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Agentur-Chaos Deutschland: Warum viele Webprojekte scheitern und wie es sich vermeiden lässt

Es gibt viele Webworker da draußen: kleinere & größere Agenturen, Freelancer, Inhouse- Marketing Teams und Offshore-Lösungen. Mehr oder weniger gemeinsam sind diese Menschen dafür verantwortlich, das Internet von morgen zu erschaffen und das ist in einer so schlecht regulierten Branche wie der unseren manchmal gar nicht so einfach. Wie schafft man es also Teams, Projekte und Kunden zu skalieren und zu koordinieren, um gemeinsam ein bestmögliches Ergebnis zu erzeugen? Gerrit Sturm, Geschäftsführer der Internetagentur Browserwerk beschreibt in diesem Artikel die Erfahrungen seiner Agentur und mögliche Stolperfallen.

Von Gerrit Sturm
6 Min. Lesezeit
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(Grafik: PureSolution / Shutterstock)

Die Internet-Branche boomt. Gerade in einer wirtschaftlich starken Zeit wie der jetzigen bekommen das wahrscheinlich viele von euch zu spüren. Doch mit der Auftragslage wächst auch die Verantwortung – die Verantwortung, Wort gegenüber dem Kunden oder dem Vorgesetzten zu halten, die Projekte optimal in der gegebenen Zeit umzusetzen und dabei immer den Überblick zu behalten, welche Vorgänge Priorität haben und was viellicht auch erst ein paar Tage später erledigt werden sollte. Des Weiteren spielen wirtschaftliche Faktoren für das Fortbestehen einer jeden Unternehmung eine primäre Rolle. Wenn man dazu noch selbständig ist, muss man sich auch noch darauf konzentrieren, was das Finanzamt, die Berufsgenossenschaft, das Steuerbüro etc. alles von einem wollen und dabei bestenfalls nach Möglichkeit auch noch an übermorgen denken; all das „neben“ dem Tagesgeschäft.

Warum es bei den „Internetagenturen“ teilweise drunter und drüber geht

In Agenturen geht es oft drunter und drüber, wenn einer nicht  weiß, was der andere tut. (Grafik: mayrum /Shutterstock)

In Agenturen geht es oft drunter und drüber, wenn einer nicht weiß, was der andere tut. (Grafik: mayrum /Shutterstock)

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Nicht selten bekommen wir Anfragen zu Projekten bei denen uns nichts weiter übrig bleibt, als zu sagen, dass wir diese nicht übernehmen werden oder relaunchen müssen. Das tut weh, denn der Kunde hat zu diesem Zeitpunkt bereits viel Arbeit, Herzblut und oftmals auch eine Menge Geld in ein Produkt gesteckt und im Laufe der Entwicklung hat sich herausgestellt, dass die Anforderungen beziehungsweise Erwartungen nicht erfüllt wurden. Genau so schlimm ist es auch, wenn man es nicht schafft, dem Kunden ein Verständnis für die Fehltritte der bis dato Beteiligten zu vermitteln, da dieser denkt, man wolle ihm lediglich etwas verkaufen.

Das Problem ist, dass wir einen unglaublichen Fachkräftemangel in gewissen Bereichen haben und sich jeder dahergelaufene, auf Tasten drücken könnende Mensch „Webdesigner“ nennen darf. Das bedeutet, dass sich von der Hausfrau, die mal einen Wochenend-Kurs bei der IHK oder einer Volkshochschule (nichts gegen die Kurse dort und auch nichts gegen Hausfrauen) besucht hat, bis hin zum studierten Informatiker, Mediendesigner etc. auf diesem Gebiet rumtreiben. Beides ist kein Garant für saubere Arbeit und ein gelungenes Projektmanagement, aber was ich damit sagen will, ist, dass die Qualität bei der Umsetzung extrem stark variieren kann.

