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Interview
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Apple, Tesla und Wirecard: Sind die Tech-Aktien wirklich ihre Rekordpreise wert?

Wirecard hat kürzlich die Deutsche Bank überholt und ist damit Deutschlands teuerstes Geldhaus. Apple ist jetzt eine Billion wert. Höchste Zeit für ein Expertengespräch über die Boom-Preise und die Frage, warum man selbst nicht früher eingestiegen ist, obwohl man es doch geahnt hat.

Von Jan Vollmer
7 Min. Lesezeit
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Apple war ohnehin schon die teuerste Firma der Welt. Der Preisanstieg der Aktie machte die Firma Anfang August noch zur ersten amerikanischen Firma mit einer Billionen-Bewertung. (Foto: dpa)

Wer sich im Sommer 2018 die Preise der Tech-Aktien anschaut, kann zu zwei Schlüssen kommen: Entweder haben ein paar wenige Tech-Riesen die komplette traditionelle Industrie abgehängt. Oder die Händler in New York und Frankfurt haben sich zu lange die Sonne auf den Kopf scheinen lassen. Apple ist Anfang August zur ersten amerikanischen Firma geworden, deren Aktien zusammen mehr als eine Billion US-Dollar wert sind. Elon Musk hat den Wert von Tesla mit ein paar Tweets über die 60-Milliarden-Dollar-Marke gebracht. Dabei hat er selbst schon mal Zweifel daran geäußert, ob Tesla wirklich so viel wert ist. Und seit Neuestem ist Wirecard, ein Laden, der erst seit 2006 überhaupt eine Banklizenz hat, mehr wert als die Deutsche Bank.

Es drängen sich Fragen auf: Sind die neuen Tech-Riesen den Preis wert? Oder ist das die 2018er-Version der Dotcom-Bubble? Wir haben mit Heiko Jacobs darüber gesprochen. Jacobs ist Professor in Essen und forscht dort zu Kapitalmärkten, Preisen und Anomalien.

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t3n.de: Apple hat die Billion geknackt, Tesla hat Ford überholt und Wirecard jetzt die Deutsche Bank. Sind diese Preise gerechtfertigt?

Heiko Jacobs: Preis ist eine Sache von Angebot und Nachfrage. Was ist die Firma wert? Die Frage ist in die Zukunft gerichtet. Welche Erträge gibt es in den nächsten Jahren und theoretisch bis in die Unendlichkeit? Diese Erträge werden dann abgezinst, wegen des Risikos und des Zeitwerts des Geldes: Noch sind die Erträge der Zukunft ja unsicher. Und alle Erträge, die später anfallen, sind jetzt weniger wert. Das alles ist extrem subjektiv. Verschiedene Marktteilnehmer kommen zu verschiedenen Einschätzungen. Es kommt aber ja erst zum Handel, weil es verschiedene Meinungen gibt. Die Zahl, die wir dann an der Börse sehen, ist der Gleichgewichtspreis aus diesen verschiedenen Meinungen.

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t3n.de: Okay, das heißt, diese hohen Aktien-Bewertungen sind gerechtfertigt?

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Wenn du an unserem Finance-Lehrstuhl eine Umfrage machen würdest, würden die Leute sagen: „Märkte sind näherungsweise effizient.“ Das ist die sogenannte Markteffizienzhypothese, für die Eugene Fama den Nobelpreis bekommen hat. Kurz: Der Preis ist richtig, der Markt hat recht, weil er die unterschiedlichen Ansichten zum Ausgleich bringt. Wenn man wüsste, dass die Preise von Wirecard noch fallen, würden man das heute schon sehen. Alle Informationen, die heute schon da sind, sind schon im Preis mit drin. Es gibt zwar keine Garantie, aber der Marktpreis ist die beste Schätzung.

t3n.de: Aber was, wenn ich nur darauf spekuliere, dass noch andere auf den Wirecard-Hype hereinfallen, mehr kaufen und dann verkaufe ich?

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Dann wäre deine Annahme, dass Märkte nicht effizient sind, schon jetzt überwertet. Wenn du mit der Annahme startest, beispielsweise Tesla sei überbewertet, würdest du unterstellen, dass Märkte nicht funktionieren. Du würdest von einer Blase ausgehen. Aber wissenschaftlich gibt es keine Evidenz dafür, dass Märkte nicht funktionieren. Selbst bei der Dotcom-Bubble kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass es eine Blase war. Es hätte auch funktionieren können. Die digitale Revolution hätte auch früher kommen können. Apple und so weiter hatten ja ähnliche Geschäftsmodelle, nur eben etwas später.

t3n.de: Das heißt ja, selbst wenn es im Nachhinein wie eine Blase aussieht, muss es keine gewesen sein? Weil ja die Chance bestand, dass es hätte klappen können?

