Das Rennen um den besten Humanoiden: Welche Ansätze die Roboter 2025 voranbringen werden

Jan Liphardt lehrt eigentlich Bioingenieurwesen in Stanford, aber für viele Fremde im kalifornischen Los Altos ist er nur dieser seltsame Mann, den sie regelmäßig mit einem vierbeinigen Roboterhund die Straße entlanglaufen sehen. Liphardt experimentiert seit Jahren mit der Entwicklung und Modifizierung von Robotern, und wenn er seinen „Hund“ in der Öffentlichkeit ausführt, löst er in der Regel eine von drei Reaktionen aus: Kleine Kinder wollen einen haben, ihre Eltern sind verängstigt und Babyboomer versuchen, ihn zu ignorieren. „Sie gehen dann schnell vorbei und sagen: Was ist denn das wieder für ein blöder neuer Kram?“, grinst er.
In den vielen Gesprächen, die ich selbst zum Thema Roboter geführt habe, habe auch ich festgestellt, dass sich die meisten Menschen in drei dieser Gruppen einteilen lassen – allerdings unabhängig vom Alter. Einige sind optimistisch und äußern die Hoffnung, dass die Roboterzukunft unmittelbar bevorsteht. Maschinen könnten dabei einen Großteil dessen, was derzeit von Menschen erledigt wird, fachmännisch und viel besser durchführen – vom Kochen bis zur Chirurgie. Andere haben Angst: vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, vor Verletzungen durch wildgewordene Maschinen und weiteren Problemen, die auftreten könnten, wenn wir versuchen, Seite an Seite mit Robotern zu leben.
Das Rennen um den Bau humanoider Roboter wird faszinieren
Das letzte Lager, das meiner Meinung nach das größte ist, verhält sich einfach unbeeindruckt. Seit 1961 der erste Roboterarm in einem Montagewerk von General Motors in New Jersey installiert wurde, wurden uns schließlich Versprechungen gemacht, dass Roboter die Gesellschaft verändern werden. Bisher haben sich nur wenige davon erfüllt. Aber 2025 gibt es einen Grund zur Annahme, dass selbst diejenigen, die fest im Lager dieser Gelangweilten stehen, vom Rennen um die Robotisierung fasziniert sein werden.
Der Wetteifer um den Bau humanoider Roboter wird von der Idee angetrieben, dass die Welt für menschliche Formen geschaffen ist und dass die Automatisierung menschenartiger Körper die Revolution bringt. Angeführt wird es von einigen besonders optimistischen Unternehmern, darunter Brett Adcock, Gründer von Figure AI, einem Unternehmen, das solche Roboter herstellt und jetzt einen Wert von mehr als 2,6 Milliarden US-Dollar hat (es hat begonnen, seine Roboter zusammen mit BMW zu testen). Adcock sagte kürzlich gegenüber dem Magazin Time: „Irgendwann wird körperliche Arbeit optional sein.“ Elon Musk, dessen Unternehmen Tesla einen eigenen Humanoiden namens Optimus baut, glaubt, dass humanoide Roboter „eine Zukunft ohne Armut“ schaffen könnten. Ein Robotikunternehmen namens Eliza Wakes Up wiederum nimmt Vorbestellungen für einen 420.000 Dollar teuren Humanoiden namens Eliza entgegen.
Hürden für Humanoide
Im Juni 2024 schickte Agility Robotics eine Flotte seines humanoiden Roboters Digit an GXO Logistics, das Produkte für Unternehmen von Nike bis Nestlé lagert und transportiert. Die Humanoiden können die meisten Aufgaben bewältigen, bei denen Dinge aufgenommen und an einen anderen Ort gebracht werden müssen, wie das Entladen von Paletten oder das Platzieren von Kisten auf einem Förderband.
Es gab aber auch Probleme: Hochglanzpolierte Betonböden konnten dazu führen, dass Roboter anfangs ausrutschen, und Gebäude benötigen eine gute WLAN-Abdeckung, damit die Maschinen funktionieren. Das Aufladen ist jedoch das größere Problem. Die aktuelle Version von Digit mit einem 39-US-Pfund-Akku kann zwei bis vier Stunden lang laufen, bevor sie eine Stunde lang aufgeladen werden muss. Daher ist es üblich, die Roboter in jeder Schicht einfach gegen frische auszutauschen. Wenn nur eine geringe Anzahl von Ladestationen installiert ist, müssten die Roboter theoretisch über Nacht selbst zwischen den Stationen wechseln, wenn einige Einrichtungen nicht in Betrieb sind. „Das ist ein Problem“, sagt CTO Melonee Wise.
