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MIT Technology Review Analyse

Bill Gates und das Comeback der Kernenergie: Was steckt hinter dem Terrapower-Projekt?

Was hat es mit dem neuen Kernkraftwerk auf sich, bei dessen Baubeginn Bill Gates persönlich zur Schaufel griff? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Natrium-Reaktoren und Terrapower.

Von Wolfgang Stieler
4 Min.
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Grafisches Modell eines Mini-AKW. (Rendering: Terrapower)

Warum unterstützt Bill Gates den Bau eines neuen Kernkraftwerks?

„Neue Designs für Kernkraftwerke versprechen, diese Energiequelle sicherer und kostengünstiger zu machen. Dazu gehören die Spaltreaktionen der Generation IV, eine Weiterentwicklung traditioneller Designs, kleine modulare Reaktoren sowie Fusionsreaktoren“, schrieb Gates 2019 in einem Gastbeitrag für TR. „Kleine modulare Reaktoren produzieren typischerweise eine Leistung im Bereich von zehn Megawatt (ein herkömmlicher Kernreaktor leistet rund 1000 Megawatt). Unternehmen wie NuScale aus Oregon gehen davon aus, dass die miniaturisierten Reaktoren Geld sparen sowie Umwelt- und Finanzrisiken reduzieren.“

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Genau das nimmt das Unternehmen Terrapower mit seinem Bauprojekt im US-Bundesstaat in Wyoming jetzt in Angriff und will die Praxistauglichkeit seines natriumgekühlten, kleinen, modularen Atomreaktors zeigen. Gates hat eine Milliarde Dollar in das Unternehmen investiert.

Anfänglich wollte das Unternehmen den Prototypen eines so genannten „Wanderwellen-Reaktors“ in China bauen, beendete das Projekt aber 2019, nachdem die US-Regierung scharfe Ausfuhrbeschränkungen für den Export von Atomtechnologie nach China beschloss. Der Natrium-Reaktor ist nun der zweite Anlauf von Terrapower.

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Natrium-was?

Natriumgekühlter, kleiner modularer Reaktor. Soll heißen: Der Reaktor soll mit schnellen Neutronen arbeiten. Damit kann er Kernbrennstoff besser nutzen (also auch Uran 238 spalten und Plutonium „erbrüten“). Solche Reaktoren können aber nicht mit Wasser gekühlt werden wie herkömmliche AKWs. Stattdessen verwendet man leichte Elemente zur Kühlung wie zum Beispiel Natrium.

Was sind denn schnelle Neutronen?

Man kann sich grob vereinfacht Atomkerne wie wackelige Klumpen aus Protononen und Neutronen vorstellen (Physiker nennen das Tröpfchenmodell). Die Neutronen sorgen dafür, dass die Protonen, die alle die selbe elektrische Ladung haben, nicht auseinander fliegen. Schießt man ein Neutron auf so einen Atomkern, kann es darin stecken bleiben und der Kern fängt an, zu vibrieren. Hat das Neutron die richtige Geschwindigkeit, vibriert der Kern so stark, dass er auseinander bricht. Dann werden zwei oder drei Neutronen frei, die wegen des Massendefekts ziemlich viel Energie mitbekommen.

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In Reaktoren der „Generation IV“, gelegentlich auch „fortgeschrittene Reaktoren“ (advanced reactors) genannt, werden solche schnellen Neutronen für die Kernspaltung verwendet. Das hat den Vorteil, dass das viel häufiger vorkommende Uran 238 diese schnellen Neutronen einfängt, und dann nach zwei Kernzerfällen zu Plutonium wird. Plutonium wiederum lässt sich gut mit schnellen Neutronen spalten.

Und langsame Neutronen?

Druckwasserreaktoren benutzen Wasser als Kühlmittel und als so genannten Moderator. Das bedeutet, die bei der Kernspaltung frei werdenden schnellen Neutronen werden durch das Wasser abgebremst. Dadurch können diese dann „langsamen Neutronen“ den Kern eines weiteren Uran-235-Atoms spalten.

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Welches Konzept ist besser?

