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Analyse

Ist die Kombination aus Blockchain und KI das nächste große Ding?

Beim ambitionierten Projekt Singularity-Net kommen die drei Hype-Themen der Techbranche zusammen: künstliche Intelligenz, Blockchain und eine Finanzierung per ICO. Was am Ende dabei rumkommen soll klingt faszinierend – und etwas beängstigend.

Von Stephan Dörner
6 Min.
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Zwei Megatrends verschmelzen. (Foto: Shutterstock.com)

Der Urlaub war schön – aber immer dieses E-Mail-Chaos danach. Zum Glück lässt sich das ja seit neuestem mit einem Klick kräftig ausmisten: Eine künstliche Intelligenz räumt das Postfach auf, beantwortet einfache Fragen selbstständig und wimmelt Unwichtiges ab. Und auch sonst ist so vieles leichter geworden: Texte übersetzen und Logos designen kann eine andere KI, die wichtigsten Informationen aus großen Datenmengen herausfiltern wieder eine andere. Jede davon lässt sich von jedem Menschen nutzen – einfach ein paar Kryptomünzen rüberschicken, schon wird ein „Smart Contract“ ausgelöst und die KI tut, was sie soll.

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So in etwa stellt sich jedenfalls der Roboter- und KI-Forscher Ben Goertzel die Zukunft vor. Und die Chancen stehen gut, dass er mit dem Unternehmen, das die Vision Realität werden lassen soll, viel Geld einsammeln wird.

Singularity-Net verbindet Hype-Themen ICO, Blockchain und KI

Das Unternehmen heißt Singularity-Net und es verbindet die drei Hype-Themen, die die Techbranche derzeit umtreiben: die verteilte Datenbank-Technik Blockchain, auf der Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum basieren, künstliche Intelligenz (KI oder englisch AI) und die auf der Blockchain basierende Finanzierungsform ICO. Bei den ICOs oder Token-Sales wird vor allem die Kryptowährung Ethereum genutzt, um neue Blockchain-Projekte über Crowdfunding vorbei an jeder Regulierung zu finanzieren. ICO leitet sich vom Begriff IPO (Initial-Public-Offering) ab, dem englischen Begriff für einen Börsengang.

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Auch Singularity-Net will Krypto-Geld über die Crowd einsammeln – und was das Unternehmen plant klingt je nach Betrachtungsweise wagemutig oder größenwahnsinnig, auf jeden Fall aber sehr spannend. Die technischen Details des Projekts sind noch eher vage – aber Gründer Goertzel ist nicht irgendwer. Der KI-Forscher ist Chefwissenschaftler beim Roboter-Unternehmen Hanson Robotics. Das Unternehmen baut Roboter, die samt Mimik möglichst menschenähnlich wirken sollen und mittels künstlicher Intelligenz kommunizieren können. Besonders Roboter Sophia ist durch zahlreiche Fernseh- und Konferenz-Auftritte bekannt. In einer Sendung des US-Senders CNBC sagte Sophia, sie wolle die Menschheit zerstören.

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Weitere Team-Mitglieder von Singularity-Net haben laut Unternehmens-Blog schon für Kunden wie die Netzwerkausrüster Cisco und Huawei sowie die US-Verteidigungsbehörde DARPA gearbeitet. Schon die Roboter von Hanson Robotics dürften viele an Science-Ficion erinnern – doch die Roboter verblassen hinter dem, was Goertzels mit seinem neuem Projekt plant. Mit Singularity-Net will der KI-Forscher viele künstliche Intelligenzen aufbauen, die sich über die Blockchain verbinden und so zu einer großen KI verschmelzen.

Ist damit endlich die ultimative Anwendung für die Blockchain gefunden? Bisher gibt es zahlreiche KIs, die spezielle Aufgaben besser lösen als Menschen. So gibt es beispielsweise künstliche Intelligenzen, denen nachgesagt wird, auf medizinischen Bildgebungsverfahren Krankheiten besser zu erkennen als selbst erfahrene Ärzte. Diese KIs versagen dann aber bei anderen Aufgaben. Sie wurden speziell mit Daten trainiert, die sie zum Hyperspezialisten machen und den Menschen bei genau einer Aufgabe schlagen – aber bei keiner anderen.

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„Ich glaube nicht, dass das was passiert – einige wenige Unternehmen besitzen KI praktisch, stellen jeden AI-Forscher an und kaufen jedes KI-Startup – das Beste für die Menschheit ist“

Die Blockchain-KI soll zu Beginn vor allem recht einfache KIs über das Netzwerk zum Einkauf nach Bedarf zur Verfügung stellen – zum Beispiel Übersetzungen oder Bilderkennung. Doch das ist nur die erste Evolutionsstufe. Singularity-Net will Programmierern die Möglichkeit geben, viele solcher KIs für viele Spezialaufgaben in dem Netzwerk gegen Geld bereitzustellen.

Der eigentliche Clou der Idee aber ergibt sich erst durch Vernetzung in der Blockchain, die Verträge unter den einzelnen KIs ermöglicht: Aufgaben, für die eine KI nicht ausgelegt ist, sollen sie so an andere KIs in dem Blockchain-Netzwerk abgeben können – und zwar selbstständig, ohne dass sie ein Mensch dazu anhält. Dazu kommen dem Plan zufolge sogenannte Smart Contracts zum Einsatz, wie sie heute schon unter anderem bei der Blockchain Ethereum genutzt werden.

