- 1. Problem: KI verbrennt Geld wie kein zweiter Sektor
- 2. Problem: Der Marktwert von reinen KI-Firmen steht in keinem Verhältnis zur Leistung
- 3. Problem: KI-Wachstum ist abhängig von teurer Infrastruktur
- 4. Problem: Abseits von Schatten-KI haben KI-Produkte in Unternehmen kaum Fuß gefasst
- Das Post-Crash-Szenario: Wenige Gewinner, viele Verlierer
Wie bei der Dotcom-Blase: Diese 4 Warnsignale deuten auf einen KI-Crash hin
Künstliche Intelligenz dominiert positive wie negative Schlagzeilen, wird von Softwarefirmen in immer mehr Produkte standardmäßig integriert und soll laut Schätzungen von PriceWaterhouseCooper aus dem Jahr 2017 bis 2030 16 Billionen US-Dollar zusätzlich zum globalen Bruttoinlandsprodukt beitragen. Diese Zukunftsaussichten klingen zunächst rosig. Allerdings erinnern sie, vor allem mit Blick auf die Börsenbewegungen und Risikokapitalausgaben, auch an die Dotcom-Bubble der späten 90er Jahre.
Wie CB Insights in seinem State-Of-Venture-Report für das Jahr 2024 zeigt, entfallen fast 40 Prozent des durch private Firmen eingesammelten Kapitals weltweit auf KI-Startups. Die meisten Deals werden in den Bereichen Kundendienst und Automatisierung geschlossen. Auch die gewichtigsten Finanzierungen gehen allesamt an KI-Firmen.
Und wenn die entsprechenden Unternehmen schon an der Börse sind, sorgen Versprechungen rund um KI für explosionsartige Kursentwicklungen und Marktbewertungen. Seit Januar 2024 hat sich der Aktienkurs und damit die Marktbewertung von Nvidia beispielsweise verdreifacht.
Das klingt, wie gesagt, vertraut. Aber riskiert der KI-Sektor, in die gleiche Falle zu tappen wie Internetkonzerne in den 90er Jahren? Wir haben die wichtigsten Hinweise darauf, dass wir uns in einer KI-Blase befinden, zusammengetragen.
1. Problem: KI verbrennt Geld wie kein zweiter Sektor
Viele vom Dotcom-Crash betroffene Firmen haben es nicht geschafft, profitabel zu werden, und mussten wegen ausbleibender Finanzierung und hoch bleibender Kosten Konkurs anmelden. Ähnlich könnte es für den KI-Bereich laufen. Auch wenn es bei einem Startup Jahre dauern kann, bis es schwarze Zahlen schreibt, sind selbst die vom etablierten KI-Marktführer mehr als bedenklich.
Wie The Information berichtet, soll OpenAI 2024 rund fünf Milliarden Dollar Verlust eingefahren haben. Sämtliche Umsätze seien von den Kosten für Training und Inferenz von neuen Modellen aufgefressen worden – und dann seien so grundlegende Dinge wie Gehälter oder Miete für Büros noch nicht bezahlt.
Im Juli 2025 berichtet CNBC unter Berufung auf Unternehmensangaben von 700 Millionen wöchentlich aktiven ChatGPT-Nutzer:innen und fünf Millionen zahlenden Business-Kund:innen. Rein rechnerisch greifen damit etwa 13 Prozent der gesamten Weltbevölkerung mit Internetzugang auf den KI-Chatbot des Unternehmens zu.
Trotzdem verbrennt OpenAI laut bei Reuters zitierten Informationen von The Information im laufenden Jahr angeblich acht Milliarden Dollar. Bis 2029 sollen sich die Reinverluste auf insgesamt weit über 100 Milliarden Dollar belaufen. Keine guten Aussichten für den Marktführer – und bei kleineren Firmen, die nicht von nahezu unendlichem Kapitalfluss und Milliarden-Gönnern wie Nvidia profitieren können, dürfte die Bilanz deutlich schlechter aussehen.
2. Problem: Der Marktwert von reinen KI-Firmen steht in keinem Verhältnis zur Leistung
Die Versprechungen zukünftiger Profitabilität treiben die Bewertung oder den Börsenkurs der entsprechenden Firmen nach oben. OpenAIs Wert wird derzeit beispielsweise auf rund 300 Milliarden Dollar geschätzt. Und das, obwohl der Umsatz für dieses Jahr nur knapp jenseits der Zehn-Milliarden-Marke liegen soll. Die anderen nicht-börsennotierten Firmen in dieser Flughöhe sind Bytedance und SpaceX.