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Einige (Open-Source-) Communities versuchen sich beispielsweise daher mit Mitgliedschaften Abhilfe zu verschaffen, welche sich jedoch meist nur für größere Agenturen wirklich lohnen. Man sollte daher nicht nur einen Blick in die Referenzen einer Agentur werfen, sondern auch schauen, dass die Projekte wirklich online sind und sich gegebenenfalls auch mal im Impressum vergewissern, ob die Agentur das Projekt auch wirklich erstellt hat beziehungsweise welche Aufgabenbereiche von ihr übernommen wurden. Des Öfteren habe ich schon festgestellt, dass genannte Referenzen gar nicht mehr online waren. Dann sollte man sich immer die Fragen stellen: warum?

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Probleme beim Outsourcing: „Verlass dich auf andere und du bist verlassen“

Outsourcing geht oft bei der Kommunikation schief – wer kennt das nicht vom Spielen von Stille Post in der Schule. (Grafik: Dooder / Shutterstock)

Outsourcing geht oft bei der Kommunikation schief – wer kennt das nicht vom Spielen von Stille Post in der Schule. (Grafik: Dooder / Shutterstock)

Manche Agenturen arbeiten mit Freelancern im Ausland zusammen und übernehmen nur das Projektmanagement. Das scheint auf den ersten Blick aufgrund der hohen Differenzen im Bereich der Stundenlöhne auch durchaus profitabel, jedoch kann dies ohne eigene Qualitätskontrolle „Made in Germany“ oftmals nur schief gehen. Der Kunde hört dann vom Projektleiter Sätze wie: „Das muss ich erst mit der Technik besprechen“ oder „Ich habe das mal so notiert und wir werden sicherlich eine Lösung finden“. Danach wird in meist gutem Englisch dem ausländischen Entwickler eine Übersetzung angefertigt, dieser fehlinterpretiert die Umsetzung und das Problem des Kunden ist immer noch nicht gelöst (#stillepost).

Outsourcing kann also nur funktionieren, wenn die Agentur das Produkt auch selbst erstellen könnte und hier das nötige Fachwissen besitzt, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Auch ist es nicht immer einfach, die Prozesse zu überwachen, denn schließlich sitzt der Freelancer oder die Partneragentur an einem völlig anderen Standort, kennt den Kunden nicht, hat oftmals eine andere Arbeitseinstellung und arbeitet im schlimmsten Fall unordentlich und die Zeit rennt einem davon. Wir persönlich haben (zumindest bis jetzt) mit dem Outsourcing weniger gute Erfahrungen gemacht und setzen unsere Projekte lieber selbst um, um einen genauen Überblick zu behalten.

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Schuster bleib bei deinen Leisten

Andere Agenturen stellen sich gerne auch als Full-Service-Agentur auf. Das bedeutet, sie liefern vom klassischen Print-Design, über (Online-) Marketingmaßnahmen, Webentwicklung, Videoproduktion etc. alles, was der Kunde haben will, nur um den Umsatz zu steigern. Dass die Qualität darunter bereits in der Angebotserstellung leidet und sich meines Erachtens oft verkalkuliert wird und nachkalkuliert werden muss, weil extrem viel Overhead durch Rücksprachen oder bestimmte Entwicklungsmethoden entstehen, ist hierbei teilweise sehr anstrengend.

Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, sich auf eine bestimmte Produktpalette zu konzentrieren. Bei uns sind es beispielsweise TYPO3 für größere CMS-Projekte, WordPress für kleinere und die Pendants Magento beziehungsweise Prestashop im E-Commerce-Bereich. Das Wichtigste, was man im Laufe seiner Selbständigkeit und im Umgang mit Kunden generell lernen sollte, ist auch mal nein zu sagen und bei einem unguten Gefühl – sei es durch zu wenig Budget oder schlichtweg Antipathie – einen Auftrag auch mal abzulehnen. Das klingt im ersten Moment paradox, aber wenn man sich mit Aufträgen zuschmeißen lässt, die schlecht bezahlt werden oder der Kunde unbedingt ein Produkt geliefert haben will, das ihr nicht vertreten könnt, leidet darunter alles: die eigene Motivation, die Kundenbeziehung und nicht zuletzt die Qualität des Produkts. Nehmt euch also die Zeit, die (Entwicklungs-)Umgebung und das Budget, was ihr für sinnvoll erachtet und verkauft bitte nicht eure Seele, sondern denkt an ein gemeinsames Ziel! Nur so kann eine Agentur oder ein Freelancer erfolgreich werden und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen.

