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Porträt

Unternehmer mit Haltung: Wie diese Berliner den Status quo herausfordern

Unternehmerische Verantwortung hört nicht bei schwarzen Zahlen auf. Die Berliner Joachim Bosse und Dominic Czaja hinterlassen Spuren – in der Werbung, in der Mode und bei den Ärmsten der Hauptstadt. Ein Porträt.

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Dojo-Gründer Joachim Bosse und Dominic Czaja (v.l.) (Foto: Dojo)

Sätze, die in Geschichten einleiten, enden in der Regel mit einem Punkt. In dieser Geschichte beginnt sie jedoch mit einem. Als Joachim Bosse und Dominic Czaja vor zwölf Jahren die Werbeagentur Dojo gründeten, sahen sie sich mit einem Problem konfrontiert, das zwar jeder Jungunternehmer kennt, das jedoch in einer Branche, in der Öffentlichkeit und Reichweite zählen, besonders schwer ins Gewicht fällt. Fehlende Bekanntheit, sowohl bei potenziellen Kunden als auch bei kreativen Talenten, ist schlecht für das Geschäft. Wer wie die beiden Berliner denkt, findet jedoch selbst auf ausgetretenen Pfaden noch clevere Abkürzungen, um im Dickicht der Agenturen den ein oder anderen Mitbewerber abzuhängen. Ein einfacher Trick macht oft den Unterschied. Und manchmal liegt die Lösung in einem simplen Satzzeichen – wie einem Punkt.

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„Das war der kreativste Move seiner Schaffenszeit“, witzelt Dominic Czaja, als er davon erzählt, wie sein Kompagnon es geschafft hat, sich auf Werbeagentur.de einen Platz an der Spitze zu sichern. Das Verzeichnis listet deutsche Werbefirmen alphabetisch auf. Unternehmer und Bewerber, die damals nach einem passenden Dienstleister beziehungsweise Arbeitgeber suchten, fanden hier schon mal eine erste Anlaufstelle. Bei Tausenden gelisteten Agenturen hatte jedoch das Nachsehen, wer auf den hinteren Plätzen zu finden war. Bis „D“ wie „Dojo“ scrollten wohl die wenigsten. Bosse sah die Lösung klar vor sich. Der Punkt, den er im Namensfeld vor Dojo setzte, katapultiert die Agentur direkt an den Anfang, noch vor den Buchstaben A. „Da haben wir schon einige Anfragen bekommen, obwohl wir noch gar nicht richtig am Start waren“, erzählt Czaja.

Es ist zum Kotzen, sich nur einzureihen

Easy-Jet-Kampagne: „Inländer raus!“ (Foto: Jared Leistner)

Wer die Geschichte zum ersten Mal hört, kommt aus dem Grinsen nicht heraus. Auf die Lösung, so einfach sie ist, kam damals keiner der hiesigen Werber. Ein Hinweis darauf, wie tradiert die Branche gewesen sein muss und vielleicht sogar noch bis heute ist. Frech und clever kommt voran, zumindest gilt das für Dojo, denn die damaligen Underdogs machten dieses Vorgehen zu ihrem Markenzeichen. Wer heute eine der besseren Markenbotschaften im Alltag sieht, hat gute Chancen, ein Werk der Berliner zu bestaunen. Unvergessen auch die Plakatkampagne für Easyjet, in der mit „Inländer raus“ in einer Zeit für mehr Urlaubsreisen geworben wurde, in der maulende Wutbürger in Dresden vielen Ausländern das Schlimmste an den Hals gewünscht haben. Furore war ihnen sicher. Dürfen sie das? Ja, klar dürfen sie das. Und sie machen es auch.

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„Immer etwas anders zu sein, das ist natürlich unser Anspruch“, erklärt Joachim Bosse und macht deutlich, wie sehr es ihn ankotzen würde, sich ständig nur irgendwo einzureihen. „Das selbsterklärte Ziel lautet, dass die Leute draußen sagen: Wow, das ist so krass dojo!“. Übrigens eine Frage, die sich das Team auch intern ständig stellt, wenn neue Ideen entstehen. „Ist das jetzt dojo?“. Der Firmenname als Adjektiv. Wenn es gelingt, das zu etablieren, ist das Denkmal gesetzt. Ein Weg, wie das gelingen könnte, findet sich auch in der Haltung, die das Team vertritt. Als ein Kunde einmal drei Statisten in einem Werbeclip austauschen wollte, weil sie keinen Schwarzen, keinen Araber und keine dicke Frau im Video sehen wollten, haben die Berliner sich von dem Auftraggeber getrennt. „Alter, wir leben im 21. Jahrhundert“, argumentiert Czaja gelassen im Gespräch.

