später, sind solche Leute supernett zu einem (schmunzelt). Auch das sind schöne Momente.
T3N Magazin: Gab es auch weniger schöne Momente?
Lukasz Gadowski: Ja, zum Beispiel wenn Projekte nicht geklappt, ich Zeit investiert habe und nichts dabei rausgekommen ist. Vor allem aber Situationen, in denen ich von einzelnen Personen enttäuscht wurde, weil ich dachte, wir arbeiten nicht nur zusammen, sondern sind auch befreundet, nur um dann zu merken, dass der andere schon drei Monate lang mit den Gedanken ganz woanders war und nur noch oberflächlich mitgearbeitet hat. Es ist eine persönliche Enttäuschung sehen zu müssen, dass einzelnen Personen einem nicht vertraut haben, obwohl man ihnen vertraut hat.
T3N Magazin: Zum Abschluss noch ein Blick in die Kristalkugel: Welchen großen Trend werden wir im nächsten Jahr erleben?
Lukasz Gadowski: Mobile wird auf jeden Fall ein Thema sein. Ein anderer großer Trend ist Software-as-a-Service, also weg vom Client und hin zum Browser. Da werden wir in 2009 sicher viele spannende Applikationen sehen.
T3N Magazin: Und haben Sie schon eigene Mobile-Projekte in der Pipeline?
Lukasz Gadowski: Ja, aber darüber kann ich nocht nicht sprechen. Wir schauen uns gerade zwei, drei Sachen an. Anfang nächsten Jahres werden wir dann eines davon auf den Weg bringen.
Viele Interessante Tipps, die Lukasz hier gibt. Weitere gibts unter anderem hier auf t3n online.