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ChatGPT und Bing: Das Internet hat ein Problem, wenn Microsoft nichts ändert

KI und Suchmaschinen: Diese Verbindung wird ganze Branchen verändern. Viele neue Möglichkeiten sind aus Nutzersicht schlichtweg großartig. Es warten allerdings auch massive Probleme – je nachdem, für welchen Weg sich Microsoft und Google entscheiden.

6 Min. Lesezeit
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Microsoft-CEO Nadella zeigt die neue Bing-Version mit ChatGPT. (Foto: Microsoft)

Es ist ein Trend, der seit Jahren anhält: Große Plattformen wie Facebook, Google und mittlerweile Tiktok versuchen die User immer länger auf ihren Seiten zu halten. Dazu stellen sie von anderen Websites erstellte Inhalte möglichst umfassend in ihrem Angebot dar, in der Regel ohne etwas dafür zu bezahlen. Die Integration von ChatGPT und Bard in Bing respektive Google hat das Potenzial, diese Entwicklung massiv und mit drastischen Folgen zu verstärken.

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Kurzfassung: So verdienen die meisten Websites Geld

SEOs, Journalisten und Branchen-Kenner dürfen gerne zur nächsten Zwischenüberschrift springen. Für alle anderen: Auch die Erstellung von Online-Angeboten kostet Geld. Das gilt übrigens nicht nur für Verlagshäuser, sondern auch für Websites mit Kochrezepten, Musiknoten, Fußballstatistiken und so weiter.

Alles, was über ein Hobby oder Wohlfahrt hinausgeht, muss sich zumindest gegenfinanzieren. Das funktioniert entweder über zahlende Nutzer oder indem auf der Website Werbung geschaltet wird.

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Die Werbepartner zahlen den Website-Betreibern Geld, wenn die Werbung ausgespielt wird. Dazu brauchen die Websites User auf ihren Seiten, die dort möglichst viel Zeit verbringen. Seht ihr also bei Google ein Suchergebnis, das schon direkt auf google.de all eure Fragen beantwortet, hat der Website-Betreiber, von dem die Antwort in der Suche stammt, finanziell überhaupt nichts davon.

Das ist übrigens einer der Gründe, warum Überschriften im Online-Journalismus oft so viele Informationen aussparen. Clickbait ist uncool und Information-Gaps können lästig sein, aber wenn ihr alle Infos direkt in der Google-News-App bekommt und beim Swipen keinen Artikel tatsächlich noch aufruft, bringt es den Publishern nichts (Leistungsschutzrecht anyone?).

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Google verändert seine Suchergebnisse seit Jahren konstant in die Richtung, dass immer weniger Klicks auf Quellen oder weiterführende Seiten nötig sind. Das verbessert die Sucherfahrung, nur kommt bei den Websites davon nichts an.

Hier mal ein exemplarisches Beispiel aus der Google-Suche, wie man seinen Instagram-Account löscht. Das Prinzip lässt sich auch auf komplexere Inhalte anwenden:

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Die Google-Suche stellt bereits jetzt viele Ergebnisse so dar, dass weitere Klicks nicht nötig sind. (Screenshot: t3n/ Google)

Glückwunsch an Klarmobil: In diesem Fall werden sie von Google als relevantestes Suchergebnis ausgespielt. Allerdings wird im Snippet auch die komplette Frage beantwortet.

Muss man jetzt noch auf die Website klicken? Eigentlich nicht. Was (überspitzt formuliert) folgt: Keine Nutzer auf der Website, keine Werbeeinnahmen, Artikel umsonst geschrieben.

Bei Chip sieht es schon besser aus: Das Suchergebnis signalisiert klar, dass ich alle benötigten Infos auf der Website finde, ich muss sie aber zumindest einmal kurz aufrufen, um alles lesen zu können.

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Der Worst Case: Urheber schauen in die Röhre

Was passiert aber, wenn es für User gar nicht mehr nötig ist, in der Suchmaschine auf Suchergebnisse zu klicken oder die Quellen der Ergebnisse gar nicht mehr (oder nur noch versteckt) angezeigt werden?

Dazu müssen wir uns zunächst anschauen, wie Microsoft sich seine neue Bing-Suche eigentlich vorstellt. Wichtig ist dabei, dass es sich um eine Testphase handelt und die Darstellung von Suchergebnissen ohnehin nie ihren finalen Status erreicht haben wird. Trotzdem lassen sich hier klare Tendenzen ablesen, wie Microsoft mit seinen Quellen umgehen will.