Auch wenn es nach Blase aussieht, kann es alternative Erklärungen geben. Aber man kann auch davon ausgehen, dass Märkte nicht funktionieren und gegen die vermeintliche Blase wetten, also auf Wertverlust spekulieren und die Blase attackieren. Aber das, was du vorhin angesprochen hast, würde man „riding the bubble“ nennen. Aber wie gesagt, die Grundannahme, dass Märkte nicht funktionieren, lässt sich nicht erhärten.

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t3n.de: Puh, ganz schön kompliziert. Also, aus wissenschaftlicher Sicht sind Apple, Tesla, Wirecard und Co. ihren Preis wert?

Absolut. Man müsste aber eher vom Big Picture reden als von einzelnen Unternehmen. Die Rahmenbedingungen haben sich eben geändert. 2008 waren unter den größten Unternehmen kaum Tech-Unternehmen. 2018 sind die größten Unternehmen nur Tech-Unternehmen. Und der Markt glaubt, dass sie in Zukunft hohe Erträge erzielen werden. Es ist immer eine Wette auf die Zukunft.

t3n.de: Aber was ist denn mit Dingen, die recht offensichtlich nach Blase aussehen? Der Bitcoin-Preis Ende letzten Jahres, beispielsweise.

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Selbst wenn es eine Fehlbewertung ist, heißt es nicht immer, dass man davon auch profitieren kann. Der Bitcoin-Preis von damals sieht jetzt wie eine Blase aus. Aber der starke Preisanstieg von November und  Dezember war in einer Zeit, als man kaum dagegen wetten konnte. Zumindest im professionellen Stil nicht. Man konnte nicht shorten. Bitcoin-Futures wurden erst später eingeführt. Alles, was man damals machen konnte, war draußen bleiben. So war es übrigens auch während der Dotcom-Blase.

t3n.de: Das heißt, die Dotcom-Blase war keine Blase, sondern die Bewertungen waren eigentlich okay, nur die Zukunft kam dann anders?

Es gibt auch Studien, die sagen, dass es bei der Dotcom-Blase auch Fehlbewertungen waren. Wenn es Fehlbewertungen gab, dann aber bei Aktien, bei denen Leerverkäufe kaum möglich waren. Aber das war vor 20 Jahren ein größeres Problem, als heute. Tesla zu shorten beziehungsweise leerzuverkaufen ist zum Beispiel kein Problem. Das heißt, den Leuten, die daran glauben, stehen Leute gegenüber, die dagegen wetten.

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t3n.de: Wie funktionieren denn diese Leerverkäufe oder das „shorten“?

Wenn man dagegen wetten will, also shorten, dann würde man sich Tesla-Aktien leihen und die dann verkaufen. Man hofft darauf, dass der Kurs fällt, dann kann man sie später billiger zurückkaufen und demjenigen zurückgeben, von dem man sie geliehen hat. Der Gewinn ist dann die Differenz, abzüglich der Gebühr. Das ist also analog zu einem Kauf, spiegelbildlich. Aber als Kleinanleger ist das fast unmöglich.

t3n.de: Warum hat sich Elon Musk eigentlich so darüber aufgeregt, dass gegen Tesla gewettet wurde?

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Wetten auf fallende Börsenkurse sind für jedes Unternehmen schlecht. Das bedeutet, jemand sagt: „Ihr Unternehmen ist überbewertet.“ Sie stellen dann auf der Roadshow ein tolles neues Konzept vor. Aber auf der anderen Seite wettet jemand Milliarden dagegen. Dann haben sie Schlagzeilen wie: „Großer Hedgefonds wettet gegen Konzept der Lufthansa!“. Dann ist es schwieriger, neue Deals und Kredite zu bekommen oder neue Aktien auszugeben. Es wird teurer, an Geld heranzukommen. Andere würden allerdings sagen, Shortseller sind insgesamt gut. Weil die unterschiedlichen Ansichten zum Preis dann besser ausgedrückt werden können.

t3n.de: Wenn Märkte effizient sind, würde es also keinen Sinn ergeben, einzelne Aktien zu kaufen und zu hoffen, dass sie steigen. Alle realen Chancen wären ja eh schon eingepreist.

