Warum eure Mitarbeiter durch Anweisungen verdummen
Mittagspause ist zwischen zwölf und 13 Uhr. Laut Anweisung für die Erstellung der Reisekostenabrechnung laufen Dienstreisen mit Bus und Bahn, ein Mietwagen muss extra beantragt werden. Wochenendarbeit geht nur in Ausnahmefällen. Welche das sind, steht unter Ziffer 3.1.2 im Handbuch. Investitionen ab 500 Euro brauchen die Unterschrift vom Chef, so die aktuelle Budget-Richtlinie. Das Vertriebshandbuch schildert detailliert, ab wann und wie die Kulanz beim Kunden gestattet ist. Und geht was schief, wird schnell eine neue Regel aufgestellt.
Doch das macht alles nur noch schlimmer.
Anweisungen abschaffen
Nicht nur, dass das Studieren der Handbücher wertvolle Ressourcen bindet, es bringt auch eine entscheidende menschliche Fähigkeit zum Erliegen: das Denken. Menschen, die im Privatleben souverän Entscheidungen treffen, werden im Job plötzlich zu marionettenartige Regel-Erfüllern. Ja aber, man müsse den Mitarbeitern doch sagen, wie sie sich verhalten sollen, damit der Laden läuft, so der Einwand vieler Führungskräfte. Doch das Gegenteil ist der Fall. Je mehr Anweisungen den Betriebsalltag bestimmen, desto weniger wird am Ende laufen.
„Zu viele Regeln und Regulierungsmaßnahmen bringen Menschen überhaupt erst dazu, sich dumm zu verhalten“, beschreibt die Autorin und Vortragsrednerin Anja Förster das Dilemma in ihrem Blog. Mitarbeiter würden durch all die Vorschriften verlernen, selbst zu denken. Dramatisch – gerade in einer Zeit, in der sich die Marktverhältnisse von einem Tag auf den anderen verändern und es vor allem auf die Kreativität der Mannschaft ankommt. „Werden die Regeln im Unternehmen auf ein notwendiges Minimum reduziert, muss jeder Mitarbeiter wieder mehr mitdenken: Entscheidungen abgestimmt treffen. Sich mit den Kollegen absprechen. Auf dem Laufenden bleiben. Wach sein“, ist Förster überzeugt.
Mit agilem Recruiting die richtigen Talente finden und binden – in unserem Guide erfährst du, wie es geht!
Macht es wie Bohmte!
Bohmte, ein Dorf in Niedersachsen, hat vor einiger Zeit etwas Ungeheuerliches gewagt: Es hat sämtliche Verkehrsschilder abgeschafft. Seitdem gibt es keine Vorfahrtsschilder, keine Ampeln, keinen Zebrastreifen mehr. Genau genommen gibt es nicht einmal eine richtige Straße. Shared Space heißt das Konzept aus den Niederlanden und bedeutet gemeinsam genutzter Raum.
Wie geht es dem Dorf damit? Versinkt Bohmte im Chaos? Geht die Unfallrate durch die Decke? Nichts dergleichen. Das System ist so selbstregulierend wie der Menschenstrom auf einer Schlittschuhbahn: Die Schnellen achten auf die Langsamen, man lässt sich Raum, gibt auch mal nach. Es erfordert Rücksichtnahme und Verantwortung. Von allen, für alle. Und der Effekt? Der Verkehr fließt flüssiger und Unfälle tendieren gegen null. Nachweislich!
Davon können sich Unternehmen eine Scheibe abschneiden – und lieber eine Regel weniger als mehr in die Organisation hineindrücken. Dass Mitarbeiter ihr Handeln auf die Gegebenheiten ihres Umfeldes abstimmen können, liegt für die Querdenkerin Förster auf der Hand: „Die meisten Menschen können sehr wohl für sich herausfinden, was in einer bestimmten Situation das beste Verhalten ist.“
Mehr zum Thema: Schluss mit dem Kontrollwahn – Erfolg braucht Eigenverantwortung