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Analyse

Beauty und Technologie: Wie uns 11.000 Terabyte an Daten schöner machen sollen

Der Beauty-Konzern L’Oréal positioniert sich als technischer Innovator der Branche, der mit seinen Produkten „Schönheit für jeden“ bringen will: Neue Tools sollen personalisierte Pflege individueller und zugänglicher machen. Wie gerecht wird das Unternehmen diesem Versprechen?

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Seine neuen Produkte zeigte L’Oréal an einem großen eigenen Stand bei der Tech-Messe Viva Technology 2024 in Paris. (Foto: L’Oréal)

Scan und Analyse dauern einige Sekunden, bevor Hautrötungen erkannt werden: Der Beauty Genius von L’Oréal soll Nutzer:innen Tipps für ihre Haut geben. Es ist eine der Neuerungen, die der Konzern bei der Tech-Messe Viva Technology 2024 in Paris vorgestellt hat. Dahinter steckt ein KI-Chatbot, der einfache Anfragen zur Hautpflege beantwortet: Hast du Tipps gegen ölige Haut? Welches Makeup soll ich verwenden? Ein besonderes Feature ist der Scan des Gesichts, der eine einfache individuelle Beratung per Chat ermöglichen soll.

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Im kurzen Test zeigt sich allerdings: Eine professionelle Beratung ist das nicht. Unsere Autorin hat ihr geschminktes Gesicht gescannt – dem Tool ist das nicht aufgefallen. Dabei macht der Scan von geschminkter Haut wenig Sinn, um etwa tatsächlich Rötungen zu erkennen.

11.000 Terabyte Beauty-Daten

Die Browser-Anwendung ist ein Beispiel für die Bemühungen des Konzerns, Beauty und Tech zu verbinden. „Beauty for Each, powered by Beauty Tech“ lautete das Motto. Das wurde auch bei der Pressekonferenz bei der diesjährigen Tech-Messe Viva Technology 2024 deutlich: Unter hochindividualisierten Produkten soll jede:r fündig werden.

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Dabei spielt Technologie eine entscheidende Rolle: „Wer Leader der Schönheit sein will, muss Tech-Leader sein“, so Barbara Lavernos, Stellvertretende Vorstandsvorsitzende bei der L’Oréal Gruppe, zuständig für Forschung, Innovation und Technologie. In 115 Jahren – L’Oréal wurde 1909 in Paris gegründet – hätte sich das Unternehmen 11.000 Terabyte an Daten aufgebaut. Es sei die größte „Data-Beautybase“ der Welt. Genutzt wird sie etwa für die Entwicklung neuer Produkte auf Basis von moderner Technologie.

Der „My Hair iD“-Hair-Reader soll die Haarfarbe genau erkennen und Friseur:innen beim Finden des am besten passenden Tons helfen. (Foto: Ben Hoffman)

Über die verschiedenen Produkte sprach Guive Balooch, Global Managing Director für Augmented Beauty and Open Innovation bei L’Oréal. Im Gespräch mit t3n warf er auch einen Blick auf den Rouge Sur Mesure. Es ist ein Automat zum Mixen von Lippenstiftfarben; L’Oréal hat ihn 2022 auf den Markt gebracht. Es war ein Schritt in die Richtung der hoch-individualisierten Kosmetik, denn mit einer App kann die Farbe vorher getestet werden.

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Mix-Technik für Individualisierung?

Das Produkt der Luxusmarke YSL gibt es noch immer: Das Gerät kostet knapp 345 Euro, dazu muss die Farbkartusche für 33 Euro pro Stück erworben werden. Für die Masse ist das nichts, allerdings finden sich auch so Käufer:innen.

Guive Balooch arbeitet als Global Managing Director für Augmented Beauty and Open Innovation bei L’Oréal. (Foto: L’Oréal)

„Der Rouge sur Mesure wird sehr gut angenommen“, so Balooch. Auf dem asiatischen Markt werde das Produkt dabei besser akzeptiert als auf dem europäischen – möglicherweise seien die dortigen Nutzer:innen besonders digitalversiert und trendbewusst. Das Gerät soll auch in weiteren Märkten gelauncht werden.

