- Von Krypto zu KI: Aus Atlantic Crypto wird Coreweave
- Massive Schulden und große Risiken: Coreweave und die KI-Blase
- Die heimische Konkurrenz für KI-Rechenzentren schläft nicht
- Evroc will der europäische KI-Hyperscaler werden
- Nebius als EU-Konkurrenz zu Coreweave?
- Nscale: Das KI-Komplettpaket aus dem Vereinigten Königreich
- KI-Rechenzentren: Zwischen Risiko und Chance
Hype um KI-Rechenzentren: Coreweave und seine Konkurrenz aus Europa und den USA

Nvidia macht trotz langen Wartezeiten auf seine Chips Milliardenumsätze, ein Drittel des 2024 weltweit investierten Risikokapitals fließt laut Pitchbook in KI-Startups. Der Hype-Zyklus um generative künstliche Intelligenz, losgetreten von der Veröffentlichung von ChatGPT im Jahr 2022, ist in vollem Gange. Da ist es wenig verwunderlich, dass Marktanalyst:innen Alarm schlagen, was die nötigen Kapazitäten für Rechenzentren angeht.
Quellen wie McKinsey, Goldman Sachs und Boston Consulting Group zufolge gab es 2023 einen weltweiten Bedarf an Rechenzentrumskapazität zwischen 50 und 60 Gigawatt. Dazugehörigen Prognosen zufolge könnte sich diese bis 2030 verdreifachen, mindestens aber verdoppeln.
Der Bau eines Rechenzentrums nimmt mehrere Jahre in Anspruch und kann durch zahlreiche Faktoren wie die Auslastung des Stromnetzes oder Rohstoffengpässe zurückgeworfen werden. Deshalb geben nicht nur Großanbieter wie Microsoft oder Meta schon jetzt jeweils mehr als 50 Milliarden US-Dollar für KI-optimierte Serverfarmen aus. Auch Startups in diesem Industriezweig sind im Aufwind.
Die Firma, die derzeit am meisten Aufmerksamkeit bekommt, ist Coreweave. Das Startup vermietet auf KI spezialisierte Cloud-Infrastruktur in Rechenzentren, hauptsächlich in den USA. Marktführer wie Nvidia und OpenAI sind an der Firma beteiligt, der Börsengang sollte dem Unternehmen laut CNBC ursprünglich eine Marktkapitalisierung von rund 27 Milliarden US-Dollar und eine Finanzspritze in Höhe von etwa drei Milliarden Dollar einbringen.
Ob Coreweave auf Dauer erfolgreich sein wird, ist unsicher. Wir haben uns das Startup und seine Konkurrenz in den USA und Europa genauer angeschaut.
Von Krypto zu KI: Aus Atlantic Crypto wird Coreweave
Seinen Anfang nimmt Coreweave als Atlantic Crypto. Die drei Hedgefonds-Manager Michael Intrator, Brian Venturo und Brannin McBee gründen das Startup für Ethereum-Mining im Jahr 2017. Zusätzliche Kapazitäten vermieten sie an andere Krypto-Miner. Das wird auch zur Grundlage für das neue Geschäftsmodell der Firma.
2020 taucht diese zum ersten Mal unter dem neuen Namen Coreweave in den Datenbanken der US-Finanzaufsichtsbehörde SEC auf. Nach dem Krypto-Crash von 2018 fokussiert sich das Startup in seiner Neuausrichtung darauf, Rechenleistung in Form von modernen Grafikkarten an KI-Kunden zu vermieten.
Auf den ersten Blick ist die Umorientierung ein Erfolg. Bevor eine Firma in den USA an die Börse gehen kann, muss sie in einem Dokument mit dem Kürzel S-1 haarklein darlegen, wie es um ihr Geschäft steht. So sollen sich zukünftige Investor:innen ein möglichst komplettes Bild machen können.
Coreweaves S-1 zeigt, dass die Firma 2024 rund zwei Milliarden Dollar Umsatz gemacht hat, 737 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Flotte von 250.000 Grafikchips, zu denen die Firma dank ihres Status als Nvidia Preferred Partner vorzeitigen Zugang hat, in 32 Rechenzentren klingt beeindruckend.
Massive Schulden und große Risiken: Coreweave und die KI-Blase
Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass sich Coreweave hauptsächlich über Schulden in zweistelliger Milliardenhöhe finanziert. Dabei hilft dem Startup sein Nvidia-Fuhrpark. Wie Reuters schon 2023 berichtet, stammen allein zwei Milliarden Dollar Kapital aus einem mit Grafikchips abgesicherten Darlehen. Dazu kommt, dass die Firma zwar Rekordumsätze einfährt, 2024 unter dem Strich jedoch rund 900 Millionen Dollar Verlust gemacht hat.
