
Sechs Jahre und dann war es plötzlich vorbei. Sven Reimer hatte gute Zeiten bei seinem Arbeitgeber. Bis 2011 die Finanzkrise viele Unternehmen ins Straucheln brachte. So auch das Hamburger Logistikunternehmen, für das er gearbeitet hat. „Bei uns hagelte es Kündigungen“, erklärt der gelernte Außenhandelskaufmann. „Ich war trotz meiner Dienstjahre einer der jüngsten Mitarbeiter und musste gehen.“ Glück im Unglück für den jungen Mann: Er erhielt zumindest eine Abfindung. Nicht jeder Berufstätige, der gekündigt wird, kann darauf hoffen. Ein Gesetz, das gekündigten Arbeitnehmern pauschal eine Abfindung zuspricht, gibt es nämlich nicht.
„Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum steht einem Arbeitnehmer nicht stets eine Abfindung zu“, erklärt Dr. Artur-Konrad Wypych. Er ist Counsel und Mitglied der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht der Kanzlei Bird & Bird. Ansprüche können jedoch bei einer betriebsbedingten Kündigung – wie etwa im Fall von Sven Reimer – entstehen. Wer sich auf ein Gewohnheitsrecht berufen kann, weil andere Mitarbeiter zuvor eine Abfindung erhalten haben, kann ebenfalls häufig auf eine Einmalzahlung pochen. Zudem sehen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne etwaige Abfindungszahlungen vor. Ausnahmen bestätigen also wie immer die Regel.

Kündigung: Eine Abfindung ist einkommenssteuerpflichtig. (Foto: Shutterstock-Igorstevanovic)
Vor allem aber sind es Trennungsverhandlungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die am häufigsten zur individuellen Vereinbarung einer Abfindung führen. Unternehmen gehen diesen Weg meist dann, wenn sie sich von einem Angestellten trennen möchten, sie ihn aber nicht ohne weiteres kündigen können. In dem Fall greifen Chefs und Chefinnen etwas tiefer in die Tasche, um dem Geschassten den Abschied zu versüßen und einen lockeren Neustart zu ermöglichen. Beide Seiten einigen sich dann einvernehmlich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Aufhebungsvertrag. Was folgt, ist in der Regel eine Abfindungszahlung.
„Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum steht Arbeitnehmern nicht stets eine Abfindung zu.“
„Hintergrund ist, dass aufgrund des Kündigungsschutzes in Deutschland die Kündigung eines Arbeitnehmers oftmals unwirksam oder das gerichtliche Verfahren zur Feststellung der Kündigung meist lang und kostenintensiv ist“, erklärt Jurist Artur-Konrad Wypych. „Um dieses Risiko zu beseitigen, kann es für den Arbeitgeber von Vorteil sein, eine Abfindung zu zahlen.“ Anders als bei einer betriebsbedingten Kündigung, wo ein halber Bruttomonatsverdienst für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses gesetzlich festgelegt ist, gibt es im Fall der einvernehmlichen Trennungsverhandlung keine gesetzlich vorgeschriebene Bemessungsgrundlage.
Wer in so einer Situation steckt, kann also mit etwas Verhandlungsgeschick eine stattliche Summer herausholen. „Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Kündigung vor den Arbeitsgerichten keinen Bestand hat, desto größer wird die Höhe der Abfindung ausfallen“, so auch Artur-Konrad Wypych. Wer sich auf eine Abfindung einlassen möchte, sollte sich gut informieren, ob es bereits vergleichbare Fälle gab. Eine juristische Einschätzung vor der Abfindungsverhandlung kann zudem den Unterschied machen. Auch mögliche Unterhaltspflichten, der Gesundheitszustand oder Aussichten am Arbeitsmarkt sind argumentative Stützen.
Auf die Zahlung einer Abfindung müssen in der Regel keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden. Eine Abfindung unterliegt jedoch der Einkommenssteuer und kann unter Umständen auch zum Ruhen von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld I führen. Bei Sven Riemer war letzteres jedoch nicht Fall. Er erhielt neben der Abfindung auch staatliche Unterstützung. „Die Abfindung hat mir sehr geholfen, mich ohne finanzielle Sorgen auf Jobsuche zu begeben“, erklärt er. Der anfängliche Schock war somit etwas schneller überwunden. Böses Blut gab es zwischen ihm und seinem Vorgesetzten nicht. „Sowas passiert halt“, räumt er ein.
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