Fußnoten helfen den Websites nicht

Aktuell präsentiert Microsoft die ChatGPT-Vorschau in Bing so:

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So sieht die Vorschau von Bing mit integriertem Chatbot aus (Desktop-Version). (Screenshot: Bing/t3n)

Links sehen wir herkömmliche Suchergebnisse, rechts die KI-Antwort. Interessant: Die Quellen für die einzelnen Rezepte sind verlinkt. Mit dieser Antwort weiß man als User zwar, welche Gänge es geben könnte, aber nicht, wie man sie zubereitet.

Unter „learn more“ sehen wir mögliche Websites mit Rezepten, die wie in herkömmlichen Suchergebnissen jetzt von einem Klick profitieren könnten. Wer sich mit Suchmaschinenoptimierung beschäftigt, weiß allerdings, wie wichtig es ist, die eigene Seite möglichst groß und prominent im Suchfenster platziert zu bekommen.

Die Fußnoten sind hier zwar immerhin eine Quellenangabe und helfen dabei, Infos schnell zu verifizieren – das ist sehr wichtig, denn die Verlässlichkeit von KI-Systemen als Informationsquelle lässt aktuell zu wünschen übrig -, ob die Fußnoten irgendeiner Website hinsichtlich der Monetarisierung oder dem Aufbau einer Stammleserschaft aber wirklich helfen, darf bezweifelt werden.

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Chatbot in Bing: Hey, lass uns doch darüber reden

Der Teufel steckt zudem im Detail: Die vorgeschlagenen Fragen öffnen nämlich einen Chat mit dem Bot und dieser spuckt auf Anfrage mit hoher Wahrscheinlichkeit die kompletten Rezepte aus, ohne dass man Bing noch zugunsten einer Koch-Website verlassen müsste.

Beim User entsteht so kein Bewusstsein dafür, auf welchen Websites er regelmäßig Kochrezepte nach seinem Geschmack findet, er bleibt einfach bei Bing und chattet mit dem Bot. Websites sind aber darauf angewiesen, User dauerhaft von sich zu überzeugen.

Die Desktop-Ansicht ist zudem trügerisch. Die meisten Menschen sind mit ihrem Smartphone im Web unterwegs. Und da stehen Suchergebnisse und Chatbot-Antwort nicht gleichberechtigt nebeneinander, wie in der Desktop-Version.

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In der mobilen Variante sind die herkömmlichen Suchergebnisse komplett aus dem ersten Viewport verschwunden (Screenshot: Bing/t3n)

Vielmehr gibt es im ersten Viewport nur die KI-Antwort, und erst wenn man runterscrollt, gelangt man zu den regulären SERPs (Suchergebnisseiten). Bing legt den Usern nahe, doch noch ein bisschen zu bleiben, kein Grund zu gehen: Wir können hier doch über alles reden.

Was Microsoft davon hat? Auf Bing wird nicht gerade wenig Werbung geschaltet, die Werbeumsätze werden also von den Urhebern abgezogen und in die Suchmaschine verlagert. Und damit ist es auch nicht weit weg, sich als Unternehmen eine Empfehlung durch den Chatbot kaufen zu können.

Keine Klicks, keine Leser, kein Umsatz, kein Content

Es folgt das bewusst drastisch formulierte Worst-Case-Szenario, das vermutlich nie zu 100 Prozent eintreten wird. Aber auch ein paar Prozent weniger hätten schon massive Auswirkungen.

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Microsoft hat nicht vor, die Urheber der Inhalte, auf die sich die KI bei ihren Antworten bezieht, zu entschädigen. Man setze ja Links als Quellenangabe. Und auch bei Google sieht es nicht anders aus: Die Google-Suche sorge ja für mehr Klicks und nicht für weniger.

Der erste Blick auf die Google-Suche mit Bard spricht aber eine andere Sprache:

Google Bard in Aktion. Herkömmliche Suchergebnisse werden nach unten verschoben. Eine Quellenangabe für die Antwort fehlt zumindest in dieser Ansicht. (Bild: Google)

Wenn die Klicks über die Suche allerdings massiv abnehmen, weil alle Fragen direkt vom Chatbot beantwortet werden, können Websites ihre Inhalte nicht mehr monetarisieren. Sie bauen auch keine Stammleserschaft auf, die bereit ist, die Website in irgendeiner Form zu unterstützen.

Dadurch können sie nur noch günstigeren, weniger oder gar keinen Content mehr produzieren. Die KI wiederum hätte nun schlechtere Quellen zur Verfügung, die Qualität der Antworten sinkt und am Ende ist das ganze Internet im Eimer.