Kann man so nicht sagen. Grundsätzlich sind Reaktoren mit schnellen Neutronen kompakter, weisen eine höhere Leistungsdichte auf und der Reaktorkern soll eine höhere Temperatur erreichen – um die 1000 Grad. Die Idee ist, die Energie nicht nur zur Verstromung zu nutzen, sondern auch als Hochtemperatur-Prozesswärme, um beispielsweise Wasserstoff zu erzeugen. Als Kühlmittel verwenden solche Reaktoren jedoch meist flüssiges Metall wie Natrium oder Blei, oder auch Metallsalze. Druckwasserreaktoren sind aber leichter zu beherrschen und technisch nicht so aufwändig. Die allermeisten AKWs weltweit sind Druckwasserreaktoren. Das heißt, mit der Technologie gibt es viel mehr Erfahrungen.

Natrium als Kühlmittel, ist das nicht gefährlich?

Sicherheitsfachleute argumentieren, dass man diese Frage nicht so pauschal beantworten kann. Bei der Beurteilung einer solchen Anlage kommt es immer auf den Einzelfall an. Prinzipiell gibt es aber bei natriumgekühlten Reaktoren zwei Probleme: Zum einen ist Natrium hochreaktiv. Tritt Natrium aus dem Kühlkreislauf aus, kann das zu Bränden führen. Kommt es mit Wasser in Kontakt, reagiert es ebenfalls sehr heftig. Außerdem gehen diese Reaktoren bei Kühlmittelverlust nicht aus, sondern erhitzen sich immer weiter, bis der Kern auseinander fliegt.

Technisch ausgedrückt haben große, natriumgekühlte Reaktoren „in wesentlichen Teilen des Cores einen positiven Natrium-Temperaturkoeffizienten und einen positiven Blasenkoeffizienten der Reaktivität“, heißt es in einem Lehrbuch zur Reaktorsicherheitstechnik. Der Worst Case, bei dem der Reaktor auseinanderfliegen würde, heißt in der Fachsprache Bethe-Tait-Störfall.

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Das ist nicht nur ein theoretisches Problem: Das Konzept des schnellen Brutreaktors wurde ursprünglich von Leo Szilard und anderen Wissenschaftlern des Manhattan-Projekts entwickelt. Nach ihren Plänen wurde der Experimental Breeder Reactor-I (EBR-I) gebaut, der im Dezember 1951 als erster Atomreaktor der Welt Strom lieferte – mit dem zunächst vier 200-Watt Glühbirnen betrieben wurden. Bei einem Test mit diesem Reaktor kam es 1955 zu einer ungeplanten Kernschmelze.

Wie will Terrapower die Sicherheit in den Griff kriegen?

Das Design des neuen Reaktors von Terrapower beruht auf dem des PRISM Reaktor. Das ist ein Reaktor, der gemeinsam von GE und Hitachi entwickelt wurde. An diesen Reaktor will Terrapower dann einen thermischen Energiespeicher koppeln.

Die gesamte Anlage ist unterirdisch. Aus Sicherheitsgründen hängt zwischen dem natriumgekühlten Primärkreislauf und dem Dampfkreislauf mit der Turbine ein ebenfalls natriumgekühlter Zwischenkreislauf. Im Fall eines Kühlmittelverlustes fallen magnetisch gehaltene Absorberstäbe in den Reaktorkern, die die schnellen Neutronen einfangen (oberhalb der Curie-Temperatur bricht der Magnetismus der Halterung zusammen.) Der Reaktor geht dann aus.

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Wozu ist der thermische Energiespeicher gut?

Vermutlich, um Schwankungen bei der Energieabgabe nicht direkt an den Reaktor durchzureichen – und die Anlage trotzdem flexibel betreiben zu können.

Theoretisch kann man Atomkraftwerke zwar auch herunterregeln, wenn gerade nicht so viel Energie gebrauch wird – weil es zum Beispiel gerade viel billigen Windstrom gibt. Praktisch hat solch ein „Lastfolgebetrieb“ aber natürlich Auswirkungen auf die Anlage. Die Komponenten werden stärker belastet und das AKW altert schneller. Außerdem gehen die Betreiber bei ihrer Kostenrechnungen von einem Vollast-Betrieb aus. Wenn man den Reaktor nur die Hälfte der Zeit laufen lassen würde, steigen natürlich auch die Kosten für die Energieerzeugung. Vermutlich ist die Idee bei Terrapower also, den Reaktor die ganze Zeit unter optimalen Betriebsbedingungen laufen zu lassen, und einen schwankenden Energiebedarf über den Energiespeicher zu bedienen.

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