Allein 360 Millionen Dollar davon sind Zinsen. Die dürften in den kommenden Monaten noch weiter nach oben schnellen. Der Ausbau von derzeit 360 Megawatt an Rechenzentrumskapazität auf die Kunden zugesicherten 1,3 Gigawatt ohne enorme zusätzliche Kredite, die wiederum den Gewinn drücken, scheint so kaum sichergestellt. Die Erlöse aus dem Börsengang dürften hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Stichwort Kunden: Ein weiteres Indiz dafür, dass Coreweave einen Drahtseilakt vollzieht, ist der Fokus auf einige wenige Abnehmer. Dem S-1-Dokument zufolge stammten drei Viertel des Umsatzes im Jahr 2024 von zwei Kunden, rund 62 Prozent allein von Microsoft.
Dass die Firma sich bei einer Investition von 80 Milliarden Dollar in Rechenzentren und dem Kauf von einer halben Million H100-Beschleuniger von Nvidia auch in Zukunft auf das Anmieten von Rechenleistung konzentriert, ist unwahrscheinlich. Bricht also Microsoft auch nur in Teilen als Kunde weg, verbrennt Coreweave potenziell mehr Geld, als es wieder einnehmen kann.
Die heimische Konkurrenz für KI-Rechenzentren schläft nicht
Auch wenn Coreweave aufgrund seines anstehenden Börsengangs und der dazugehörigen Berichterstattung am meisten Aufmerksamkeit bekommt, gibt es doch einiges an Konkurrenz. In den USA sind das beispielsweise Lambda und Crusoe Energy, die Coreweave auch im dazugehörigen SEC-Dokument erwähnt. Die Größenordnung ist jedoch eine andere.
Dem State of AI Compute Index zufolge, der sich auf öffentlich einsehbare Quellen bezieht, hatte Lambda im November 2024 rund 30.000 H100-Beschleuniger in Colocation-Rechenzentren im Portfolio. Im Januar 2025 nahm die Firma erste Server mit Nvidias neuem Blackwell-Chip über ihren Rechenzentrumspartner Pegatron in Empfang, buchen kann man diese bisher nicht.
Die Konkurrenz von Crusoe baut derweil an einem neuen KI-Campus im texanischen Abilene. Laut Firmenangaben soll dessen Endkapazität bei rund 1,2 Gigawatt liegen. Der erste Bauabschnitt, der noch in der ersten Jahreshälfte 2025 abgeschlossen werden soll, bietet rund 200 Megawatt Kapazität mit Platz für bis zu 100.000 GB200-Chips. Auch hier stellt sich die Finanzierungsfrage. Forbes-Berichterstattung zufolge lag der Umsatz von Crusoe, das seine Ursprünge ebenfalls in der Krypto-Branche hat und als Nvidia-Partner gelistet ist, 2024 bei rund 300 Millionen Dollar.
Evroc will der europäische KI-Hyperscaler werden
Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in den USA wird die Frage nach digitaler Souveränität in Europa immer wichtiger. Das lässt sich auch auf das Problemfeld Rechenzentren übertragen. Im weniger rechenintensiven regulären Cloud-Bereich gibt es schon zahlreiche Alternativen wie Nextcloud aus Deutschland oder das französische Unternehmen OVHcloud. Was KI-optimierte Serverfarmen angeht, sieht das noch anders aus.
In Deutschland gibt es beispielsweise laut Bitkom-Erhebung lediglich rund drei Gigawatt verfügbare Rechenzentrumsleistung, 45 Prozent davon in Cloud-Rechenzentren. Damit ist die Bundesrepublik zwar europaweit führend, im internationalen Vergleich gerade mit den USA und China allerdings abgeschlagen.
Während sich in Deutschland wenig hinsichtlich der Etablierung von neuen KI-Rechenzentren tut, sind andere europäische Länder umtriebiger. Evroc aus Schweden wurde beispielsweise 2023 gegründet. Das Startup bietet seine Dienste noch nicht öffentlich an, betreibt allerdings laut Techcrunch schon vier Colocation-Instanzen in Stockholm und Paris. Bis 2028 will die Firma ihr Angebot auf acht Rechenzentren erweitern, und auch Evroc setzt für die Finanzierung auf Schulden mit KI-Chips als Sicherheit.
