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500.000 Nutzer und doch nichts los: Ich habe Jimmy Wales‘ Facebook-Alternative getestet

Das neue soziale Netzwerk von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales soll schon 500.000 Nutzer haben. Höchste Zeit, sich dort einmal umzuschauen.

Von Jan Vollmer
3 Min. Lesezeit
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Der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat ein soziales Netzwerk gegründet. Wir haben versucht, uns dort zu amüsieren. (Foto: dpa)

Zugegeben: Soziale Netzwerke haben gerade keinen sonderlich guten Ruf. Generell wird ihnen vorgeworfen, ihre Nutzer mit kleinen aufblinkenden Benachrichtigungen süchtig zu machen. Manchmal kann das aber ganz angenehm sein. Als ich diesen Herbst das erste Mal die App Tiktok geöffnet habe, wurde ich da von einer Welle kurzer, unterhaltsamer Tanzvideos und Video-Memes überrollt. Ein paar Tage lang musste ich mich zusammenreißen, um nicht länger als eine halbe Stunde am Stück darin zu versinken. Wie bei den meisten sozialen Netzwerken folgten schon kurz auf Tiktoks plötzliche Beliebtheit die ersten Skandalgeschichten: Das chinesische Netzwerk Tiktok zensiert, Tiktok diskriminiert, Tiktok duldet keine Kritik an China, war da zu lesen.

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Mitten in die Nachrichten vom skandalösen Siegeszug des Netzwerkes Tiktok platzt jetzt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales mit der Nachricht, sein soziales Netzwerk WT Social habe schon über eine halbe Million Nutzer und würde stark wachsen. Jimmy Wales hat mit WT Social einiges vor. „Gefälschte Nachrichten haben globale Ereignisse beeinflusst, und Algorithmen kümmern sich nur um ‚Engagement‘ und sorgen dafür, dass Menschen von Plattformen ohne Substanz abhängig sind“, sagte Wales noch im Oktober auf Konferenzen. Er wollte es mit WT Social besser machen.

Kann WT Social uns also aus dem digitalen Limbo der sozialen Netzwerke befreien? Zeit, dort einmal vorbeizuschauen, denke ich, und melde mich an.

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Das erste, was ich nach der Anmeldung auf WT Social tun kann, ist, in Subwikis (Gruppen) ein- oder austreten. Die voreingestellten Gruppen heißen „Fighting Misinformation“, „Long Reads“ und „News about the Internet“ – was auch erklärt, warum die Gruppen über 400.000 Abonnenten haben. Könnte spannend werden, denke ich. Es gibt sogar ein paar coole Gruppen wie „Dank Memes“ mit immerhin 22.000 Abonnenten. Ich abonniere gleich noch ein paar andere Subwikis wie „Cybersecurity“ oder „Climate Change“.

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Scrennshot von WT Social (Screenshot:t3n)

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Als ich dann das erste Mal auf meinen tatsächlichen, persönlichen WT-Social-Feed schaue, folgt Ernüchterung. Da geht ziemlich wenig. Mein Feed wirkt wie der langweiligste Subreddit, den ich je gesehen habe. Well, eigentlich nicht. So langweilige Subreddits sind mir noch nicht untergekommen: eine Textwüste mit Posts wie „Warum es wichtig ist, Freunde einzuladen. Von Jimbo“ und gelegentlich ein paar „Long Reads“ über den Regenwald, die Feuer in Australien oder den saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman. Mein persönlicher Feed ist sogar so langweilig, dass ich das Gefühl habe, irgendwas falsch verstanden zu haben. Ich schaue nochmal bei „Dank Memes“ vorbei. Das aktuellste Dank Meme ist 18 Stunden alt und überhaupt nicht Dank. Darunter diskutieren verständnislose Nutzer, wie sie sich aus dem Subwiki abmelden können.

Zum Glück werden mir links oben im Fenster ein paar neue Gruppen vorgeschlagen. Verzweifelt melde ich mich also zu „Everything2“, „Conspiracy Theories“ „LGBTQIAP+“, „Clinical Psychology“, „Keto Club“, „Golden Retrievers“, „Australian Witchcraft“, „Matrix“, „Eurofighter Typhoon II“ und „FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung“ an. Ich kehre zurück zu meinem Feed und es passiert: nichts. Nirgendwo geht was. Selbst „Conspiracy Theories“ hat nur ein mickriges Dokument über die „eigentlichen“ Gründe für eine amerikanische Militärintervention in Kuba.

