Bargeldloses Bezahlen: Warum Deutschland endlich auf den Geschmack kommen könnte

Ein Schritt übersprungen: Sieht so aus als würde Deutschland einen Payment-Sonderweg gehen. (Foto: Apple)
Es gibt nur wenige Länder, in denen die Menschen so vehement am Bargeld hängen wie Deutschland. „Nur Bares ist Wahres“ heißt es dann und dass man gerade in heutigen Zeiten möglichst wenig eigene Datenspuren hinterlassen will. Doch gleichzeitig tut sich auch einiges in Deutschland: 44 Prozent, so der Branchenverband Bitkom, wären bereit, gänzlich auf Bargeld zu verzichten – ein Wert, der einerseits verwundert, andererseits aber auch mit zwei Produkt-Launches der letzten Monate zu tun hat – die Rede ist von Google Pay und Apple Pay. Denn die Kunden setzen eben gerade nicht auf die in vielen Ländern omnipräsente Kreditkarte, sondern auf ihr Smartphone beim Bezahlen. So wie in verschiedenen Emerging Markets klassische Bankkonten zugunsten von digitalen Payment-Diensten übersprungen wurden, könnten die Kreditkarten-verschmähenden Deutschen die Kreditkarte überspringen.
Bezahlen per Smartphone in Deutschland erfolgreich
Dass insbesondere Apple Pay ein Riesenerfolg ist, daran zweifelt in der Bankenwelt niemand – und selbst Apple-Chef Tim Cook hat diese Woche in einem Analystengespräch, in dem die aktuellen Geschäftszahlen diskutiert wurden, den deutschen Launch gelobt. Die Deutsche Bank darf zwar keine genauen Zahlen nennen, spricht aber anlässlich der Payment Exchange von einem mehr als gelungenen Start. Man habe innerhalb eines Monats die Ziele erreicht, die man sich fürs gesamte erste Jahr vorgenommen habe, erklärt Michael Koch, der den Apple-Pay-Launch für die Deutsche Bank mit verantwortet hat, gegenüber dem Handelsblatt
Unter Beratern ist jetzt sogar öffentlich auf einer Veranstaltung die Rede von 40.000 Kunden für die Deutsche Bank durch Apple Pay, eine Zahl, die freilich ebenfalls niemand kommentieren wird, weil die Banken es nicht dürfen und Apple keine einzelnen Märkte genau beziffert. Aber zum Vergleich: Das von der gesamten Bankenwirtschaft verantwortete Projekt Paydirekt soll monatlich gerade einmal auf 40.000 Transaktionen können – und das mit sämtlichen Banken und Sparkassen. Selbst wenn die aus Sparkassenkreisen kolportierte Zahl etwas höher ist, zeigt sie doch, was für eine Nachfrage nach Apple Pay besteht.
Ähnlich sieht die Sache bei Google Pay aus: Insbesondere der Befreiungsschlag mit Paypal, der ermöglicht, dass jeder Nutzer ohne ein bestimmtes Bankkonto über eine virtuelle Kreditkarte Google Pay nutzen kann, soll dem Bezahlverfahren beeindruckende Zahlen beschert haben. Dazu muss man allerdings wissen, dass das Alleinstellungsmerkmal als Payment-Dienst bei Google Pay nicht ganz so groß ist, da Google, anders als Apple, durchaus auch andere Bezahlverfahren auf der eigenen Android-Plattform duldet. Gleichermaßen ist die von Cook als Seitenhieb zitierte Google-Zahl der Deutschen Bank kaum vergleichbar, da sie sich auf deren eigenen Android-Bezahldienst und nicht auf Google Pay bezieht.
Vielleicht liegt es an der Bankenwelt, die in Deutschland so gut ausdifferenziert ist, dass es gerade einen Konzern wie Google oder Apple braucht, um einen echten Standard zu schaffen. Denn weder die Banken selbst noch die Mobilfunkbetreiber noch die Kreditkartenunternehmen haben es geschafft, die Bargeldbastion Deutschland so wirklich digital zu erobern. Das hängt aber auch mit der enormen Dichte an Geldautomaten zusammen (rund 58.000 in Deutschland), auch wenn deren Zahl stetig abnimmt.
Datenschutz: Barzahlen bleibt diskreter, das ist klar
Doch wie sieht es jetzt eigentlich mit Datenschutz und Privatsphäre aus? Zumindest bei Google Pay erfährt die Bank respektive der Bezahldienst nicht, was der Kunde genau gekauft hat, immerhin aber, wo er unterwegs war. Und auch der Händler bekommt keine Daten, die Rückschlüsse auf den Kunden ermöglichen, da nur der Zahlungsimpuls mit einem Token ausgelöst wird. Natürlich geben Barzahler weniger preis, aber schon bei einer heutzutage durchaus nicht mehr so exotischen Bezahlung per EC-Karte (heute Girocard genannt) weiß der Angestellte, wo man für wie viel Geld eingekauft hat.
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