Was bringt die Zukunft? 5 Experten über die Blockchain
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Der Bitcoin knackte erst kürzlich die 2000-Dollar-Marke und löste damit eine Art Goldgräberstimmung aus. Für Laien dagegen mehr oder weniger unbemerkt legte Etherum ein Plus von 2.400 Prozent seit Jahresbeginn hin. Ihre Gemeinsamkeit, die Blockchain-Technologie, erlangt langsam aber stetig immer mehr öffentliches Interesse. Dabei steckt sie hinter so viel mehr als nur Kryptowährungen und wird in Zukunft die Basis komplett neuer Geschäftsmodelle bilden. Im Vorfeld der Blockchain-Konferenz „The Block“ haben wir fünf Experten, die auf der Veranstaltung sprechen werden, zum Kurzinterview gebeten: Fabian Vogelsteller, Ricardo Ferrer Rivero, Joachim Lohkamp, Dr. Nina-Luisa Siedler und Frank B. Sonder.
t3n: In letzter Zeit bekommt das Thema ja sehr viel Aufmerksamkeit. Welche Konsequenzen ergeben sich für das Ansehen der Blockchain-Technologie im Bezug auf den aktuellen Hypertrend? Chance oder Risiko?
Fabian Vogelsteller: Wie jede neue, und besonders jede distributive Technologie gibt es den Gartner Hype-Cycle mit einem starken Hype in den ersten Jahren einer Technologie. Genau das gleiche finden wir gerade bei der Blockchain-Technologie. Diese Phase ist wichtig, denn sie schafft ein Bewusstsein für die Technologie und ihr Potenzial. Und das ist gerade bei so etwas wie Blockchain-Tech wichtig, da diese konzeptuell anders funktioniert, als wir das Internet und Technologie bis jetzt erlebt haben.
Sie ermöglicht sozial-ökonomische Interaktionen und Business-Modelle, die vorher einfach undenkbar waren. Gleichzeitig gibt es natürlich das Risiko, dass die Technologie und ihr aktueller Stand überschätzt wird, was dann auch der Grund für die „Despair“-Phase im Gartner Hype-Cycle darstellt. Denn auch wenn die Blockchain-Technologie durch ihre Eigenschaften ein unendlich großes Potenzial erzeugt, ist sie noch nicht so skalierbar oder Privatsphären-schützend, wie man sich das wünschen würde.
Ricardo Ferrer Rivero: Ich denke, dass es eher ein Risiko ist, weil die Erwartungen durch den Hype automatisch höher werden. Viele Menschen denken, dass Blockchain ein Allheilmittel ist. Das könnte dazuführen, dass die Technologie bei Projekten eingesetzt wird, für die sie gar keinen Vorteil bringt und zu Enttäuschungen führt.
Dr. Nina-Luisa Siedler: Risiko: Bislang halten sich die BaFin und andere Regulatoren noch auffällig zurück, zumeist mit Hinweis auf die bislang „fehlende Relevanz“. Allerdings hat die BaFin bereits im März geäußert, dass sich das Argument nicht mehr lange halten lassen wird und sie sich das Thema nun ernsthaft anschauen müsse. Die steigenden Bewertungen und zunehmende Verbreitung werden daher absehbar eine intensivere Befassung der Aufsicht mit ICOs und anderen Finanzierungsmodellen auf Basis von Kryptowährungen sowie der generellen Nutzung dieser Parallelwährungen auslösen.
Chance: International zu beobachten ist aber gleichzeitig eine zunehmende Akzeptanz von Kryptowährungen in der Wirtschaft bis hin zu ausdrücklicher staatlichen Anerkennung.
Joachim Lohkamp: Der Hype ist da, und die Frage ist, wie man mit dieser Situation umgeht. Blockchain steht nicht zuletzt für Vertrauen, und um dies sicherzustellen und vor allem auch nicht zu gefährden, sehe ich Transparenz als einen essentiellen Faktor. Transparenz erlaubt es uns, schneller zu lernen und zu verstehen, was man mit Blockchain machen kann, wie sie funktioniert, wo ihre Stärken und Schwächen sind, aber natürlich auch die Technologie weitaus schneller zu verbessern und zu integrieren.
