Amazon Kindle Colorsoft ausprobiert: Eine gute und eine schlechte Nachricht für Comic-Fans
Seit Jahren lese ich E-Books auf einem Amazon Kindle Paperwhite, dessen Modellname oder Herstellungsdatum ich nicht mehr kenne. Er funktioniert einfach, den Drang zum Wechseln habe ich nie verspürt. Bis jetzt. Denn mit dem Kindle Colorsoft hat Amazon seinen vielleicht spannendsten E-Book-Reader seit Jahren vorgestellt. Er kann Inhalte nicht nur in Schwarzweiß, sondern auch in Farbe anzeigen.
Sicher, andere Hersteller wie Tolino bieten das schon lange. Bei denen habe ich aber keine Comics in der Cloud. Die könnte ich natürlich auch auf dem iPad lesen. Dort buhlen allerdings Entertainment-Apps und Social-Media-Notifications um meine Aufmerksamkeit. Ein E-Book-Reader als ablenkungsfreies Lesegerät hat für mich schon immer Sinn ergeben. Ist der Colorosoft also der richtige Kindle für mich? Das wollte ich in den ersten Stunden, die ich mit dem Gerät verbracht habe, herausfinden.
Der Farbbildschirm ist der Star
Dass der neue Farbbildschirm beim Kindle die Hauptattraktion ist, wird schnell offensichtlich. Das 7 Zoll große und matte Display ist in ein Gehäuse aus Kunststoff eingebaut, an dem es wenig zu entdecken gibt. An der Unterseite gibt es neben dem USB-C-Anschluss zum Aufladen einen Knopf zum Ein- und Ausschalten. Auf der Rückseite prangt das Firmenlogo. Schlicht und einfach reicht manchmal ja auch.
Einmal eingeschaltet, erkennt man sofort, dass etwas anders ist. Alle Buchcover erscheinen in Farben. So kräftig wie auf einem iPad sind sie nicht. Sie wirken etwas pastelliger. Gerade bei Comics hat man aber tatsächlich das Gefühl, man schaue auf Papier. Ebenfalls ein gutes Beispiel für den Farbbildschirm sind Zeitschriften. Hier wirken die Farben einer Sportzeitschrift allerdings schon etwas blass, die Bilder der Fußballstars sehen leicht verwaschen aus.
Am besten sehen Farbinhalte natürlich bei voll aufgedrehter Hintergrundbeleuchtung aus. Das geht allerdings zulasten der Laufzeit. Bis zu acht Wochen soll der Kindle mit einer Ladung durchhalten. Bei voller Helligkeit gehen aber schon innerhalb kürzester Zeit die Prozentpunkte verloren. Wer Bücher bei moderater oder mit abgeschalteter Beleuchtung liest, hat wahrscheinlich bessere Chancen, diesen Wert zu erreichen.
Der Farbstil lässt sich beim Kindle auch anpassen. Ihr habt die Wahl zwischen dem Standard-Modus und einer Option für leuchtende Farben. Erster soll sich „für die tägliche Lektüren“, letzterer „die Farben bei weniger gesättigten Bildern“ verbessern. Unterschiede sind mir auf den ersten Blick zumindest bei den Comics nicht aufgefallen. Für den vollen Test schaue ich noch genauer hin.
Was beim Bildschirm sonst noch auffällt: Farbige Inhalte kann der Kindle nur mit einer Pixeldichte von 150 Pixeln pro Zoll (PPI) anzeigen. Bei normalen E-Books sind es 300 PPI. Trotzdem wirkt die Darstellung nicht unscharf. Details auf den Bildern kann man gut erkennen.
Kindle mit Comic-Modus
Was dagegen viel mehr bei der Ansicht der Comics stört: Auf dem Bildschirm wirkt die Schrift winzig. In der Kindle- (und früher in der Comixology-)App fürs Smartphone hat Amazon das gut gelöst. Über einen speziellen Modus könnt ihr von Panel zu Panel springen und euch jedes Bild und jede Sprachblase einzeln und in Ruhe ansehen. Das klappt auf dem E-Reader auch, indem man doppelt auf ein Panel tippt. Allerdings sind die Übergänge bedingt durch die Display-Technik nicht so fließend wie auf dem Smartphone oder Tablet. In einem Zwischenschritt zeigt der Kindle außerdem die neue Seite komplett wieder an. Das stört den Lesefluss ein wenig.
Die zweite Möglichkeit um die Bilder zu vergrößern, war die übliche Pinch-to-Zoom-Geste. Dann müsst ihr jeweils über die Seite scrollen. Das funktioniert immerhin einigermaßen flüssig, nervt aber beim Lesen.
Darüber hinaus ist die Oberfläche sehr einfach gehalten. Ihr habt Zugriff auf die Bibliothek oder Amazons Angebote. Neben dem Shop sind das die Angebote Kindle Unlimited oder der zum Prime-Abo gehörende Dienst Prime Reading. Zugriff auf Social-Apps oder andere Ablenkungsmöglichkeiten habt ihr weiterhin nicht.
Das muss man noch wissen
Das Gehäuse des Kindles ist nach IPX8 wasserdicht. Gut so, denn das stellt sicher, dass beim Schmökern in der Badewanne nicht gleich die ganze Bibliothek absäuft, wenn einmal ein Malheur passiert. Außerdem sind 32 Gigabyte Speicher an Bord. Mehr gibt es nur beim neuen Kindle Scribe. Der große Speicher ist für Comic-Fans wichtig, denn die Dateien sind deutlich größer als normale E-Books?
Erster Eindruck
Der Kindle Colorsoft hinterlässt einen gemischten ersten Eindruck. Für mich bleibt der Amazon-E-Book-Reader das beste ablenkungsfreie Lesegerät. Auch, dass ich jetzt Comics und Zeitschriften lesen kann, gefällt mir eigentlich ganz gut. Gewöhnen muss man sich an langsameren Bildaufbau. Auf dem iPad macht das mehr Spaß. Auch die Farben sehen dort besser aus. Deswegen sollte man sich vorher gut überlegen, ob man die rund 290 Euro investieren möchte, die Amazon aufruft. Denn wer nur E-Books lesen möchte, der braucht das Farbdisplay nicht. Hier tut es auch der normale Kindle für 110 Euro.
Hinweis: In der ersten Version dieses Artikels stand, dass der Kindle anders als die Kindle-App keine Zoom-Funktion für Comics bietet. Wir haben diesen Punkt nachgetragen.