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Blockchain: Wenn die „Trust-Machine“ um Vertrauen kämpfen muss

Bitcoin, Ethereum und andere Blockchains sind auf dem Weg in den Mainstream – doch dieser Weg ist lang und anstrengend.

Von Dr. Holger Handstein
5 Min. Lesezeit
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(Foto: r.classen / Shutterstock)

Vertrauen ist Mangelware. Um diese These aufzustellen, ist nach der Entscheidung der Briten für den Brexit aus Misstrauen gegenüber Europa, der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten aus Misstrauen gegenüber der politischen Elite und dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag kein abgeschlossenes Studium in Raketenwissenschaft nötig. Angesichts dieser und anderer politischer Brüche gerät fast in Vergessenheit, dass die Bevölkerung weiterhin auch Teilen der Wirtschaft zutiefst misstraut. Besonders schlecht steht in dieser Hinsicht eine Branche da, für deren Funktion vertrauen unabdingbar ist: der Finanzsektor.

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Vor diesem Hintergrund erscheint es fast logisch, dass 2017 das Jahr ist, in dem mit der Blockchain eine der aufregendsten technologischen Neuerungen der vergangenen Jahrzehnte wirklich im Mainstream anzukommen scheint. Schließlich ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg des dezentralen digitalen Aktenorders, dass er wirtschaftliche Transaktionen ermöglicht, ohne dass die Parteien einander vertrauen müssen. Die Blockchain ersetzt Trust durch Technologie – und wurde gerade deshalb vom britischen Magazin The Economist als Trust-Machine geadelt.

Kryptowährungen auf Erfolgskurs

Wie dynamisch die Entwicklung verläuft, lässt sich am besten anhand der Kurse von Bitcoin, Ether und anderen Blockchain-basierten Kryptowährungen verfolgen. Der Wert der vergleichsweise alteingesessenen Bitcoin stieg – in US-Dollar ausgedrückt – zwischen Ende Dezember 2016 und Ende Oktober 2017 um unheimliche 666 Prozent. Ether, die digitale Währung der aufstrebenden Ethereum-Blockchain, legte sogar um sagenhafte 3.750 Prozent zu.

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Zugleich hat sich rund um die Kryptowährungen ein vielfältiges und florierendes Startup-Ökosystem gebildet. Die mal mehr, mal weniger aufregenden Neugründungen wollen Blockchain-Kreditkarten, schnelle Krypto-Zahlungsdienste und andere Produkte auf den Markt bringen. Oder gleich ganz neue Kryptowährungen. Um an Kapital zu gelangen, nutzen viele dieser Startups die so genannten Initial-Coin-Offerings (ICOs), eine Hybridform aus Crowdfunding und völlig unreguliertem Börsengang, bei dem Anleger digitale Assets erwerben können, die im Wert steigen, wenn das Unternehmen erfolgreich ist. So riskant diese Form der Startup-Finanzierung für Investoren ist, so erfolgreich ist sie zugleich für die Gründer: Allein bis Mitte Juli wurden über ICOs nach Berechnungen der Investmentbank Goldman Sachs weltweit 1,25 Milliarden Dollar eingeworben – zehnmal so viel wie im Gesamtjahr 2016 und mehr als 2017 durch die klassischen Frühphasen-Finanzierungsinstrumente Angel- und Seed-Kapital zusammenkamen.

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Mit dem Erfolg wurden neue, breitere Anlegerschichten auf die Krypto-Szene aufmerksam – und schließlich auch die internationalen Finanzaufsichtsbehörden. Dafür gibt es gute Gründe, denn selbst zunächst als Erfolgsgeschichten gepriesene Startups wie Tezos oder Bancor gerieten zwischenzeitlich in schwere Turbulenzen. Daneben gab es auch offenkundige Betrugsfälle, deren bekanntester im deutschen Sprachraum sicher das Schneeballsystem Onecoin war. Die Vertrauensmaschine funktioniert eben nur, wenn hinter ihr auch wirklich eine durchdachte Technologie steht – und nicht bloß ein ausgeklügelter Plan, um arglose Anleger um ihr Geld zu bringen.