Frank B. Sonder: Getreu meinem Vortragsmotto gilt auch hier „Distrust the Hype“. Wenngleich der vorübergehenden Enttäuschung auch im Falle der Blockchain die produktive Entfaltung folgen wird. Viel kritischer allerdings sehe ich die allgegenwärtige Vereinnahmung durch die Banken. Selbst die leistungsfähigste Kettensäge werden sie nicht an dem Ast ansetzen, auf dem sie sitzen.
„The Block“, der Blockchain-Konferenz in Hannover, geht es um die technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Perspektiven der Blockchain-Technologie und um mögliche Geschäftsmodelle und Anwendungsfelder.
t3n: Ist die Blockchain-Technologie schon reif, um in den produktiven Einsatz zu gehen?
Vogelsteller: Das kommt ganz auf den Anwendungsfall an. Bei Transaktionszahlen von zehn bis 40 Transaktionen pro Sekunde funktioniert das für viele Anwendungsfälle, jedoch bei Dingen wie Massenwaren-Supply-Chain-Tracking auf der Blockchain muss wohl mit intelligenten architektonischen Umwegen gearbeitet werden. Auch stellt Privatsphäre ein Problem auf öffentlichen Blockchains dar, kann aber durch Pseudonymität und benutzen von digitalen Fingerabdrücken umgangen werden.
Lohkamp: Es hängt sehr vom Use-Case ab. Bitcoin und andere Coins zeigen ja schon, dass es für die Blockchain konkrete und funktionierende Anwendungen gibt. Auch im Bereich Identity kann ich mir relativ bald eine Marktreife vorstellen.
Sonder: Bei umfassenderen Themen wie Nationbuilding, Governance und Constitutional Code besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, bevor man weitergehen kann und sollte. Mir scheint auch mehr der menschliche als der technologische Reifegrad entscheidend. Oder wärest du schon bereit für Fair-Trade-Music mehr zu bezahlen, als für dein Spotify-Abo?
t3n: Welche Aktivitäten sind dazu geeignet, der Blockchain-Technologie schneller zum weltweiten Erfolg zu verhelfen?
Vogelsteller: Ich weiss gar nicht, ob ich eine noch schnellere Verbreitung bevorzugen würde. Diese Industrie und der Markt entwickelt sich in einer rapiden Geschwindigkeit. Was aber helfen würde, wären einfachere Zugänge zu Kryptowährungen – wie zum Beispiel die Möglichkeit, Bitcoin-Coupons in Kiosken zu kaufen.
Auf der anderen Seite werden viele Prozesse unter der Oberfläche auf Blockchains laufen oder mit diesen kommunizieren, was der Benutzer vermutlich in vielen Anwendungsfällen gar nicht merken wird. Prozesse werden einfach schneller und reibungsloser laufen.
Dr. Nina-Luisa Siedler: Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens auf internationaler Ebene wäre sicherlich ein bedeutender Schritt zum Durchbruch dieser Technologie. Das ist allerdings in weiter Ferne. Solange helfen nur lokale oder regionale Initiativen, die Rechtssicherheit zu verbessern. Ferner stets hilfreich für eine verbesserte Akzeptanz und Verbreitung sind auch Standardisierungen. Diese helfen Unternehmen, sich in der Vielfalt von Blockchain-Möglichkeiten schneller zurecht zu finden, auf bewährte Ansätze zu vertrauen, erleichtert zu implementieren und verzahnte Lösungen zu schaffen.
Ferrer Rivero: Die komplexe Blockchain-Technologie muss unsichtbar gemacht werden. Das schafft man, indem man sich auf die neuen Produkte und Geschäftsmodelle konzentriert, die diese Technologie ermöglicht. Wichtig dabei ist zu schauen, was die Kunden davon haben. Wir brauchen viel Know-How bei Organisationen in den betroffenen Branchen, um gute Anwendungen gestalten zu können. Zur Zeit ist Blockchain ein nerdiges Nischenthema. Erst wenn es eine Killer-App für die breite Masse gibt, werden wir anfangen, das Potenzial wirklich zu nutzen.
Sonder: Mehr Geld, aber weder von den alten noch von den neuen Mittelsmännern. Mehr Charlottenburger Philosophie im Kreuzberger Hinterhof. Mehr Kreuzberger Coder im Wilmersdorfer Salon. Mehr Experimente sowieso.
t3n: Ein schönes Schlusswort. Danke für eure Expertise
Du willst mehr Blockchain-Know-How? Dann besuche „The Block“, die Blockchain-Konferenz und Barcamp von PEY und t3n.
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