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Die Technik zum Mixen müsste praktisch für die Entwicklung persönlicher Kosmetikprodukte sein: Farbauswahl via App, die die Farbtöne an die Hautfarbe anpasst, und direkte Produktion in den eigenen vier Wänden – das klingt nach Individualisierung. Allerdings gibt es kein vergleichbares neues L’Oréal-Tool.

Flüssiger Lidschatten statt individueller Foundation

„Wir möchten die Technologie für andere Anwendungen nutzen, beispielsweise für Liquid Eyeshadows“, sagt Balooch. Eine Nutzung der Technik für die Herstellung von Foundation – das ist getönte Creme, die zur Abdeckung von Unregelmäßigkeiten auf das Gesicht aufgetragen wird – sei nicht geplant. Dabei ist es ein Produkt, das sehr individuell sein muss: Eine falsche Farbe, die nicht zur Hautfarbe passt, fällt schnell auf. Wäre das nicht optimal für ein absolut individuelles Angebot?

Laut Balooch ist ein Mischsystem dafür nicht die beste Lösung, da der Bedarf nach täglich derselben Farbe bestünde. Ob das Mischen der feinabzustimmenden Foundations zu komplex für die Anwendung zuhause ist, das möchte Balooch nicht beantworten. Das System zum Mischen sei eher sinnvoll, wenn nicht täglicher Bedarf nach einer identischen Farbe bestünde, sagte er stattdessen. „Wir hielten es deshalb für noch bedarfsorientierter, ein Diagnosewerkzeug zu entwickeln“, so Balooch.

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Diagnosewerkzeuge: Nicht medizinisch, sondern mit Beauty-Fokus

Bei der Viva Technology probieren Besucher:innen den Derma-Reader der L’Oréal-Marke Kiehl’s aus. (Foto: L’Oréal)(Foto: L’Oréal)

Dieses Werkzeug ist der sogenannte Derma-Reader, den L’Oréal für seine Marke Kiehl’s entwickelt hat. Kund:innen setzen sich vor das Gerät, lassen ihre Haut scannen, mithilfe von Algorithmen bekommt der:die Nutzer:in dann eine persönliche Hautanalyse angezeigt. Sie ist die Basis für Produktempfehlungen.

Für den Hausgebrauch ist das Gerät nicht gedacht. Kund:innen können ihn nur mit einer vorherigen Terminbuchung in einem offiziellen Kiehl’s-Store nutzen. Das Scannen der Haut ist in der Regel kostenlos. Kostenpflichtig sind richtige Beauty-Behandlungen. Bei ihnen werde die Hautanalyse von „Kiehl´s Kabinen Experten“ durchgeführt – der Derma-Reader kommt dabei laut Beschreibung auf der Terminbuchungs-Webseite nicht zum Einsatz, stattdessen setzt das Unternehmen auf echte Menschen.

Das zeigt: Der Derma Reader ist offensichtlich kein Ersatz für eine professionelle Hautdiagnose. Stattdessen ist er eine Marketing-Möglichkeit: Kund:innen nutzen ihn kostenlos, um Produkte empfohlen zu bekommen. Technik wird somit zum Verkaufsunterstützer.

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Kiehl’s ist ebenfalls eine eher teure Marke: In der Drogerie gibt es die Produkte nicht. Die Nutzung der Derma Reader bei Kiehl’s adressiert somit eine eher wohlhabende Zielgruppe. Das gilt auch für ein Produkt für zu Hause: L’Oréal hat eine Art Stift entwickelt, der mit über 400 Mikrospitzen an einem Ende pflegende Wirkstoffe in die Haut bringen soll. Er wird unter der hochpreisigeren Marke Lancôme vertrieben.

