App-Chaos vorprogrammiert: Sonos hätte besser mehr auf seine Mitarbeiter gehört
Die Veröffentlichung der rundum erneuerten Sonos-App im Mai 2024 hat das Unternehmen ins Chaos gestürzt. Viele Kund:innen sind wegen fehlender Funktionen und Fehlern erbost und frustriert. Der Sonos-CEO Patrick Spence entschuldigte sich gar öffentlich und versprach, viele Updates, die vertraute Funktionen zurückbringen sollen.
Mitarbeiter:innen warnten vor zu frühem Release der App
Wie Bloombergs Dave Lee berichtet, hätte der Hersteller das Chaos, in dem er sich hinein manövriert hat, verhindern können. Das geht laut Bloomberg aus einer internen Untersuchung durch den Chefsyndikus des Unternehmens, Eddie Lazarus, hervor, die der Sonos-CEO in Auftrag gegeben hatte.
Lazarus befragte laut Lee „rund zwei Dutzend wichtige Mitarbeiter“ und sichtete Aufzeichnungen alter Sitzungen, bevor er seinen Bericht Ende Juli Spence und dem Vorstand des Unternehmens vorlegte. Lazarus wollte keine konkreten Angaben zu seinen Erkenntnissen bekannt geben. Lee hatte indes selbst mit unternehmensnahen Quellen gesprochen, durch die er recht klares Bild zeichnen konnte. Zudem ist Bloomberg an eine Videobotschaft von Spence an die Sonos-Mitarbeiter:innen zur Untersuchung gelangt.
Der Lazarus-Bericht werde die Grundlage für neue „Verpflichtungen“ für das Unternehmen bilden, sagte Spence unter anderem im Video. Ferner habe das Unternehmen „die feste Absicht, Lehren aus diesem schwierigen Kapitel zu ziehen“, so Spence. Der CEO strich als eine der Konsequenzen jedoch sämtliche jährliche Boni und leistungsbezogene Gehaltserhöhungen.
Vor App-Launch: Sonos-Mitarbeiter:innen sollen in Meetings geschrien haben
Wie Lee weiter berichtet, kochte die Frustration der Mitarbeiter:innen kurz vor dem Release im Mai über, da die App noch lange nicht fertig war. Sonos-Mitarbeiter:innen hätten Spence und andere Führungskräfte direkt und nachdrücklich über den unfertigen Status der App gewarnt. Drei Quellen beschrieben „Geschrei“ und „Gebrüll“ in Meetings.
Die Mitarbeiter:innen befürchteten, dass Sonos‘ Wachstumsbestrebungen und Spence‘ Versprechen an Investoren auf Kosten „langjähriger treuer Kunden“ gehen, so Bloomberg. Diese Bedenken wurden einem Mitarbeiter zufolge eines schnelleren Wachstums wegen ignoriert. „Sie dachten, sie würden eine so große, mutige Entscheidung treffen. Es war die falsche Entscheidung“, so ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber Lee.
Sonos hatte einen Berg an technischen Schulden
Nicht nur die Warnungen der Mitarbeiter:innen wurden ignoriert, so Lee: Sonos hatte in den letzten zwei Dekaden hohe Berge an „technischen Schulden“ angehäuft. „Als das Unternehmen Mitte 2022 damit begann, seine App zu überarbeiten, wusste es, dass es auf einer Infrastruktur und einem Code saß, der in ziemlich veralteten Sprachen geschrieben war.“
In den vergangenen Jahren wurde Sonos-App schon oft angepasst und verändert, sodass der Großteil der Arbeit für die neue App weniger darin bestand, neue Funktionen zu integrieren, „als das bestehende Chaos zu beseitigen“, heißt es. Das Resultat ist offensichtlich: Der neuen App fehlten viele Funktionen, die langjährigen Bestandskund:innen vertraut und essenziell waren.
Sonos zu sehr getrieben von Investoren?
Dass Sonos die neue App dennoch unfertig auslieferte, lag offenbar am Versprechen des CEO an die Investoren, zwei neue Produkte pro Jahr auf den Markt zu bringen. Das erste waren die ANC-Kopfhörer Sonos Ace (Test), mit denen der Hersteller im Mai einen neuen Milliardenmarkt betreten hat.
Gleichzeitig zu den Ace-Plänen verpflichtete Spence sich laut Lee, die Ausgaben niedrig zu halten. Das Resultat waren Entlassungen im Juni und im August 2023. Zu den Entlassenen gehörten auch Mitglieder der Qualitätssicherungs-Teams des Unternehmens – jene, die sich um eine zuverlässig funktionierende App kümmern.
Sonos-Chef bekommt Frust der Kund:innen direkt ins Postfach
In den letzten Monaten hat Sonos schon viele fehlende Funktionen nachgereicht, fertig ist die neue App auch Monate nach Release immer noch nicht. Um Nutzer:innen auf dem Laufenden zu halten, pflegt der Hersteller ein öffentliches Trello-Board, auf dem Fehler, eine Roadmap und der Fortschritt der Implementierung neuer Funktionen festgehalten werden.
Den Frust der Nutzer:innen bekommt Spence täglich zu spüren: Zum einen stellt er sich regelmäßig Fragen und Antworten auf Reddit. Ähnlich wie Apple-Chef Tim Cook und Amazon-Gründer Jeff Bezos, besitzt er eine E-Mail-Adresse, mit der Kund:innen sich mit Beschwerden und Feedback direkt an ihn wenden könnten.
Zwar würden nicht alle direkt von Spence, sondern den Support-Teams bearbeitet, er schalte sich laut Bloomberg auch persönlich ein. Angesichts der seit Mai eingehenden Mails wäre das auch schwer zu bewältigen: Während er Bloomberg zufolge zuvor ein paar Dutzend Mails erhielt, sollen seit Release der App mehr als 30.000 eingehen.