Eine echte Konkurrenz zu Coreweave ist Evroc noch nicht. Zuletzt hatte die Firma eine Finanzierung in Höhe von 50 Millionen Euro eingesammelt.
Nebius als EU-Konkurrenz zu Coreweave?
Ein deutlich größeres Unterfangen ist das von Nebius. Die in Amsterdam ansässige Firma ist eine Abspaltung vom Google-Konkurrenten Yandex. Die fand statt, um Einschränkungen durch Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu umgehen.
Nebius betreibt ein eigenes Rechenzentrum in Finnland und ist zusätzlich in ein Colocation-Rechenzentrum in Paris eingemietet. Als einziger europäischer Konzern hat Nebius einen expliziten Nvidia-Bonus. In einer Mitteilung führt der Chiphersteller den Rechenzentrumsbetreiber als eine der wenigen Firmen auf, die bevorzugt mit GB200-Chips versorgt werden.
Neben seinen europäischen Rechenzentren will Nebius auch auf dem US-Markt Fuß fassen. Laut des aktuellen Jahresberichts der Firma soll die erste US-Anlage in Kansas mit einer Grundkapazität von fünf Megawatt noch Ende des ersten Quartals 2025 ans Netz gehen. Insgesamt hat Nebius 2024 rund 800 Millionen Dollar in neue Projekte investiert und einen Jahresverlust von rund 300 Millionen Dollar bei Umsätzen von etwa 120 Millionen Dollar erwirtschaftet.
Nebius’ Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz: Die Firma war Stand September 2024 nach eigenen Angaben schuldenfrei.
Nscale: Das KI-Komplettpaket aus dem Vereinigten Königreich
Ein weiterer potenzieller Coreweave-Konkurrent hat seinen Sitz in London. Das Startup Nscale, das erst vor zehn Monaten öffentlich in Erscheinung getreten ist, will anders als viele seiner Konkurrenten einen kompletten KI-Tech-Stack anbieten und die gesamte Infrastruktur ohne Hilfe von außen abbilden. Im Dezember 2024 war dieses Versprechen Investor:innen 155 Millionen Dollar wert.
Derzeit betreibt Nscale ein Rechenzentrum in Norwegen mit einer Kapazität von 30 Megawatt. Das soll im zweiten Halbjahr 2025 auf 90 Megawatt erweitert werden, wie die Firma diese Woche per Pressemitteilung bekannt gab. Insgesamt ist eine Kapazität von 1,3 Gigawatt in Europa und den USA geplant.
Das Besondere an Nscale: Alle Rechenzentren sollen mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Im Pilotprojekt in Norwegen sorgt dafür beispielsweise ein Wasserkraftwerk. Wie Nscale den massiven Ausbau seiner Kapazitäten finanzieren will, ist unklar. Zu Umsätzen schweigt sich die Firma jedenfalls aus.
KI-Rechenzentren: Zwischen Risiko und Chance
Egal, ob Coreweave, Lambda und Crusoe in den USA oder Evroc, Nebius und Nscale in Europa: Das Narrativ, dass nur große Hyperscaler wie Microsoft, Oracle oder Meta den Ausbau der Rechenzentrumskapazität für KI vorantreiben, ist nicht mehr haltbar. Gerade die kleineren Firmen sind aber derzeit noch weit entfernt von nachhaltigem Wirtschaften, die Investitionen übersteigen die potenziellen Einnahmen massiv.
Ob die Startups aus den USA und Europa mit ihren Plänen Erfolg haben, liegt letzten Endes auch daran, wie sehr generative KI sich von Leuchtturmprojekten in die tatsächliche Geschäftspraxis überführen lässt. Einer Umfrage von McKinsey zufolge, an der im Juli 2024 rund 1.400 Befragte in 101 Ländern teilnahmen, wurde generative KI von 71 Prozent der Befragten für mindestens einen Zweck in ihrem Unternehmen genutzt.
Regelmäßig eingesetzt wurde diese meistens von weniger als einem Viertel der Umfrageteilnehmer:innen. Nur in den Unternehmensbereichen Marketing und Sales und Produktentwicklung scheinen KI-Tools stärker verfangen zu haben. Ob das Geschäftsmodell der Rechenzentrumsbauer Bestand hat oder wie ein Kartenhaus zusammenfällt, hängt also auch maßgeblich davon ab, wie umfassend die Nutzung von KI in Unternehmen in allen Bereichen in Zukunft tatsächlich aussehen wird.