Wise ist vorsichtig, was die Frage angeht, ob Humanoide am Arbeitsplatz wirklich Verbreitung finden. „Ich war schon immer ein Pessimist“, sagt sie. Das liegt daran, dass es die eine Sache ist, Roboter in einem Labor gut vor sich hin arbeiten zu lassen, aber eine ganz andere, sie in ein geschäftiges Lager voller Menschen und Gabelstapler zu integrieren, die Waren mit engen Zeitvorgaben bewegen müssen. Wenn 2024 das Jahr war, in dem auf YouTube vor allem Videos eher beunruhigter Produktdemonstrationen zu sehen waren, wird die Technik 2025 endlich richtig auf die Probe gestellt. Wir werden herausfinden, ob sie für zahlende Kunden so produktiv sind, wie es versprochen wurde. Jetzt, da die Roboter von Agility in schnelllebigen Lagern eingesetzt sind, ist klar, dass sich kleine Probleme wirklich summieren können.
Herausforderung: Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter
Dann gibt es noch Probleme mit der gemeinsamen Nutzung von Räumen durch Roboter und Menschen. In der GXO-Anlage arbeiten die beiden zwar in völlig getrennten Bereichen, sagt Wise, aber es gibt Fälle, in denen beispielsweise ein menschlicher Mitarbeiter versehentlich etwas zurücklässt, das eine Ladestation blockiert. Das bedeutet, dass die Roboter von Agility nicht zum Aufladen zum Dock zurückkehren können, sodass sie einen menschlichen Mitarbeiter benachrichtigen müssen, um das Hindernis aus dem Weg zu räumen. Was den Betrieb verlangsamt. Es wird oft betont, dass Roboter sich ja nicht krankmelden und keine medizinische Versorgung benötigen. Aber in diesem Jahr, da Flotten humanoider Roboter ausgerollt werden, werden wir allmählich die Grenzen erkennen, die sie doch haben.
Von der Vorstellungskraft lernen
Die Art und Weise, wie wir Robotern beibringen, wie sie Dinge tun sollen, ändert sich rasant. Früher war es notwendig, ihre Aufgaben in Schritte mit speziell programmierten Anweisungen zu unterteilen, aber jetzt, dank KI, können diese Anweisungen auch durch Beobachtung erlernt werden. Genauso wie ChatGPT das Schreiben durch die Konfrontation mit Billionen von Sätzen beigebracht wurde, anstatt durch das explizite Erlernen der Grammatikregeln, lernen Roboter durch Videos und Demonstrationen. Das wirft eine zentrale Frage auf: Woher bekommt man all diese Videos und Demonstrationen, aus denen Roboter lernen können?
Nvidia, das zwischenzeitlich wertvollste Unternehmen der Welt, hat sich seit langem zum Ziel gesetzt, diesen Bedarf mit simulierten Welten zu decken, wobei es auf seine Wurzeln in der Videospielindustrie zurückgreift. Der Chiphersteller schafft dazu Welten, in denen Forscher:innen digitale Nachbildungen ihrer Roboter neuen Umgebungen aussetzen können, um zu lernen. Ein selbstfahrendes Auto kann Millionen virtueller Meilen zurücklegen, oder ein Fabrikroboter verstehen, wie er sich bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen zurechtfindet. Im Dezember ging das Unternehmen noch einen Schritt weiter und veröffentlichte ein sogenanntes „World Foundation Model“. Das Cosmos genannte Modell hat aus 20 Millionen Stunden Videomaterial gelernt – das entspricht einer ununterbrochenen YouTube-Nutzung seit dem Krieg Roms gegen Karthago – und kann auch zur Generierung synthetischer Trainingsdaten verwendet werden.
Stell dir vor, du möchtest einen humanoiden Roboter bauen
Folgendes Beispiel zeigt, wie dieses Modell in der Praxis helfen könnte: Stell dir vor, du leitest ein Robotikunternehmen, das einen Humanoiden bauen möchte, der in Krankenhäusern aufräumt. Du kannst beim Bau des „Gehirns“ dieses Roboters mit einem Modell von Nvidia beginnen, das ihm ein grundlegendes Verständnis der Physik und der Funktionsweise der Welt vermittelt. Dann musst du ihm jedoch dabei helfen, die Besonderheiten der Funktionsweise eines Krankenhauses zu verstehen. Du könntest dafür selbst losziehen und Videos und Bilder von den Innenräumen von Krankenhäusern machen – oder Menschen dafür bezahlen, Sensoren und Kameras zu tragen, während sie dort ihrer Arbeit nachgehen.
