Apples Erfolgs-Chef: Wie Tim Cook ein Unternehmen führt, zu dem er gar nicht wollte
Apple-Fans erleben Tim Cook nur noch selten live. Denn seit der Corona-Pandemie hat das Unternehmen das Vorgehen für seine Produktvorstellungen geändert. Statt auf Live-Veranstaltungen setzt das Unternehmen bei der Präsentation neuer iPhones auf Hochglanz-Videos, die Cook stets mit seinem Signature-Move einleitet – einem gut gelaunten “Good Morning.” Zwar tritt der Apple-Chef in der Regel kurz vor dem Abspielen des Films vor die geladenen Medienvertreter, verschwindet dann aber wieder im Hintergrund. Interviews gibt er nur selten.
Überraschend ist das nicht. Schon in der 2011 erschienenen Biografie über den Apple-Migründer Steve Jobs zitiert Autor Walter Isaacson Tim Cook mit den Worten: “Einigen Leuten gefällt es nicht, dass Steve für alles den Ruhm einstreicht, aber mir ist es völlig egal.” Und: “Ehrlich gesagt, stehe ich lieber nicht in der Zeitung.” Das passt zu seinen Auftritten. Während Steve Jobs die Bühne nicht nur bei der Vorstellung neuer Hardware für sich einnahm, mit hohem Maß an Charisma zu Werke ging und auch schon mal das Publikum anblaffte, wirkt Cook stets ruhig und analytisch.
Doch wie gelang jemandem, der kein Selbstdarsteller sein will, überhaupt der Aufstieg zu einem der laut Fortune einflussreichsten Geschäftsmenschen und zum CEO eines der wertvollsten Unternehmen der Welt?
Tim Cooks Aufstieg bei IBM
Seine Karriere startete der aus Alabama stammende Tim Cook nach einem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Auburn University bei IBM. Dort war er für das Pipeline-Management in der Fertigungshalle einer Fabrik des Computerherstellers verantwortlich, wie es der Journalist Leander Khaney in seinem Buch Tim Cook – Das Genie, das Apples Erfolgsstory fortschreibt beschreibt.
Cook musste sicherstellen, dass in der Anlage alle wichtigen Teile in genau der richtigen Stückzahl zur Verfügung standen, da IBM damals auf die sogenannte Just-in-Time-Fertigung setzte, um Lagerkosten einzusparen. Das Unternehmen nahm Aufträge an, baute nach Bestellung und lieferte aus, ohne dass Ware oder Bauteile eingelagert werden mussten.
Im Laufe der zwölf Jahre, die Cook für IBM arbeitete, wurde er einige Male befördert, bevor er als Chief Operating Officer in die Wiederverkaufsabteilung von Intelligent Electronics einstieg und nach dem Verkauf des Unternehmens 1997 zu Compaq wechselte. Auf seinem Weg sammelte er Erfahrungen in der Effizienzsteigerung und lernte Lieferketten kennen. Beides wird für den späteren Job als Senior Vice President of Worldwide Operations bei Apple wichtig – den er eigentlich gar nicht wollte.
Tim Cook wollte ursprünglich nicht zu Apple
Dass er ihn dennoch antrat, lag an Steve Jobs. Der hatte ein Jahr lang selbst das Produktionsmanagement geleitet, nachdem der vorherige Leiter nach kurzer Zeit bei Apple gekündigt hatte. Der Druck unter dem charismatischen Apple-Migründer war zu groß. Jobs wollte für den Posten jemanden, der wie Michael Dell, der Gründer von Dell Technologies, dazu in der Lage war, eine Just-in-Time-Produktion samt Lieferkette aufzubauen. “Tim Cook kam aus der Beschaffung, und das war exakt der Hintergrund, den wir brauchten“, wird Jobs von Isaacson zitiert.
Cook ließ laut Kahney jedoch alle Versuche von Headhuntern, ihn zu Apple zu lotsen, abblitzen. Ein möglicher Grund: 1998 war Apple nicht das große Unternehmen von heute, sondern stand kurz vor der Pleite. Compaq war zu dem Zeitpunkt die sichere Option. Steve Jobs traf er dennoch und ließ sich von ihm anstecken. “Schon fünf Minuten nach Beginn meines ersten Bewerbungsgesprächs mit Steve war ich drauf und dran, alle Vorsicht und Logik in den Wind zu schlagen und zu Apple zu gehen”, zitiert Isaacson den heutigen Apple-Chef.

