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30 Jahre WWW: Leider kein Grund zum Feiern

Das World Wide Web wird heute 30 Jahre alt – doch zum Feiern gibt es wenig Anlass: Das freie, plattformunabhängige Netz ist so bedroht wie vielleicht noch nie in der Geschichte dieser großartigen Idee.

Von Stephan Dörner
3 Min. Lesezeit
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WWW-Erfinder Tim Berners-Lee (Foto: Drserg/Shutterstock)


Die Idee des Internets ist eine der stärksten und wirkungsmächtigsten in der Menschheitsgeschichte: ein Netzwerk der Kommunikation, in dem jede und jeder senden und empfangen kann.

Zum Durchbruch verhalf dieser Idee das World Wide Web, rund 20 Jahre nachdem es andere Internet-Dienste wie E-Mail und FTP bereits gab: Am 12. März 1989 stellte der damalige Cern-Forscher Tim Berners-Lee das Konzept vor, Texte und Grafiken über das Internet mittels eines „Hypertext-Browsers“ aufzurufen und die Inhalte untereinander über „Hyperlinks“ zu verknüpfen.

Das offene WWW setzte sich gegen das geschlossene AOL durch

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Das WWW eroberte die Welt und wurde so erfolgreich, dass es heute sogar regelmäßig mit der Grundlagen-Technologie Internet verwechselt wird. Zugute kam dem WWW dabei, dass es im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die Online-Welt zu gestalten, offen für alle war. Während AOL und Compuserve damals sogenannte „Walled Gardens“ („umzäunte Gärten“) bauten, also geschlossene Plattformen, die nur Mitgliedern zugänglich waren, konnte das WWW jeder besuchen und eigene Websites in Netz stellen, der mit Internet verbunden war. Und die Regeln des WWW bestimmte nicht eine Firma, sondern ein Konsortium.

Das WWW ist also als große, offene und neutrale Plattform geschaffen worden, in der niemand die Zentralgewalt über Inhalte ausübt. Zudem ist es plattformunabhängig: Jedes Gerät, das die technische Basis des Webs beherrscht – die Auszeichnungssprache HTML – kann am WWW teilnehmen, egal, ob Android-Smartphone, Windows-PC oder Linux-Rechner.

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Wer sich den Zustand des Internets im Jahre 2019 ansieht, muss feststellen, dass es inzwischen in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von dem ist, als das es einst gedacht war: Das heutige Web ist zentralisierter als je zuvor, von großen Plattformen wie Google, Facebook und Amazon beherrscht, und geplante Gesetze werden es weiter seines Charakters berauben.

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Das Web im Jahr 2019: Große Plattformen, umzäunte Gärten

Doch der Reihe nach: Vor allem Facebook hat auf Basis von Web-Technologie einen „Walled Garden“ für private Kommunikation gebaut. So wie früher AOL oder Compuserve eingezäunte Gebiete des Internets bildeten, die nur die eigenen Kunden betreten konnten, sind die heutigen eingezäunten Gärten Facebook, Whatsapp und Instagram. Kein Zutritt für Nicht-Mitglieder – die Regeln dieser Plattformen werden von einer Firma bestimmt.

Die Google-Dienste wiederum sind zwar überwiegend Teil des offenen Webs, doch vor allem Googles Open-Source-Technologie AMP sorgt dafür, dass immer mehr Websites zentral über die Google-Server aufgerufen werden, was dem dezentralen Ansatz ebenso widerspricht wie Facebooks Instant Articles. Und dann gibt es sogar eine noch relativ neue Generation von App-Aufsteigern wie Snapchat und Tiktok, die sich dem offenen Web sogar völlig verweigern und nicht einmal mehr Links zu fremden Inhalten zulassen, die hinter dem Zaun des eigenen Gartens liegen.

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Angriffe auf Netzneutralität und Informationsfreiheit

Zu allem Überfluss bedroht derzeit auch noch die Politik den Charakter des freien und offenen Netzes. In den USA ist unter Donald Trump das Prinzip der Netzneutralität gefallen – ein Prinzip, das sehr lange den innovativen Charakter des Internets gesichert hat. Das unter Barack Obama noch gesetzlich verankerte Prinzip der Netzneutralität sagt aus, dass kein Provider bestimmten Inhalten gegen Geld Vorfahrt im Netz garantieren durfte – die Daten des Garagen-Startups von nebenan also genauso schnell ausgeliefert werden wie die Daten eines Milliarden-Unternehmens.

In der Europäischen Union wird derzeit an der Informationsfreiheit des Internets gesägt. Die geplante EU-Urheberrechtsreform wird, wenn sie vom EU-Parlament in der derzeitigen Form abgesegnet wird, Plattformbetreiber so weitgehend für mögliche Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer verantwortlich machen, dass Google, Facebook und anderen Plattformen nichts anderes übrig bliebe, als Inhalte massiv und automatisiert auszufiltern. Jeder, der sich mit Filter-Technologien auskennt, weiß, dass dies auch zahlreiche legitime Inhalte träfe.

Zum 30. Geburtstag des WWWs gibt es also leider nicht viel zu feiern, sondern vor allem etwas zu retten, nämlich den Geist des World Wide Webs – packen wir es an! Was dafür getan werden kann, habe ich bereits 2017 in einer Kolumne ausgeführt: Rettet das dezentrale Netz! #reclaimtheweb

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Dein t3n-Team

Alexander W.

Ein sehr guter Artikel der es auf den Punkt bringt!

Mal sehen was die Politik so treiben wird, hier sehe ich die größte Gefahr für das WWW.

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