Skalierbarkeit, Projektmanagement und persönliche Wehwehchen

Projekte richtig zu koordinieren ist wichtig, damit ein Projekt nicht aus dem Ruder läuft. (Foto: Lewis Tse Pui Lung / Shutterstock.com)

Projekte richtig zu koordinieren ist wichtig, damit ein Projekt nicht aus dem Ruder läuft. (Foto: Lewis Tse Pui Lung / Shutterstock.com)

Eines ist klar: Ein solches Unterfangen steht und fällt auch mit den persönlichen Belangen der Beteiligten und dem Aufbau von Mechanismen, welche für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten unabdingbar sind. Für Mitarbeiter ist es daher unglaublich wichtig, eine sinnvolle Aufgabe im Team zu haben, damit so ungezwungen wie möglich und aus eigenem Antrieb ein cooles Produkt entwickelt werden kann, auf das man nachher blicken kann. So wie früher, wenn man eine Sandburg gebaut und stolz danach zu Mama gesagt hat: „Schau mal, die habe ich ganz alleine gebaut!“. Auch wenn Mütter (zumindest meine) irgendwann dazu geneigt haben ein „Hast du toll gemacht!“ – ohne dabei hinzuschauen – zu äußern, ist das beim Kunden eine komplett andere Sache. Also müsst ihr sehen, dass ihr Arbeiten vernünftig koordiniert und enge Rücksprache mit dem Kunden haltet, damit sich nichts in die falsche Richtung entwickelt.

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Dies geschieht zum Beispiel mit Hilfe von gewissen Tools und Methoden. Seit der Einführung der Prozessmanagement-Methoden Kanban und Scrum haben wir gemerkt, wie einfach es sein kann, Projekte zu koordinieren und zu skalieren. Für unser Kanban-Board nutzen wir Trello, da hier Tasks super verteilt werden können und jederzeit der Stand der Arbeitsmaßnahmen allen Beteiligten bewusst ist. Scrum eignet sich eher für Entwickler-Teams, die verschiedene Tasks in Stories unterteilen und so den Fortschritt dokumentieren und Absprachen halten können.

Fazit

Wir leben in einer Branche, die es ebenso einfach wie schwer macht seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Es gibt extrem viele Möglichkeiten bei der Umsetzung von Projekten und Aufgaben und jeder hat eine andere Meinung, welches CMS jetzt das Beste sei, wie man eine SEM-Kampagne aufsetzt oder welche sonstigen Online-Strategien sinnvoll wären. Wichtig ist, dass man ein gemeinsames Ziel verfolgt und messbare Erfolgsfaktoren von Anfang an eine Rolle spielen. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile und vor allem auch seine Grenzen. Diese gilt es genauestens einschätzen zu können, damit ein Projekt erfolgreich wird! Vom Programmierer heißt es nämlich oftmals: „Das geht alles … (rein theoretisch)“. Es liegt daher an jedem selbst, seine Möglichkeiten einschätzen zu können und eine realistische Umsetzung zu kalkulieren, damit hinterher niemand enttäuscht ist.

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5 Kommentare
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Josef

Schöner Artikel und ich kenne das ganze und deren Diskussionen aus dem Fotografie Bereich. Hat sich was geändert? Nein. Es ist leider in der Katastrophe geendet und das Netz und Co sind voller schlechter Fotos. Ich für meinen Teil habe meine Kunden. Weil ich mich auch auf einen Bereich spezialisiert habe und darin eben sehr gut bin.