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„Immer etwas anders zu sein, das ist natürlich unser Anspruch!“

Dojo ist unverblümt und alles andere als angepasst. Wer die deutsche Werbebranche kennt, weiß, dass sie längst dem Diktat der Meinungsumfragen unterliegt. Die Familie? Ist immer weiß! Humor? Vielleicht in Gestalt eines Hape Kerkelings! Einen öffentlichen Diskurs thematisieren? Werbung muss unpolitisch sein! Wer beispielsweise den Blick nach England wagt, sieht, was Werbung tatsächlich leisten kann. Während in Deutschland gefühlt neun von zehn Botschaften von der Stange kommen und so austauschbar sind wie ein altes Paar Tennissocken, traut man sich im Ausland mehr zu. Für die Berliner heißt es insofern auch, häufiger an den Mut und die Courage ihrer Kunden zu appellieren. Wo das jedoch nicht gelingt, lässt man es eben sein. Bosse und Czaja erklären selbstbewusst, dass man sich für ein paar Tausend Euro nicht verbiegen werde.

Dass die Berliner ihr eigener Best Case sind, zeigen auch die charmanten Kampagnen der Schwesterfirma. Das Mode-Label Muschi Kreuzberg wäre nicht dasselbe ohne seine unkonventionellen Models aus dem gleichnamigen Stadtteil. Da wäre „Komet“, der junggebliebene Rentner, der lieber auf Partys tanzt, statt den Rest seiner Tage mit Lesebrille im Schaukelstuhl zu verbringen. Oder der obdachlose „Käptn Kotti“, der mit Hüftgold und Augenringen sicher nie einen Model-Job bei einer der großen Lifestyle-Marken gelandet hätte. Dabei sind das Menschen, die es millionenfach da draußen gibt und die genauso einen Teil der Gesellschaft ausmachen – auch wenn die Saubermann-Welt der Mode und Werbung sie regelrecht ausklammert. Nur wer jung und schön ist, bekommt die große Bühne. Dojo sieht das anders und zeigt, wie es ist.

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Haltung als Alleinstellungsmerkmal

Stunts wie den mit dem Punkt haben Joachim Bosse und Dominic Czaja heute nicht mehr nötig. Längst ist Dojo das, was man als hip bezeichnen würde. Kunden, die dojo sein wollen, stehen Schlange. Inzwischen reihen sich große Namen wie Conrad, Deezer oder Ebay ein. Promis wie TV-Moderator Joko Winterscheidt, Rapper Massiv oder Sängerin Jennifer Weist haben mit den Berlinern bereits zusammengearbeitet. Und auch kreative Talente, die keinen Bock mehr auf Werbung von der Stange haben, bewerben sich initiativ. Der gute Ruf eilt voraus. Im Grunde haben sie geschafft, was Image-Experten heutzutage jeder Firma raten: Bau dir eine Unternehmenskultur auf, die auch nach außen hin strahlt. Ob Bosse und Czaja jemals über so etwas wie Employer-Branding nachgedacht haben? Vermutlich nicht. Man ist einfach, wie man ist.

Wer da steht, wo Dojo heute steht, kann sich als Gründer eigentlich zurücklehnen. Die Sachen einfach laufen lassen. Doch weit gefehlt. Bosse und Czaja sind längst dabei, sich ein kleines Imperium aufzubauen. Neben der Werbeagentur und dem Klamottenlabel gibt es noch eine Video-Produktionsfirma und ein Non-Profit. Mit Letzterem wollen die Jungs ihrer Stadt etwas zurückgeben: Onewarmwinter.org heißt die Initiative, die sich um Obdachlose in Berlin kümmert und der selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kürzlich einen Besuch abgestattet hat. Kümmern, das heißt unter anderem, die Kiezmarke einzuführen. Wer sich beispielsweise bei „Mustafa’s Gemüse-Kebap“ einen Döner kauft, kann einen zweiten bezahlen und erhält dafür eine Art Pfandmarke, die Gönner einem Obdachlosen schenken und die er oder sie dann einlösen kann.

„One Warm Winter ist so etwas wie unser Herzensprojekt“, erklärt Dominik Czaja im Gespräch. „Das macht viele Menschen happy!“. Dafür packen die Chefs auch gerne selbst mit an, wenn es darum geht, Aktionen auf die Straße zu bringen. Dass sich unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung heutzutage nicht ausschließen müssen, zeigt Dojo wie kaum ein anderes Unternehmen hierzulande. Man muss kein Multi-Milliardär sein, um seine philanthropische Seite zu entdecken. Und wer Ungerechtigkeiten im System erkennt, tut gut daran, sie nicht auch noch zu befeuern. Die nonchalante Art, mit der Joachim Bosse und Dominic Czaja ihre Branchen und damit nicht zuletzt die ihrer Kunden aufmischen, sucht ihresgleichen. Und so kann dieses Porträt nur anders enden, als es begonnen hat – nämlich mit einem Ausrufezeichen statt einem Punkt!

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