Es ist daher verständlich, dass die US-Börsenaufsicht SEC im Juli signalisierte, sie betrachte ICOs durchaus als regulierungsbedürftige Wertpapiere, um Anfang November mit einer Warnung vor illegaler ICO-Promotion an Prominente nachzulegen. Oder dass Chinas Notenbank Anfang September ICOs gleich ganz untersagte. In anderen Ländern gibt es ähnliche Entwicklungen, und auch in Deutschland steigt die Aufmerksamkeit von Regulatoren und Rechtsanwälten für Blockchain-Startups.

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Neue Herausforderungen für die Krypto-Szene

Für die Krypto-Szene ist das in mehrfacher Hinsicht ein Paradigmenwechsel. Denn damit steigen nicht nur die Anforderungen an Geschäftsmodelle und Governance junger Unternehmen, sondern nicht zuletzt auch die kommunikativen Anforderungen, denen sich Gründer, Entwickler und andere Akteure stellen müssen.

Wer die Vorzüge der Blockchain wirklich in den Mainstream tragen möchte, muss das Vertrauen völlig neuer Zielgruppen gewinnen. Dafür braucht es mehr als eine Website ohne echtes Impressum, ein Whitepaper-PDF für technologisch Eingeweihte und ein eigenes Subreddit mit einer dreistelligen Zahl von Abonnenten. Zuallererst bedeutet das, dass Startups eine sinnvolle, integrierte Kommunikations- und Marketingstrategie benötigen, mit deren Hilfe sie die Brücke zum Mainstream schlagen können, ohne zugleich die Brücken zu den orthodoxeren Teilen der Krypto-Community hinter sich zu verbrennen.

Dies nämlich ist eine Herausforderung, mit der sich Krypto-Startups noch viel stärker konfrontiert sehen als traditionellere Fintechs: Eine dezentrale, von Autoritäten unabhängige Währung zu schaffen und irgendwann sogar das bestehende Finanzsystem abzulösen, ist noch heute integraler Bestandteil des stark libertär geprägten Mythos rund um Kryptowährungen. Leider verträgt es sich eher schlecht mit der Idee, im Hier und Jetzt mithilfe eben dieses Finanzsystems Geld einzuwerben oder zu verdienen. Eine intelligente Kommunikationsstrategie muss diesen Trade-Off berücksichtigen und managen.

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Zugleich muss sie Krypto-Startups in die Lage versetzen, den Erwartungen von Aufsichtsbehörden, Investoren, traditionellen Medien und anderen Stakeholdern hinsichtlich Verständlichkeit relevanter Informationen, Transparenz, Compliance und Reaktionszeiten zu entsprechen. Dies kann vor allem dann zum Problem werden, wenn Gründer mit einer Idee den globalen Markt in den Blick nehmen, zugleich aber weder über große personelle Ressourcen noch über hinreichende Erfahrung in einem solchen Umfeld verfügen.

Gerade global operierende Kommunikationsberatungshäuser mit Technologie-, Finanzbranchen- und Kapitalmarkterfahrung auf mehreren Kontinenten können daher für solche Startups eine wichtige Stütze sein. Sie bringen dringend benötigte Ressourcen mit. Sie sind im besten Fall in der Lage alle relevanten Kommunikations- und Marketinginstrumente zu nutzen und die jeweils passenden auszuwählen. Und sie verfügen in der Regel über starke Strukturen und Prozesse, die agilen, aber oft auch etwas chaotischen Startups Halt geben können.

Agenturen müssen dazulernen

Auch diese großen Agenturen müssen jedoch bereit sein dazuzulernen: Eine große Auswahl an Kommunikationsinstrumenten zu beherrschen, heißt eben nicht, sie in jedem Fall auch anzuwenden. Für ein mit reichlich Venture-Kapital ausgestattetes Unternehmen zu arbeiten sollte nicht dazu animieren, sich kurzfristig einen möglichst großen Teil dieses Kapitals zu sichern. Und einen brillianten Gründer mit tollen Ideen als Gesicht des Unternehmens nutzen zu können, ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass auch die Tage dieses Gründers nur 24 Stunden haben.

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Wenn Krypto-Startups den Schritt ins Establishment gehen, bedeutet das daher harte Arbeit für beide Seiten – für die Startups, aber auch das Establishment. Dennoch sollten beide Seiten das Wagnis eingehen. Schließlich ermöglichen Blockchain-Anwendungen nicht nur Innovationen, die sich für Verbraucher ebenso auszahlen können wie für Unternehmen. Auch das Finanzsystem insgesamt könnte eine Trust-Machine, die breite Anerkennung findet, gegenwärtig wirklich gut gebrauchen.

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