Aber ich habe schon so viele „Webdesigner“ un Co kennengelernt, die meinten sie müssen den Fotografie Job übernehmen und der Kunden bräuchte keinen Fotografen. Jaja. Zum Gruseln die Ergebnisse. Und dann kommt der Kunde auch immer zurück.

Aus diesem Grunde habe auch kein Mitleid mit dieser Branche. Soll sie zusammenbrechen unter der eigenen Ignoranz.

Vielleicht aber auch nur vielleicht lernen sie ja dann „Schuster bleib bei Deinen Leisten“. Glaube ich aber nicht, da die Branche min zu 75% aus asozialen Ignoranten besteht.

Antworten
cartz

Das Problem liegt sicherlich vor allem in der ungenauen Beschreibung von Qualifikationen. Ich kenne es aus meinem Arbeitsumfeld (Bildungsbereich), dass wir schon häufiger mit „Webdesignern“ Kontakt hatten, die sich völlig überschätzen. Es vielleicht tatsächlich eine fachliche Grundqualifikation eingeführt werden, die ganz klare Grenzen aufzeigt, jedoch auch ein Minimum sichert. Ich lasse mir ein Haus schließlichlich auch nicht von einem Deutschlehrer planen. Trotz der hohen Dynamik in all diesen Bereichen muss dies doch möglich sein!

Antworten
riegeo

Ich kenne da aber auch gar einige Fotografen, die meinen Sie müssten auch „Webseiten“ verkaufen. Diese nennen Sie dann „Homepages“ und sind meist irgendwelche zusammengeschusterten Vorlagen.

Das Ganze lässt sich also auch umdrehen :-)

Ich persönlich sehe das Ganze allerdings nicht so eng, denn schließlich ist nicht jeder Kunder der richtige Kunde für mich. Wenn jemand bei einer Fotoagentur eine Website bestellt oder umgekehrt bei einem Webdesigner ein Fotoshooting, dann erhält er in den meisten aller Fälle eben auch das entsprechende Endergebnis. Jeder bekommt sozusagen was er verdient.

Antworten
Piter

Das Generalisieren ist logischerweise nicht in Ordnung. Ich betreibe Nearshore Outsourcing seit vielen Jahren. Wir arbeiten mit Agenturen und KMU’s zusammen. 80% der Probleme liegen an der mangelnden Organisation der Agenturen. Meistens ist es leider so, dass eine Agentur bzw. der verantwortliche Projektmanager versucht die Arbeit ohne jegliche Vorbereitung (nur Minibriefing anstatt einer klaren technischen Spezifikation oder zumindest Drehbuch/Mockup/Storyboard) abzugeben, dazu tut er das schon fast zu spät („früher ging nicht, weil wir mit der Konzeption nicht fertig waren“) und erwartet dann, dass der externe Dienstleister genau das realisiert, was der Kunde erwartet (was ihm selbst anscheinend bis zum letzten Moment auch nicht ganz klar war). Auf diese Art und Wiese bin ich auch anfangs schon mal auf die Nase gefallen. Deswegen kann ich heute nur appellieren: Liebe Agenturen… erstmal in eigenem Garten die Organisation in Ordnung bringen. Die meisten von euch werden dabei feststellen, dass für die meisten Projekten keine externe Unterstützung notwendig ist und vor einer Projektabgabe die Nächte und Wochenende nicht durchgearbeitet werden müssen!

Antworten
Web_Diver

Dem muss ich zustimmen. Manche Kunden meinen, als Dienstleister könne man Gedanken lesen.

Ebenfalls problematisch ist die Mentalität, immer mehr Extras rausholen zu wollen, ohne dass sich am Endpreis was verändert.

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