Ersteres ist die Mutter von Tiktok, macht allein im vergangenen Quartal etwa 50 Milliarden Dollar und hat laut Datareportal-Schätzungen rund 1,6 Milliarden durch Anzeigen ansprechbare Nutzer:innen. Zweiteres ist ein von Elon Musk geführtes Raumfahrtunternehmen, das mit Starlink nicht nur ein gigantisches Satellitennetzwerk betreibt, sondern auch Institutionen wie die Nasa zu seinen Kunden zählt. In diesem Kontext wirkt OpenAI überbewertet.
Ähnlich ist es bei Anthropic. Laut eigenen Angaben weist die Firma eine Bewertung von etwa 183 Milliarden Dollar auf. Allerdings macht sie 2024 schätzungsweise einen Umsatz in niedriger einstelliger Milliardenhöhe, verbrennt aber deutlich mehr Kapital. Die Überbewertung von KI-Startups ist auch im Kleinen sichtbar. Europas KI-Hoffnung Mistral AI generiert 2024 Schätzungen zufolge 30 Millionen Euro Umsatz, ruft aber im September eine Finanzspritze in Höhe von 1,7 Milliarden Euro auf.
Ein Beispiel dafür, wie der Hype auch die Börse beeinflusst, ist Oracle. Die Software-Firma, die zusammen mit OpenAI und Softbank unter dem Namen Stargate 500 Milliarden Dollar in US-KI-Infrastruktur stecken will, vermeldet einen Zuwachs im zukünftigen Vertragsvolumen um über 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Daraufhin schießt der Börsenkurs in die Höhe.
Zukünftig trägt hierbei allerdings das meiste Gewicht. Denn ob die Firma überhaupt die gesamten 455 Milliarden Dollar sieht, hängt davon ab, ob sich die Oracle-Kunden lang genug mit Fremdkapital über Wasser halten können. Denn rentabel sind diese KI-Firmen bislang meist nicht. OpenAI soll beispielsweise ab 2027 30 Milliarden Dollar pro Jahr an Oracle für Rechenleistung zahlen, wie Techcrunch berichtet. Zur Erinnerung: OpenAIs prognostizierter Jahresumsatz wird 2025 voraussichtlich bei einem Drittel davon liegen.
3. Problem: KI-Wachstum ist abhängig von teurer Infrastruktur
Besagte Rechenleistung ist eine weitere Hürde, die der KI-Sektor überspringen muss. Denn das Training und die Ausführung von großen Sprachmodellen sind rechenintensiv, vor allem, wenn Bilder oder Videos erzeugt werden. Selbst wenn man den Ressourcenverbrauch, also Strom und Wasser für Kühlung, außen vorlässt, bleiben Bau und Ausstattung von Rechenzentren gewaltige Investments.
Während Firmen wie Meta, Google oder Amazon von bestehenden Strukturen profitieren, müssen Startups wie Anthropic oder OpenAI entweder selbst Rechenzentren bauen oder sich in bestehende Infrastruktur einmieten. Letztere scheinen einen derartigen Bedarf zu haben, dass Firmenchef Sam Altman nach Aufweichung des Exklusiv-Deals mit Microsoft Compute bei Google einkauft. Zusätzlich will OpenAI angeblich zusammen mit Broadcom eigene KI-Chips entwickeln, um unabhängiger vom Marktführer Nvidia zu werden. Dieses Vorhaben dürfte auch erklären, warum Nvidia OpenAI mit 100 Milliarden Dollar Investment lockt. Denn die sind daran gebunden, dass das KI-Startup in seinen Rechenzentren Nvidia-Chips nutzt.
Davon ab verschlingen Chip-Entwicklung und der Bau von Rechenzentren potenziell mehrere hundert Milliarden Dollar. Auch wenn keine der beteiligten Firmen konkrete Kosten für einzelne Projekte nennt, lassen sich grobe Schätzungen anstellen. Colossus, das 300-Megawatt-Rechenzentrum von Elon Musks xAI, wird laut Semianalysis von rund 230.000 KI-Beschleunigern – und die Luft verpestenden Methan-Turbinen – angetrieben. 200.000 davon sind H100-Karten, deren Einzelpreis derzeit bei rund 30.000 Dollar liegt. Allein für den Grundstock an Hardware werden also rund sechs Milliarden Dollar fällig.
Da ist es beispielsweise kein Wunder, dass Stargate hinter den Erwartungen zurückbleibt. Medienberichten zufolge liegt das unter anderem an ausbleibenden Genehmigungen und den laufenden Bemühungen von Softbank, Kredite für die kostspielige Unternehmung aufzutreiben. Die zweite Bauphase für ein Stargate-Rechenzentrum im texanischen Abilene mit 1,2 Gigawatt Kapazität soll bis Mitte 2026 abgeschlossen sein. Wie, wo und vor allem mit welcher Finanzierung Oracle und OpenAI aber zusätzlich sieben und Nvidia und OpenAI zehn Gigawatt Rechenleistung aufbauen wollen, ist fraglich.