Best Case: Endlich mehr Wettbewerb

So muss es natürlich nicht kommen. Viele Websites sind schon heute weniger stark auf Google angewiesen, weil sie eine Stammleserschaft haben, die entweder mit ihren Klicks Werbeumsätze generiert oder für die Inhalte zahlt.

Sie stünden allerdings vor der Frage: Stelle ich meine Premium-Inhalte der KI als Datengrundlage zur Verfügung oder schließe ich sie aus und riskiere damit, gar nicht mehr als relevante Quelle in den Antworten genannt zu werden? Insgesamt wären solche, häufig qualitativ hochwertigeren Websites, allerdings wohl weniger von der KI-Suche betroffen.

Es gibt nämlich bei Weitem nicht nur Negatives: Für User wird die KI-basierte Suche eine ganz neue und auf Dauer bessere Erfahrung schaffen. Und auch aus ökonomischer Sicht wäre es produktiv, wenn Google durch Bing und andere Suchmaschinen ernstzunehmende Konkurrenz bekommt. Zur Erinnerung: Der meistgesuchte Begriff bei Bing lautet über einen großen Zeitraum hinweg „Google“.

Gemeinsam mit der Konkurrenz aus Social-Media-Apps wie Tiktok, die ebenfalls immer mehr als Suchmaschine fungieren, könnten sich die Machtverhältnisse auf einem aktuell sehr einseitigen Markt deutlich verschieben. Das könnte auf Dauer den Inhalten zugutekommen: In Wahrheit heißt Suchmaschinenoptimierung aktuell nämlich Optimierung für Google.

Frage an alle SEOs: Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal eine Website für Bing optimiert? Eben, wir auch nicht.

Die präzisere KI-gestützte Suche könnte zudem den Seiten helfen, die den Search-Intent am besten bedienen. So könnten umfassende Blogposts, die mehrere Fragen beantworten, besser abschneiden und häufiger zu unterschiedlichen Suchanfragen gefunden werden.

Allerdings sind gigantische KI-Modelle wie ChatGPT so daten- und stromhungrig, dass sie aktuell wesentlich leichter von den großen Playern betrieben werden können.

Wir müssen neu verhandeln, was uns Inhalte wert sind

Und auch bei einer positiven Sicht der Dinge bleibt die entscheidende Frage, wie Anbieter von KI-Diensten mit den Quellen umgehen, auf denen sich ihre Modelle berufen. KI-Inhalte verschieben Aufmerksamkeit, Zeit und Geld der User schneller und stärker von den Urhebern der Inhalte zur Zweitverwertung der Plattformen.

Es bräuchte neue Strategien, wie die Ersteller von Inhalten an der KI-Revolution und den wachsenden Profiten der Plattformen profitieren können. Wenn der aktuell eingeschlagene Weg weiter verfolgt wird, hat das Internet ein echtes Problem.

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4 Kommentare
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Dein t3n-Team

Franziska Uber

Aber ist man nicht selbst verantwortlich, wenn man nur auf SEO setzt. Ich habe z.B. meine eigene Marke aufgebaut.

Antworten
Mike Theiß

Typisch Deutschland.
Ein Ellenlanger Text über die möglichen Nachteile.

Wo ist die Vision, die Lösung.

Hier wird nur geheult während die Amis die Geschäfte machen.

Peinlich hoch3

Antworten
Durchwinker

Das ist ja toll. Aber von wem hat die KI denn ihre Informationen? Oh, stimmt ja, von uns Publishern. Wie fair.

Dann soll Google eben draufzahlen, ansonsten ruinieren die den Markt, wollten sie ja auch mal, wurde dann aber gestoppt. Print wird nicht mehr so schnell wachsen, dass man sagen kann, lasst uns doch das wieder machen.

Antworten
Nickeling

Bing findet einfach nichts.
Ich gebe ein „action film seal team rettet Leute“ und Google sagt sofort ‚Lone Survivor“, mit Link zum Wiki, falls ich mir nicht sicher bin.

Bing allerdings kommt auf der kompletten ersten Seite mit Links zu Websites daher, die da lauten „Die besten Actionfilme“, „die besten Navy Seals Filme“ und als Drittes kommt „Seal Team Eight: Behind Enemy Lines“, wo jeder weiß, dass die da so gar keinen retten.
Ich hab nun auch mal Bing AI befragt und da ist Bing auch echt schlau, er/sie/es findet alles, wenn man die richtigen Kriterien eingibt.
Der Suchmaschine fehlt die „Intuition“, die eben Google hat. Aus welchen Gründen auch immer.

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