Ein seltener Moment im Jahr: Nach iPhone-Keynotes wagt sich Tim Cook kurz in die Handson-Area. Hier zeigt er das iPhone Air. (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Godofredo A. Vásquez)
Dass Apple unter dem zurückgekehrten Jobs die Kehrtwende gelang, ist kein Geheimnis. Dass Tim Cook einen gehörigen Anteil daran trägt, wird dagegen selten zur Kenntnis genommen. Schließlich war er es, der im Hintergrund die Lagerbestände stetig verkleinerte, die Produktionen auslagerte, die Anzahl der Zulieferer reduzierte und dem fast bankrotten Unternehmen in kurzer Zeit viele Millionen US-Dollar einsparte. Den bunten iMac 3G baute Apple bis auf das Gehäuse und den Bildschirm etwa in eigenen Fabriken, bis Cook die Produktion zum größten Teil an LG und später auch an Foxconn auslagerte. Heutzutage werden Apple-Produkte überwiegend in Asien gefertigt. Dank einer diversifizierten Lieferkette lässt das Unternehmen Geräte unter anderem in China, Indien und Vietnam produzieren. Ein Umstand, der noch zum Problem werden wird.
Jobs’ Krankheit und Cooks Aufstieg
Zunächst stieg Cook aber im Unternehmen auf. Im Herbst 2005 wurde er (von Jobs beiläufig) zum COO befördert. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war Tim Cook die Nummer 2 im Unternehmen. Schon vorher, bei Jobs’ erster Auszeit wegen seiner Krebserkrankung, hatte Cook die Geschäfte interimsmäßig übernommen. 2009 und 2011 hatte er den kranken Apple-Mitgründer erneut vertreten. Als Steve Jobs im August 2011 im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung aufgrund seines gesundheitlichen Zustands vollständig zurücktrat, schlug er Cook als Nachfolger vor, der schlussendlich als Apple-CEO folgt.
Seine erste Produktvorstellung leitete Cook am 4. Oktober 2011 als Apple das iPhone 4s vorstellte – einen Tag vor dem Tod von Steve Jobs. Es folgten das iPhone 5 und 5s, jeweils mit etwas größerem Bildschirm. Damit einher ging die Frage, ob Apple ohne Jobs an Innovationskraft verloren hatte. Zumal sich Cook 2012 in einem Brief öffentlich bei den Kunden entschuldigen musste, da der unter seiner Aufsicht in das Betriebssystem iOS 6 integrierte Kartendienst Apple Maps nicht wie gewollt funktionierte.

Einen Tag vor Steve Jobs‘ Tod präsentiert Tim Cook das iPhone 4s. Es ist eine erste Produktvorstellung als Apple-CEO. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Paul Sakuma)
Erst 2014 konnte Cook der Techbranche auch öffentlich seinen Stempel aufdrücken. Mit der ersten Apple Watch präsentierte er ein komplett neues Gadget, mit Apple Pay dazu noch einen neuen Bezahldienst. Der Journalist Walt Mossberg titelt nach der Vorstellung bei Recode: “Es ist jetzt Tim Cooks Apple”. Dass damals noch niemand wusste, wofür man die Uhr genau gebrauchen konnte? Geschenkt. Mit weiteren Iterationen wurde das Produkt besser und vielfältiger. Heute steht Apple laut den Marktforschern von Canalys mit einem Marktanteil von 16 Prozent weltweit auf dem zweiten Platz auf dem Smartwatch-Markt. Das ist insofern beeindruckend, da die Uhr nur mit dem iPhone, nicht aber mit Android-Geräten funktioniert, wie es bei all den anderen Herstellern der Fall ist.
Unter Cooks Aufsicht entwickelte sich Apple zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt, war im August 2018 sogar das erste, das einen Marktwert von einer Billion US-Dollar erreichte.