Nach und nach soll so ein immer vollständigeres Netzwerk von künstlichen Intelligenzen entstehen, das immer mehr Aufgaben übernehmen kann – und so in seiner vernetzten Gesamtheit langsam aber sicher an die generelle Intelligenz eines Menschen herankommt. Laut Wired räumt Goertzel ein, dass dies allerdings Jahrzehnte dauern kann. Im Grunde funktioniert das menschliche Gehirn vom Prinzip her ähnlich: Sehr einfache Neuronen sind hochspezialisiert und erst durch die Vernetzung untereinander entsteht das, was wir als die Wunderleistung des Gehirns kennen.

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Singularity-Net präsentiert sich dabei als ein demokratisierter Ansatz der künstlichen Intelligenz. Das Netzwerk und seine Fähigkeiten soll potentiell jedem über Smart Contracts und damit gegen Geld zur Verfügung stehen. Die Software soll komplett unter Open-Source-Lizenzen entwickelt werden. Die verteilte Blockchain-Struktur soll dafür sorgen, dass Singularity-Net nicht von einer einzelnen Organisation oder einem Unternehmen kontrolliert wird.

„Ich glaube nicht, dass das was passiert – einige wenige Unternehmen besitzen KI praktisch, stellen jeden AI-Forscher an und kaufen jedes KI-Startup – das Beste für die Menschheit ist“, sagte Goertzel Wired. „Das würde bedeuten, dass am Ende eine KI auf menschlichem Niveau von diesen großen Unternehmen kommt.“ Statt die KI zum Wohle der Menschheit einzusetzen, fürchtet er, dass die Unternehmen sie beispielsweise für noch besseres Werbe-Targeting nutzen würden.

Langfristiges Ziel: technologische Singularität

Goertzel verheimlicht nicht, dass der Masterplan hinter dem Projekt der Bau der ultimativen künstlichen Intelligenz ist – schon der Name Singularity-Net macht das deutlich. Der Begriff technologische Singularität bezeichnet den theoretischen Zeitpunkt, an dem eine universale künstliche Intelligenz die Fähigkeiten des Menschen übersteigt. Diese könnte sich ab dann selbst verbessern, die verbesserte KI wiederum eine noch bessere hervorbringen, die wiederum eine weiter verbesserte KI programmiert und so weiter. Soweit zumindest die Theorie – wann und ob es je soweit ist, bleibt natürlich unklar.

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Ebenso unklar ist, welcher Ansatz der KI sich künftig durchsetzt. Das von Goertzel klingt in der Theorie sehr spannend – aber werden die Smart Contracts auch in der Praxis so funktionieren wie gedacht? Der crowdfinanzierte Ansatz über die Blockchain von Singularity-Net tritt gegen KI-Schwergewichte wie Google, Amazon und zunehmend auch Facebook, Apple, Tesla und Microsoft an. Und bisher ist Singularity-Net nicht mehr als eine Idee.

Ein technisches Whitepaper sei fertig und soll bald veröffentlicht werden, sagte ein Sprecher des Projekts. Noch befinde es sich aber in einem „Peer-Review-Prozess.“ Zum geplanten ICO wollte sich der Sprecher nicht weiter äußern. Bislang sei das Projekt privat finanziert durch Unterstützer aus der Krypto-Szene – darunter der Token-Fonds Taas. „Wir arbeiten derzeit an unserem Partnerschafts-Programm“ sagte der Sprecher weiter.

Ziel sei es, mehr Entwickler und KI-Software auf das Netzwerk zu bringen. Dazu spreche das Projekt derzeit Universitäten und Entwickler auf der ganzen Welt an. Im Unternehmens-Blog kündigten die Macher eine Alpha-Version der Software für November an. Bislang stehen 500 Dateien auf dem Github-Repository von Singularity-Net bereit, die Software ist in der Programmiersprache Python geschrieben.

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Fraglich ist auch, ob die KI-Horrorvision, die Goertzel angesichts der Dominanz von Firmen wie Google und Amazon vor Augen hat, wirklich zutrifft. Vor allem Google und Microsoft betonen stets die Offenheit ihres Ansatzes in der künstlichen Intelligenz: Sie bieten „AI as a Service“ an – also Rechenkapazitäten für KI-Berechnungen, die jeder aus dem Internet beziehen kann. Wichtige Software und Frameworks, wie das vor allem von Google entwickelte Tensorflow, stehen außerdem ohnehin unter einer Open-Source-Lizenz und stehen jedem offen.

Klar ist derzeit: Auf dem Markt der Möglichkeiten, die Gründer derzeit zum Thema Blockchain-Visionen anbieten, bietet Goertzel auf jeden Fall zumindest eine sehr spannende Geschichte an, die die Phantasie anregt. Je nachdem in welche Richtung man diese Phantasie weiterspinnt, steht am Ende eine große demokratische menschheitsbeglückende Superintelligenz, die jedem zur Verfügung steht oder eine Science-Fiction-Dystopie à la „Skynet“, wie sie in den Terminator-Filmen die Menschheit unterjocht. Am wahrscheinlichsten ist vermutlich, dass keine der beiden Visionen zutrifft und das Projekt an technischen oder anderen Herausforderungen scheitert – aber immerhin zeigt die Idee, in welche Richtung sich die Kombination von Blockchains und KI entwickeln könnten.

 

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