Viele Privatanleger machen Fehler. Die Aussage „Märkte sind effizient“ ist ungefähr so richtig, wie die Aussage „Die Erde ist eine Kugel“. Das stimmt im Groben, auch wenn das Himalaja-Gebirge etwas heraussticht. Selbst wenn man Anomalien auf dem Aktienmarkt entdeckt, heißt das nicht, dass man davon profitieren kann. Wie gesagt, shortselling geht nicht immer.

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t3n.de: Also, Aktien sind einfach so viel wert, wie sie eben am Markt gerade wert sind?

Das ist unsere beste Schätzung. Es gibt Unsicherheiten. Aber eben keine systematische Verzerrung, nichts wird systematisch unter- oder überbewertet. Wenn sie wüssten, Tesla wäre überbewertet, würde das Geld für Hedgefonds-Manager auf der Straße liegen. Wenn da Geld liegen würde, würden sie es aufheben. Und das ist ja nicht der Fall. Wahrscheinlich hat der Markt dann doch recht.

t3n.de: Bei vielen Aktienkursen wie Apple denke ich heute: „War ja klar. Hätte ich mal kaufen sollen.“ Aber das ist dann wohl Quatsch.

In der Wissenschaft wird das „Hindsight bias“ (Rückschaufehler) genannt. Das ist als „I knew it all along“-Effekt definiert („Ich wusste es die ganze Zeit“-Effekt). Nachdem ein unwahrscheinliches Ereignis eingetreten ist, denkt man, dass es die ganze Zeit klar war. Aber das war es eben nicht. Sie arbeiten mit Informationen, die sie damals nicht hatten. Und man schätzt auch die Wahrscheinlichkeiten falsch ein. Der zweite Fehler, den Privatanleger machen, ist, hektisch hin und her kaufen. Im Durchschnitt gilt: Je mehr man handelt, desto geringer die Rendite. Also am besten lang halten. Und breit streuen. Wer auf eine Aktie setzt und nachher sagt, er wusste es, hatte einfach nur Glück. Übrigens: Leute reden mehr über ihre Gewinne als ihre Verluste. Gut möglich, dass der frühe Apple-Käufer noch andere Aktien hatte, über die er jetzt nicht spricht. Also: so breit wie möglich streuen und genau so lassen. Das sagen Finanzinvestoren und auch Warren Buffet. Nicht auf Einzeltitel zu wetten.

t3n.de: Den großen Gewinn mache ich damit aber nicht.

Zu den besten gehören wirst sdz damit nie. Aber du wirst auch nicht zu denen gehören, die ganz unten sind. Übrigens: Reine Rendite ist wenig aussagekräftig. Es geht immer um das Verhältnis Rendite zu Risiko. Die, die es nach oben geschafft haben, waren ex ante sehr riskante Aktien. Einzelne Aktien sind ein unnötiges Risiko. Wenn es nach oben oder unten geht, hat man entweder Glück gehabt oder es hängt mit dem Gesamtmarkt zusammen. Aber man sollte nicht davon ausgehen, dass es persönliches Können war.

t3n.de: Also statt Bitcoin einfach alle Krypto-Währungen kaufen? Oder es lieber gleich lassen, es sei denn, man arbeitet in der Szene und hat Insiderwissen?

Nur weil man in der Szene arbeitet, heißt es nicht, dass man mehr weiß. Leute neigen dazu, Aktien aus der eigenen Branche zu kaufen, und sind damit in der Regel genauso schlecht wie Aktien aus anderen Branchen. Und Krypto ist wirklich schwierig. Zu Aktien hat man 100 bis 200 Jahre Daten. Bei Krypto hingegen ist es gut möglich, dass es substanzlos ist.

t3n.de: Danke für das Gespräch.

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Dein t3n-Team

Norbert Heinze

Ich denke diese Sichtweise, dass die Unternehmen an er Börse korrekt bewertet werden, ist ziemlich naiv.
Sie würde dann stimmen, wenn alle Marktteilnehmer versuchen würden den Wert des Unternehmens richtig einzuschätzen.
Dies ist aber nicht korrekt. Die Markteilnehmer wollen einen guten Gewinn erzielen.
D.h. auch wenn ein Unternehmen schon überbewertet ist, aber die Kurse noch steigen, macht es Sinn die Aktien zu kaufen, wenn man in der Lage ist, schnell zu verkaufen, wenn die Stimmung kippt.
Dies trifft natürlich auf professionielle Händler zu, die ständig aktionsbereit am Rechner sitzen und gut über die Stimmung und Gerüchte informiert sind.
Der Feierabendanleger reagiert natürlich zu spät und bezahlt die Zeche.

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