Auch andere Industrien wie der Bausektor könnten durch die Rechenzentrumspläne der KI-Konzerne stärker strapaziert werden. Langwierige Genehmigungsprozesse, hohe Materialkosten, fehlende Arbeitskräfte: Der Weg zu einem fertigen Rechenzentrum ist heute potenziell länger als noch vor fünf Jahren.
4. Problem: Abseits von Schatten-KI haben KI-Produkte in Unternehmen kaum Fuß gefasst
Wenn KI-Startups unabhängig von Fremdkapital werden wollen, müssen sie einen Mehrwert liefern, für den Unternehmen und Privatpersonen auch zahlen. Auch Werbeeinblendungen, die OpenAI laut Financial Times angeblich schon plant, dürften den Kapitalhunger nur bedingt stillen.
Die Versprechen der gesteigerten Produktivität und der Wirtschaftlichkeit von Investitionen in KI-Tools können die entsprechenden Firmen bislang allerdings nicht einlösen. Eine von IBM im ersten Quartal 2025 durchgeführte Umfrage unter 2.000 Top-Geschäftsführer:innen weltweit zeigt beispielsweise, dass nur 25 Prozent der KI-Projekte ein ROI (Return of Invest) liefern, das ausgegebene Geld also mindestens wieder eingespielt haben.
Weitere 52 Prozent der Befragten geben an, dass die Einführung von KI mehr bringt als Kosteneinsparungen durch Kündigungen und Prozessverschlankung hat. Damit sehen rund die Hälfte der Umfrageteilnehmer:innen derzeit keine weiteren Vorteile im Einsatz von KI. Ebenfalls interessant: 2024 waren noch die Hälfte der Geschäftsführer:innen der Meinung, dass KI im kommenden Jahr für mehr Effizienz und Kostenkontrolle sorgen würde. Ein Jahr später geben 60 Prozent an, dass KI-Projekte immer noch in Pilotphasen feststecken würden.
Hier kommt die sogenannte Schatten-KI ins Spiel. Darunter versteht man den Einsatz von privaten KI-Tools durch Arbeitnehmer:innen, der nicht durch KI-Richtlinien geregelt ist. Das ist nicht nur ein Einfallstor für Cyberkriminalität, sondern auch ein Problem für die KI-Tool-Anbieter. Denn die wenigsten Nutzer:innen dürften zahlende Abonnent:innen sein. Außerdem sind Business-Abos für KI-Startups weitaus lukrativer. Wenn Entscheider:innen gerade in kleineren Firmen weiterhin feststellen, dass KI keinen Effizienzgewinn bringt, wackelt eine wichtige Säule des Geschäftsmodells der großen Anbieter.
Das Post-Crash-Szenario: Wenige Gewinner, viele Verlierer
Obwohl der KI-Sektor mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat, wird die Technologie auch nach einem Platzen der Blase nicht verschwinden. Ähnlich ist es damals auch beim Dotcom-Boom gelaufen. Firmen wie Ebay, Amazon oder auch Oracle haben den Crash überlebt und gehören heute zu den wertvollsten Konzernen der Welt. Viele hoch bewertete Startups erleiden ein anderes Schicksal.
Ähnliche Szenarien könnten sich auch in der KI-Industrie abspielen. Microsoft, Meta oder Google setzen zwar mit Nachdruck auf den Ausbau ihrer KI-Kapazitäten. Weil ihr Geschäftsmodell aber auf vielen Pfeilern steht, können sie einen Crash überstehen. Ähnlich sieht es bei Nvidia aus, denn Chips werden auch abseits von KI weiter gebraucht. Und der Marktführer OpenAI muss vielleicht seine hochtrabenden Ausbaupläne opfern. Aber Stand jetzt ist er auch zu groß und zu relevant, als dass er ganz untergehen könnte.
Wie und ob die anderen Generalisten-KI-Labore wie xAI, Anthropic oder Mistral AI ein Platzen der KI-Blase überstehen, ist fraglich, von den Rechenzentrumsbauern und kleineren Cloud-Anbietern, die dann möglicherweise auf hektarweise toter Infrastruktur sitzen, mal abgesehen. Wenn der Fokus auf immer größere Kennzahlen und der Druck damit allerdings wegfällt, könnte sich der Einsatz von KI auf Felder beschränken, die sich weniger für aufsehenerregendes Marketing eignen – und die echten Mehrwert bieten.