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Okay. Subwikis sind es auf WT Social also noch nicht. Vielleicht ist es auch nur so langweilig, weil ich hier keine Freunde habe? Ich frage auf anderen sozialen Netzwerken nach, wer mein Freund auf WT Social werden will. Und warte einen Tag.

Zugegeben, der Tweet geht nicht gerade viral. Am nächsten Tag habe ich allerdings zwei Freunde, deren Profil so jungfräulich ist wie meins. Über den Freunde-Tab lande ich auch auf dem Profil von Jimmy Wales. War mir gar nicht aufgefallen, dass ich ihn abonniert hatte. Aber ich glaube, er ist auch voreingestellt, genau wie das Subwiki „Long Reads“.

Ehrlich gesagt, der Nachmittag des zweiten Tages ist der Moment, an dem ich beschließe, WT Social erst mal wieder ruhen zu lassen. Und dabei wird mir nochmal der grundsätzliche Unterschied von WT Social zu anderen sozialen Netzwerken klar: Auf Facebook, Instagram, Twitter und Tiktok muss man sich zusammenreißen, um dort nicht zu viel Zeit zu verschwenden. Auf WT Scoial muss ich mich überwinden, überhaupt noch weiter zu scrollen. Es gibt dort keine haarsträubenden Fake Storys wie auf Facebook, keine hasserfüllten Kommentare wie auf Twitter, keine Photoshop-Idylle wie auf Instagram. Was ist das für ein Netzwerk, auf dem ich weder prokrastinieren, noch in einem Sog aus Halbwahrheiten über 9/11 verschwinden kann?

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Man kann ja viel über die üblichen Verdächtigen der Netzwerk-Branche sagen: dass sie die Leute süchtig machen, dass sie die Gesellschaft polarisieren, dass sie die öffentliche Meinung zensieren. In sofern hat Jimmy Wales seinen Job gut gemacht. Die Frage ist nur, ob wir so ein Netzwerk auch wollen.

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Peter

Zeigt doch sehr gut, wie kaputt wir als Gesellschaft und Mensch alle sind und wie es funktioniert inzwischen. Alles muss sofort knallen, unterhalten, begeistern, ständig neuen Content liefern, schwachsinnige Memes, Witziges, Dummes, Interessantes, dann aber so verpackt, wie auf Heftig.de. Bloß nicht mehr denken, viel lesen, sachliche Überschriften oder Texte konsumieren geht gar nicht, am besten alles als Video, aber nicht zu lang bitte, nur dreißig Sekunden, vielleicht sechszig.

Dieser „Selbstversuch“ zeigt eigentlich nur, wie wir ticken. Genau so wie es normal ist, dass weibliche Menschen bei eBay Kleinanzeigen nur Sexanfragen bekommen, bei Instagram jeder sein Leben faked, bei YouTube alle reicher Star werden wollen und wir im Grunde schon so weit abgedriftet sind, von dem worauf es eigentlich ankommen sollte, dass wir mit solchen, sachlichen Plattformen oder Versuchen, die Welt wiederherzustellen, gar nicht mehr klarkommen.

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dennis

Du hast völlig Recht. Das interessante bei dem Artikel: Dem Autor sind diese Umstände gar nicht aufgefallen, weil er einfach ein Tel des Ganzen ist und genauso tickt, wie Du es beschreibst.

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Anonymer Nutzer

Wikipedia ist der größte Müll, wo sektengurus admins sind und jederzeit alles bearbeiten können, jetzt kommt die nächste grütze ? Also wieder ein Soziales Netzwerk ohne Verschlüsselung, weder Dezentral und gehostet in Amerika ? Nee danke, Matrix ist das beste Soziale Netzwerk, keine Telefon Nummer angabe, privat und sicher, bei diesem Wt schrott ist ja Proprietäre Software am werk, pfui pfui pfui

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Uwe

Wikipedia hat sich längst als Wissen-Lexikon verabschiedet, da Ideologie und Politik vor Naturwissenschaft stehen, Admins vor Fachleute und selbst Daten und Fakten verändert werden, um die gewünschten Personen und Ereignisse zu feiern oder zu negieren, beste Beispiele die Gebrüder Wright, Rife und 9/11.

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UweKai

Ah Uwe
Wikipedia ist eine Sekte

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