Teilweise klingen die neuen Produkte fast medizinisch – dazu passt auch, dass L’Oréal an einer künstlichen Haut arbeitet. Das nächste Ziel: Sie soll fühlen. L’Oréal will diese Haut selbst für den Produkttest nutzen. Allerdings soll die L’Oréal-Forschung auch die Entwicklung von Hauttransplantaten für Brandopfer oder Patient:innen mit Hautkrankheiten unterstützen. Auf Nachfrage im Interview antwortet Balooch, dass der Fokus auf der Schönheitsbranche bleibe, eine Ausweitung des Geschäfts in den medizinischen Bereich sei nicht geplant.

L’Oréal reagiert mit Produkten auf verändernde Umwelt

Von außen betrachtet gibt es allerdings weitere Themen, die durchaus einen medizinischen Bezug haben: bei der Pressekonferenz wurde deutlich das Thema Hautkrebs adressiert. Diese Krankheit werde durch die sich verändernde Umwelt häufiger auftreten. L’Oréal sieht den Bedarf nach vor Sonnenstrahlung schützenden Produkten – es ist ein Thema der Zukunft für den Konzern. Übrigens: Auch der Derma-Reader soll UV-Schäden der Haut erkennen können.

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Für die bisherigen Entwicklung konnte L’Oréal schon auf viele Daten zugreifen; neue Tools wie der Derma-Reader werden die Menge zusätzlich erweitern. Laut Balooch werden die Daten anonym für die Produktentwicklung verwendet. Nützlich seien sie etwa für ein besseres Verständnis über geografische Gegebenheiten – sie könnten beim Thema Hautkrebs wichtig sein – oder um Veränderungen in der Nutzung zu erkennen.

L’Oréal hat Einfluss und beherrscht modernes Marketing

Insgesamt erreicht L’Oréal mit den neuen Produkten tendenziell eine breite Käuferschaft: Allein zur L’Oréal-Deutschland-Gruppe gehören mehr als 25 Marken, neben Kosmetik kommen sie auch aus dem Fashion-Bereich: etwa NYX Prof. Make-up, das eher für die Masse erschwingliche Angebote hat, bis zu Luxusmarken wie Prada. Dabei hat L’Oréal auch einzelne Produkte für Menschen mit Behinderungen: etwa ein Lippenstift-Tool, das bei der US-amerikanischen Messe Consumer Electronics Show (CES) 2023 vorgestellt wurde.

Die technische Innovation erreicht jedoch in der Regel nur Konsument:innen, die bereit sind, dafür mehr zu zahlen, und dies auch können: Sie laufen unter den hochpreisigen Marken. Zugänglicher ist dagegen der Beauty Genius. Letztendlich läuft die „Beratung“ hier aber auf den Vorschlag passender Produkte aus dem L’Oréal-Universum heraus – das mag hilfreich sein, ist aber im Endeffekt Produktplatzierung und somit Marketing. Zumal sich an dem Beispiel zeigt, wie L’Oréal die Erkenntnisse aus dem E-Skin-Expert nutzt, der bei Lancôme online verfügbar ist. Eine Chatfunktion fehlt, das Prinzip ist vergleichbar: Selfie machen, Hauttyp auswählen, Lancôme-Produkte vorgeschlagen bekommen.

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Der Haut-Scan wurde zeitgemäß mit einem Chatbot ergänzt, so entstand der Beauty Genius. Allerdings lief sogar dieses kostenlose Tool erst über eine teure Marke, statt dass es beispielweise bei den preiswerten Nyx-Angeboten untergebracht wurde. Zum Vergleich: Auf der Website können sich Kund:innen durch Farbbeispiele klicken, um einen Vorschlag für passende Foundation zu bekommen. Die personalisierte Kosmetik mit Tech-Feature gibt es nur für diejenigen, die teure Marken kaufen. Der Konzern mag daher bei der technischen Weiterentwicklung am Puls der Zeit sein, seinem Motto „Beauty for each“ wird er derzeit nicht gerecht.

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