Riskantes Spiel: Warum regionale Lebensmittelhändler mit Amazon kuscheln

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Zweistellige Wachstumsraten und nach den Schätzungen der Marktforscher von One Click Retail einen Umsatz von 30 Millionen Euro im zweiten Quartal alleine im Bereich Lebensmittel – es läuft rund für Amazon im deutschen Lebensmittelmarkt, obwohl die Party noch gar nicht richig begonnen hat. Ohne Partner aus dem bestehenden Marktumfeld sind solche Zuwachsraten allerdings nicht zu stemmen. Doch gerade diese teilweise deutlich kleineren Partnerunternehmen spielen ein gefährliches Spiel, aus dem sie über kurz oder lang als Verlierer hervorgehen könnten.
Feneberg, Tegut, Basic: Amazon sucht sich kleine Partner
Der Name Feneberg dürfte selbst vielen Kunden in Südbayern und dem Allgäu nichts sagen. Ein regionaler Lebensmittelhändler aus Kempten, der zwar auch in München drei Filialen betreibt, mit insgesamt 76 Filialen dennoch eher nicht zu den Schwergewichten im bayerischen Lebensmittelhandel zählt. Jetzt liefert Prime Now rund 4.000 Produkte des Mittelständlers in München und Umgebung innerhalb von einer Stunde aus, ein Angebot, das Feneberg nicht ablehnen wollte und konnte: „Wenn der große Zug mal rollt, können wir nicht mehr aufspringen“, zitiert die Süddeutsche Hannes Feneberg anlässlich der Auftaktveranstaltung vergangene Woche.
Doch muss das Unternehmen, ähnlich wie andere Partner, die auf Amazon setzen, aufpassen, dass es nicht unter die Räder kommt. Egal ob der hessische Tegut-Supermarkt oder die Münchner Bäckereikette Rischart – sie alle setzen auf die Expansion eines Geschäfts, das sehr schnell an ihnen vorbei laufen kann, wenn Amazon die ursprünglich ausgelagerten Produktbereiche selbständig oder mit einem anderen Partner betreibt. Unangenehme Verhandlungen und Preisdruck sind hier vorprogrammiert.
Dahinter steckt die (teilweise berechtigte) Hoffnung, auch überregional bekannt zu werden, wie Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet gegenüber der Lebensmittelpraxis erklärte. Zudem fehlt gerade vielen lokalen Partnern noch die Strategie und das Know-how, um ohne den großen Vordenker aus Seattle etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen. Für Feneberg gilt das indes nicht: Das Unternehmen betreibt unter dem Label Freshfoods schon einen eigenen (kleinen) Online-Shop, der Haushalte in München mit regionalen Lebensmitteln aus dem Allgäu versorgt.
Die Big Four treiben die Kleinen Amazon in die Arme
Dennoch dürfte auch den Kooperationspartnern von Amazon bewusst sein, dass das Unternehmen in der Vergangenheit nicht gerade durch zimperlichen Umgang mit seinen Partnern bekannt geworden ist. Die Großen der Branche in Deutschland – namentlich Aldi, Lidl/Kaufland, Rewe und Edeka – vereinigen auf sich aktuell mehr als 80 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes.
Sie haben dem Vernehmen nach aus gutem Grund kein Interesse an einer Kooperation mit Prime Now gezeigt. Denn sie können gegebenenfalls aus eigener Kraft den Online-Lebensmittelmarkt erobern und ihnen ist bewusst, dass Amazon in fünf oder zehn Jahren einen erklecklichen Anteil ihres Geschäfts abgraben kann.
Lebensmittel online: Noch hohe Zuwächse möglich
Doch muss man mit den Big Four des deutschen Lebensmittelhandels Mitleid haben? Wohl eher nicht, denn sie haben teilweise mit Backstationen, abgepackten Fleischwaren und Getränkesortimenten das Ökosystem empfindlich geschädigt, das noch vor einigen Jahren rund um die Einkaufsmärkte bestand. Und sie haben mit ihrer Marktmacht kleineren Handelsketten weitgehend die Möglichkeit des eigenen organischen Wachstums genommen. Das rächt sich nun, indem diese dem eigentlichen Erzfeind aus den USA in die Arme laufen.
Aktuell liegt der Umsatz, der in Deutschland online mit Lebensmitteln gemacht wird, bei rund einer Milliarde Euro im Jahr. Das Potenzial dürfte etwa beim acht- bis zehnfachen Umsatz liegen, mittelfristig sogar höher. Kein Zweifel: Es wird im deutschen Lebensmitteleinzelhandel viele Verlierer und langfristig vor allem einen Gewinner geben.
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