„Aber das ist eben teuer und zeitaufwendig, sodass man nur eine begrenzte Anzahl solcher Anleitungen herstellen kann“, sagt Rev Lebaredian, Vizepräsident für Simulationstechnologien bei Nvidia. Cosmos kann stattdessen eine Handvoll dieser Beispiele nehmen und eine dreidimensionale Simulation eines Krankenhauses erstellen. Anschließend nimmt es Änderungen vor – unterschiedliche Bodenfarben, unterschiedliche Größen von Krankenhausbetten – und erstellt immer wieder leicht unterschiedliche Umgebungen. „Sie vervielfachen die Daten, die Sie in der realen Welt erfasst hatten, millionenfach“, sagt Lebaredian. Dabei wird das Modell so verfeinert, dass es in dieser spezifischen Krankenhausumgebung gut funktioniert. Es ist so, als würde man sowohl aus den Erfahrungen in der realen Welt als auch aus der eigenen Vorstellungskraft lernen – vorausgesetzt, dass die Vorstellungskraft immer noch an die Regeln der Physik gebunden ist. Roboter durch KI und Simulationen zu unterrichten ist nicht neu, wird aber in den kommenden Jahren viel billiger und leistungsfähiger.
Ein schlaues Roboter-Gehirn bekommt einen schlauen Roboter-Körper
Viele Fortschritte in der Robotik haben mit der Verbesserung der Art und Weise zu tun, wie ein Roboter wahrnimmt und plant, was zu tun ist – mit anderen Worten, mit seinem „Gehirn“. Diese Fortschritte können oft schneller erzielt werden als solche, die den „Körper“ eines Roboters verbessern, der bestimmt, wie gut sich die Maschine durch die physische Welt bewegen kann. Insbesondere in Umgebungen, die chaotischer und unvorhersehbarer sind als kontrollierte Fließbänder. Das Militär war schon immer daran interessiert, diese Hürde zu überwinden und die Grenzen des physisch Möglichen zu erweitern. Die US-Marine hat Roboter der Firma Gecko Robotics getestet, die (mithilfe von Magneten) an senkrechten Wänden entlang navigieren können, um beispielsweise Infrastrukturinspektionen durchzuführen und Flugzeugträger auf Risse, andere Mängel und schlechte Schweißnähte zu überprüfen.
Es wird auch in den Bereich des direkten Schlachtfelds investiert. Während wendige und erschwingliche Drohnen die ländlichen Kampfzonen in der Ukraine verändert haben, gibt es neue Bemühungen, diese Drohnenfähigkeiten in Innenräume zu bringen. Der Rüstungshersteller Xtend erhielt im Dezember 2024 vom Pentagon einen Auftrag über 8,8 Millionen US-Dollar für seine Drohnen, die in engen Häusern und städtischen Umgebungen navigieren können. Diese sogenannten „Loitering Munitions“ sind Einweg-Angriffsdrohnen, die Sprengstoff transportieren, der beim Aufprall detoniert. „Diese Systeme sind darauf ausgelegt, Herausforderungen wie beengte Räume, unvorhersehbare Grundrisse und GPS-freie Zonen zu bewältigen“, sagt Rubi Liani, Mitbegründer und CTO von Xtend. Die Auslieferung an das Pentagon soll in den ersten Monaten dieses Jahres beginnen.
US-Verteidigung mit Fokus auf autonome U-Boote und Gefährte
Eine weitere Initiative – die zum Teil durch das Replicator-Projekt, den Plan des Pentagons, mehr als eine Milliarde US-Dollar für kleine unbemannte Fahr-, Flugzeuge und Schiffe auszugeben, ausgelöst wurde – zielt darauf ab, mehr autonom gesteuerte U-Boote und Gefährte für die Erdoberfläche zu entwickeln. Dies ist besonders interessant, da sich das Verteidigungsministerium zunehmend auf die Möglichkeit eines zukünftigen Konflikts im Pazifik zwischen China und Taiwan konzentriert. In einem solchen Konflikt wären die Drohnen, die den Krieg in der Ukraine dominiert haben, wenig nützlich, da die Kämpfe fast ausschließlich auf See ausgetragen würden, wo kleine Luftdrohnen durch ihre Reichweite eingeschränkt sind. Stattdessen würden Unterwasserdrohnen eine größere Rolle spielen.
All diese Veränderungen zusammengenommen deuten auf eine Zukunft hin, in der Roboter flexibler lernen, arbeiten und sich bewegen könnten. Jan Liphardt von der Stanford University ist der Meinung, dass die nächste Herausforderung dieser Transformation von der Fähigkeit abhängt, Roboter durch Sprache zu instruieren. Die Fähigkeit großer Sprachmodelle, Text zu verstehen und zu generieren, hat sie schon zu einer Art Übersetzer zwischen Liphardt und seinen Robotern gemacht, erzählt er. „Wir können einem unserer automatischen Vierbeiner sagen: „Hey, du bist ein Hund“, und das Ding wird an dir schnüffeln und versuchen zu bellen“, sagt er. ‚Dann ändern wir ein Wort, jetzt ist der Roboter eine Katze. Dann miaut er und rennt vor Hunden weg. Und wir haben nicht eine einzige Codezeile geändert.“
Die sind schon fertig: Roboter im Einsatz