Biodiesel aus Frittenfett soll CO₂ vermeiden – doch es lädt zum Betrug ein

Seit April kann an Tankstellen in Deutschland HVO100 ("Hydrated Vegetable Oils") getankt werden. Die neue Sorte wird zu 100 Prozent aus Abfallstoffen wie Frittenfett hergestellt. (Symbolbild: nata-lunata / Shutterstock)
Unter dem Namen „Hydrated Vegetable Oils“ (HVO) können Altspeiseöle seit diesem Frühjahr hierzulande offiziell getankt werden – entweder als Beimischung zu konventionellem Diesel oder in Reinform (HVO 100). Anders als konventioneller Biodiesel (Fettsäure-Methylester) ist HVO chemisch kaum von fossilem Diesel zu unterscheiden.
Dass Speiseölreste nicht die Welt retten werden, liegt auf der Hand. Schließlich kann kein Land so viel Pommes vertilgen, wie es Diesel verbrennt. Doch können sie nicht wenigstens einen kleinen Beitrag zur CO2-Vermeidung liefern?
Bedarf an gebrauchtem Speiseöl für Diesel
Eine aktuelle Studie der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) weckt daran erhebliche Zweifel. Die europäischen Länder verbrauchen demnach acht Mal so viel gebrauchtes Speiseöl, wie sie selbst einsammeln. Selbst wenn sie ihr volles Potenzial ausnutzen würden – das Öl also beispielsweise nicht nur in Restaurants, sondern verstärkt auch in Privathaushalten einsammeln würden – wäre der Verbrauch immer noch vier Mal so hoch wie die eigene Erzeugung.
Der Rest wird importiert, vor allem aus China, Indonesien und Malaysia. Der Transport um die halbe Welt ist dabei nicht einmal das größte Problem. Sondern die mangelnde Kontrolle.
Allein Malaysia exportiert nach den Daten von T&E dreimal mehr gebrauchtes Speiseöl, als es selbst einsammelt. „Das zeigt nahezu sicher, dass Betrug in großem Maßstab stattfindet“, sagt Cian Delaney, Biofuel-Campaigner bei T&E. „Und da Malaysia einer der größten Palmölproduzenten der Welt ist, ist dies ein deutliches Anzeichen dafür, dass gebrauchtes Speiseöl einfach eine Hintertür für Palmöl ist.“
Der Hintergrund: Mineralölkonzerne sind verpflichtet, die Treibhausgas-Quote ihrer Produkte zu senken. Dies kann durch Beimischung von Agrartreibstoffen geschehen. Biosprit ist aber nicht gleich Biosprit: Je nach Herkunft werden unterschiedliche Treibhausgasquoten angerechnet. Palmöl wird in Deutschland überhaupt nicht mehr angerechnet, damit kein weiterer Regenwald für Palmölplantagen gerodet wird. Besonders hoch ist der Anrechnungsfaktor hingegen bei „fortschrittlichen“ Treibstoffen aus Abfällen – wie eben gebrauchtes Speiseöl. Entsprechend attraktiv ist es für die Mineralölkonzerne, weil sie entsprechend weniger davon beimischen müssen. Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten, dass zu Tricksereien förmlich einlädt. „Wenn aus China plötzlich enorme Mengen fortschrittlichen Biodiesels aus gebrauchten Speiseölen kommen, kurz nachdem Deutschland diesen Rohstoff als fortschrittlich anerkannte, und dies auch noch zu extrem niedrigen Preisen, dann riecht das nach Betrug“, schrieben die DLG-Nachrichten bereits im November 2023.
„Mutmaßlich falsch deklarierter Biodiesel“
Leidtragende sind die Umwelt und die hiesige Landwirtschaft. Bereits vor einem Jahr warnte der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), die deutschen und europäischen Produzenten könnten wegen „mutmaßlich falsch deklariertem Biodiesel aus China dauerhaft vom Markt verschwinden“.
Dass Zertifizierungssysteme versagen, ist kein Einzelfall (etwa bei der Ölförderung oder bei Klimakompensationen). In diesem Fall ist das wenig verwunderlich: „Es gibt in der EU nur einen Zertifizierer, der für HVO in China zugelassen ist, die ISCC in Köln, also eine deutsche Firma“, so die DLG-Nachrichten. „Die Audits in China werden aber von Chinesen durchgeführt. Eine Kontrolle durch eine europäische Aufsicht ist jedoch nicht erlaubt.“
In den letzten Monaten seien die fraglichen Importe aus China wieder etwas zurückgegangen, sagt VDB-Pressesprecher Frank Brühning. Allerdings bestehe das Problem fort, weil jederzeit wieder mehr Biodiesel aus China importiert werden könnte. „Deshalb möchte der Verband seit langem, dass die Regeln für die Zertifizierung verschärft werden.“ So sollen Produzenten fortschrittlicher Biokraftstoffe unter anderem „alle zwei Jahre ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, bevor sie ihre Produkte in Deutschland anrechnen werden dürfen. Die Prüfung darf nicht häufiger als zwei Mal von derselben Zertifizierungsstelle vorgenommen werden“. Zudem sollen mindestens einmal jährlich unangekündigte Kontrollen vor Ort stattfinden.
Strengere Zertifizierung gefordert
Beim Bundesumweltministerium habe es ein „grundsätzliches Verständnis für das Problem“ gegeben, berichtet Bühning. „Allerdings möchte das Ministerium die Zertifizierung erst im Zuge der nationalen Umsetzung der RED III (Erneuerbare Energien-Richtlinie III) verschärfen, was aus Sicht der Branche zu spät ist.“
T&E fordert ebenfalls eine strengere Zertifizierung, geht aber noch weiter: Die Regierungen sollten von außerhalb der EU importierte Speiseöle generell nicht mehr für die Treibhausgas-Quoten anrechnen. Zudem müsse die direkte Elektrifizierung die „bevorzugte Option für den Straßentransport“ sein.
Das Problem dürfte sich in Zukunft noch verschärfen. Gebrauchte Speiseöle sind auch in der Luftfahrt ein attraktives Mittel, die Klimabilanz zu verbessern. Das dürfte die Nachfrage bis 2030 verdreifachen, schätzt die T&E-Studie.