Amazon Prime: Vom Premium-Angebot zur Mogelpackung? Ein kritischer Blick auf den Wandel

Vor einigen Jahren war Amazon großzügig zu seinen Premium-Kund:innen. Diejenigen, die für ein paar Euro im Monat den Prime-Status buchten und dem Unternehmen nachweislich mehr Umsatz bescherten, konnten nicht nur alle ihre Sendungen schnell und unkompliziert ohne Extra-Versandkosten teilweise noch am selben Tag oder nur einen Tag später erhalten, sie bekamen den Videodienst Amazon Prime Video, den Musikdienst Amazon Music Prime und einige Extras im Gaming-Bereich sowie Speicherplatz für eigene Fotos. Dazu gab’s noch zu den Shopping-Events Prime Day und Black Friday sowie Cyber Monday Extra-Rabatte auf viele Angebote, beziehungsweise man behielt die Angebote kurzerhand gleich den Prime-Mitgliedern vor.
Doch die großzügigen Zeiten des Unternehmens scheinen immer mehr der Vergangenheit anzugehören. Regelmäßig schraubt Amazon an Prime Video, verschlechtert die Konditionen und erhöht die Werbeeinblendungen – eigentlich ein No-Go bei einem bezahlten Streamingdienst. Das werbefinanzierte Angebot Freevee wurde kurzerhand eingestellt und werbefreien Film- und Serienspaß gibt’s seit vergangenem Jahr nur noch für 2,99 Euro extra. Hinzu kommt: Viele der kostenfreien Prime-Filme und –Serien landen schon nach kurzer Zeit hinter der Bezahlschranke. Gerade Eltern wissen, was das für Diskussionen nach sich ziehen kann, wenn die beliebte Kinderserie von einem auf den anderen Tag nicht mehr abrufbar ist.
Doch damit nicht genug: Das Prime-Music-Angebot wurde zwar offiziell um stolze 100 Millionen Songs erweitert, die lassen sich dafür aber nicht mehr einfach so aufrufen, was der USP und die Standardanwendung eines Musikdienstes sind. Stattdessen müssen Nutzer:innen sich auf zufällige Wiedergabe beschränken, bekommen beim Aufruf von Metallica etwa die Scorpions serviert oder ähnliche alberne Übergriffigkeiten.
Bekleidungsbestellung zur Auswahl? Einfach gestrichen
Da passt die vergangene Woche angekündigte Einstellung von Amazon Wardrobe (im Deutschen mit dem etwas sperrigen Namen „Prime erst Probieren, dann Zahlen“) ins Bild. Bisher konnte man bis zu sechs Teile aus dem Bereich Bekleidung zur Auswahl und Ansicht bestellen und musste nur bezahlen, was man behielt. Die Rechnung dahinter, die für Amazon offenbar nicht aufging: Wer einiges zur Auswahl bestellt, behält auch mehr. Amazon selbst erklärt, der 2018 gelaunchte Dienst sei „gar nicht so beliebt“ gewesen und „nicht mehr in der Form notwendig“. In der Tat dürfte der Service mit hohen Kosten verbunden gewesen sein, denn Retouren sind für die Unternehmen niemals umsonst. Im Fall der Bekleidung kommt noch hinzu, dass neben der Prüfung und Wiederherstellung des verkaufbaren Zustands auch noch Ware lang im Umlauf ist – bei vergleichsweise kurzen Saisonzeiten.
Doch das ist bei Weitem nicht das einzige Feature, das über die Jahre eingespart wurde. Für alle gilt beispielsweise, dass die Rücksendefristen für einige Warengruppen auf die gesetzliche Mindestzeit von zwei Wochen reduziert wurde. Und viele Kund:innen dürften sich noch an weitere Annehmlichkeiten wie das Drive-Cloud-Angebot erinnern, an Lebensmittellieferungen, an das Amazon-Smile-Spendenangebot, an einige weitere Features, die über die Jahre kassiert wurden.
Zu sparsam gegenüber den Kund:innen? Das könnte sich rächen
Kurzum: Amazon ist verdammt geizig geworden, setzt überall den Rotstift an und spart das Prime-Angebot immer weiter zusammen. Für treue Kund:innen bleibt ein fader Beigeschmack – denn die Premium-Kund:innen, die dafür mit 8,99 Euro im Monat oder 89,90 Euro im Jahr zur Kasse gebeten werden, können sich immer weniger königlich behandelt fühlen. Die Leistung, die uns Amazon für dieses Geld bietet, wird immer geringer, eine Art versteckte Inflation, wenn man so will.
Das ist in einer Zeit, in der der Präsenzhandel wieder etwas Aufwind erlebt und den Menschen das Geld ohnehin nicht mehr so locker sitzt, der falsche Ansatz. Und so muss Amazon aufpassen, dass man die Kund:innen nicht verprellt. Über viele Jahre war Amazon die erste Anlaufstelle für E-Commerce, der No-Brainer, wenn es um einfaches Bestellen und großzügigen Kundenservice ging. Dafür waren die Kund:innen oft bereit, einen akzeptablen Aufpreis zu zahlen. Doch das muss nicht so bleiben, insbesondere wenn der Anreiz entfällt, dass man „das ja ohnehin gebucht hat“. Für viele Mitbewerber:innen ist das ein Grund zum Aufatmen.
Jeff Bezos gehört nun zur Entourage von Trump. Eine preisgekrönte Zeichnerin der Washington Post (gehört Bezos) hat gekündigt, da ihre Trump Karikatur abgelehnt wurde, vorauseilender Gehorsam. Amazon zahlt die Steuern in Luxemburg… Vielleicht wäre ein wenig Gegenwind ganz gut?