In der politischen Zwickmühle
Aber nicht alles, was Apple unter Cook an den Start bringt, funktioniert auch. Bei der zweiten neuen Produktkategorie, der Computer-Brille Apple Vision Pro, läuft es bislang nicht so gut. Technisch konnte das Gadget Tester zwar beeindrucken. Der hohe Preis sorgt aber dafür, dass viele Kunden das Gerät links liegen lassen. Auch den Eintritt ins KI-Zeitalter hat Apple erst verpasst und dann nicht gut umgesetzt. Zwar gibt es auf dem iPhone mittlerweile Funktionen wie Schreibhilfen oder KI-generierte E-Mail-Zusammenfassungen – auf die 2024 angekündigte und grundlegend überarbeitete Sprachassistenz Siri warten Kunden allerdings bis heute.

Schon im Dezember 2019 ließ sich US-Präsident Donald Trump von Apple-Chef Tim Cook durch das Werk in Austin führen. Hier wird der Mac Pro gebaut. Trump hätte wohl gern mehr solcher Apple-Fabriken in den USA. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jay Janner)
Dazu kommen politische Herausforderungen. Mit Antritt seiner zweiten Amtszeit will US-Präsident Donald Trump hiesige Unternehmen dazu bewegen, ihre Produkte nicht mehr in Asien, sondern wieder vermehrt in den USA fertigen zu lassen. Statt politischer Anreize in Aussicht zu stellen, verhängt Trump dem Anschein nach willkürlich Strafzölle auf Importe. Hier wird Tim Cooks durchoptimierte Lieferkette zum Problem. Der Apple-Chef schätzt die Mehrbelastungen durch die Zölle allein fürs zweite Quartal 2025 laut CNBC auf 800 Millionen Dollar. Einen größeren Impact konnte Cook verhindern, weil er gegenüber dem US-Präsidenten erklärte, Apple werde in den kommenden Jahren 600 Milliarden Dollar für Fertigungsanlagen in den USA investieren.
Überhaupt geht es für Cook und Apple jetzt darum, Donald Trump zu gefallen. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Apple-Chef dem Präsidenten bei der Verkündung der Milliarden-Investition eine in den USA gefertigte Trophäe überreichte und dessen Politik an der Tafel gemeinsam mit Bill Gates, Mark Zuckerberg und Sam Altman lobpreiste.

Anfang August kündigten US-Präsident Donald Trump und Apple-Chef Tim Cook eine Investition in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar in den USA an. Vorläufig sollen viele iPhones aber aus Indien kommen. Dank einer Ausnahmegenehmigung. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | White House)
Dass Cook mit allen Ideen von Trump übereinstimmt, ist schließlich schwer zu glauben. Der Apple-Chef outete sich 2014 öffentlichkeitswirksam als homosexuell. Entsprechend dürfte ihm Trumps Erlass gegen Diversitätsprogramme in Unternehmen ein Dorn im Auge gewesen sein. Apple beugte sich dem bislang auch dank der Rückendeckung der Aktionäre folgerichtig auch nicht. Dass man ansonsten aber nicht negativ auffallen möchte, zeigen die obigen Beispiele und auch das Entfernen einer App, die Immigranten vor Beamten der Einwanderungsbehörde ICE in ihrer Nähe warnen soll.
Wer folgt auf Tim Cook?
Wie lange sich Tim Cook noch verpflichtet sieht, die Spielchen seines Präsidenten mitzumachen, ist offen. Laut Bloomberg-Analyst Mark Gurman scheint die Nachfolge aber bereits geregelt zu sein. Sollte Cook irgendwann einmal seinen Hut beim Unternehmen nehmen, hat Hardware-Chef John Ternus wohl die besten Chancen auf den CEO-Posten.
Arbeiten müsste Cook ohnehin nicht mehr. Forbes schätzt sein Nettovermögen auf 2,6 Milliarden Dollar. Und doch macht der bald 65-Jährige bislang keine Anstalten, in den Ruhestand zu gehen. Es sieht so aus, als würde Tim Cook Apple-Fans wenigstens noch öfter mit einem freundlichen “Good Morning” begrüßen.