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Interview

Statt Boomern, Millennials und Gen Z: Wie moderne Zielgruppen-Einteilung im Marketing funktioniert

Unternehmen verschenken mit der Einteilung von Zielgruppen über das Alter Chancen. Laut einer Expertin gibt es moderne Alternativen, um die Richtigen zu erreichen.

5 Min.
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Die Einteilung nach Generationen auf Basis des Alters ist in der Wissenschaft umstritten. (Foto: Rawpixel.com / Shutterstock)

Generation Gen Z, Millennials oder Boomer – Die Einteilung von Zielgruppen erfolgt im Marketing gern über das Alter. Laut Mareike Ahlers, Marketingdozentin an der Universität Münster, ist diese in der Regel allerdings zu ungenau: Interessen, die die Kaufentscheidung beeinflussen, werden dabei nicht beachtet. Statt Zielgruppen nach dem Alter und weiteren demografischen Merkmalen einzuteilen, gibt es modernere Ansätze.

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t3n: Die Generationstheorie ist in der Wissenschaft umstritten. Warum hat sich dennoch im Marketing durchgesetzt, liegt das an der Einfachheit?
Mareike Ahlers: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Das Marketing lebt davon, in vielen Kontexten komplexe Sachverhalte zu vereinfachen – etwa vom Alter auf eine Lebensphase, von dieser auf Interessen und schließlich Verhaltensweisen zu schließen. Daraus schließe ich dann auf das Konsumverhalten, was ich durch das Marketing ja beeinflussen möchte. Gleichzeitig kommen aus dieser Altersstruktur Begriffe heraus, die sich selbst gut vermarkten und in den Medien schöner bespielen lassen – wie Gen Z.

t3n: Das Alter ist jedoch nur ein demografischer Faktor, dazu gibt es etwa Beruf und Einkommen. Wird dem Alter nicht etwas zu viel Bedeutung beigemessen?
Absolut. Was Sie ansprechen, sind die verschiedenen Ebenen. Das Alter ist eine demografische Kennzahl, aber es gibt auch andere, die wichtig sind. Wenn wir in der Gruppe der klassischen Merkmale bleiben, reicht das Alter schon nicht mehr aus: Ich kann mit 25 Jahren noch studieren und froh sein, meine Miete zahlen zu können. Oder ich habe schon ein Biotech-Startup gegründet. Je nachdem kaufe ich unterschiedliche Kleidung, mache andere Urlaube. Dazu kommen neben den demografischen und sozioökonomischen Merkmalen die psychografischen Merkmale. Jemand, der mit 25 Jahren noch studiert, kann dieselben Werte haben wie jemand, der schon ein Startup und Millionen auf dem Konto hat. Der Blick auf die Werte macht die Einteilung von Zielgruppen noch komplexer.

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t3n: Damit adressieren Sie auch die Theorie der Sinusmilieus. Diese Einteilung nach Wertegruppen gibt es seit Jahren – allerdings kommt sie ja auch an ihre Grenzen, oder?
Was bei den Sinusmilieus interessant ist: Sie kombinieren beide Achsen, die demografisch-sozioökonomische und die wertebasierte. Auch wenn die Theorie vergleichsweise uralt ist, ist sie dennoch modern: Es werden verschiedene Kriterien dabei verbunden. Das ist schon mal besser, als nur nach dem Alter zu gehen. Aber: Personen können sich, auch wenn sie in unterschiedlichen Milieus sind, ähnlich verhalten. Dazu kommt: Diese Milieustudien sind nie am Beispiel eines Unternehmens durchgeführt worden. Stattdessen wird mit einem großen Datensatz in die Bevölkerung geschaut.

t3n: Die Weiterentwicklung davon ist die Aufteilung nach Lebensstilen. Ist das die beste Möglichkeit, Zielgruppen zu bilden?
Ich denke, es ist schwierig zu sagen, was am besten ist. Die Lebensstile sind eine moderne Form. Aber auch da ist die Frage: Um welche Güter geht es eigentlich? Es gibt Güter, da ist der Lebensstil entscheidend – aber das ist nicht bei allen der Fall. Windeln und Babynahrung brauche ich beispielsweise in einer Lebensphase. Ich kann auch im ersten Schritt primär nach Lebensphasen segmentieren und im zweiten Schritt darauf basierend weiter hineingehen. Habe ich ein Produkt, bei dem es keinen Kontext zu einer Lebensphase gibt, sollte ich die Zielgruppe besser über den Lifestyle bilden.

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Eine Portrait-Aufnahme von Markeike Ahlers

Mareike Ahlers ist Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Prof. Bruhn & Partner. (Foto: Prof. Bruhn & Partner)

t3n: Zu der Einteilung nach Lebensstilen passt ja auch der, gerade im Social-Media-Bereich verbreitete Hinweis, auf Nischen zu schauen. Trends wie „Clean Girl“ waren da jüngst ein großes Thema. Würden Sie da auch sagen, dass diese Einteilung eher oberflächlich und kurzfristig ist, da Trends ja schnell wieder verschwinden?
Für das Marketing ist es immer schön, sich auf eine möglichst spitze Zielgruppe fokussieren zu können. Da sind die Streuverluste am geringsten. Wenn ich dagegen große Zielgruppen anspreche, wie beim Milieu-Ansatz, habe ich viele Streuverluste. Aber: Je kleiner die Nische, desto weniger Personen müssen mein Marketingbudget tragen. Wenn ich es auf eine kleine Zielgruppe ausrichte, muss ich da so viel verkaufen, dass sich der ganze Ansatz lohnt. Dazu kommt die Unsicherheit, ob diese Zielgruppe überhaupt eine zeitliche Stabilität hat: Ist sie nur 2024 relevant, muss ich in dem Zeitraum entsprechend Geld verdienen, damit sich dieser Marketingansatz amortisiert. Bei einem Ansatz wie Clean Girl wäre ich zudem vorsichtig, ob dies ein sich etablierender Lifestyle ist oder nur eine Modeerscheinung. Auch zweiteres kann für das Marketing durchaus interessant sein, entspricht aber keiner strategischen Segmentierung. Zudem ist es sehr produkt- und serviceabhängig, ob sich eine solche Einteilung lohnt.

t3n: Bei welchen Produkten lohnt sich so eine enge Ausrichtung nicht?
Viele Drogerie- und Lebensmittelprodukte sind nicht so ausgerichtet. Für den Verkauf von Zahncreme oder Keksen brauche ich sie eher nicht. Da muss die Zielgruppe weiter gefasst werden. Man muss immer aufpassen: Alle Unternehmen wünschen sich attraktive Zielgruppen – aber der Großteil der Produkte, die zu unserem täglichen Bedarf gehören, hat sie nicht. Da müssen wir in der Realität bleiben und nicht irgendwelche Lebensstile erfinden, um eine kleine Zielgruppe zu finden, die am Ende gar nicht das Budget trägt.

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t3n: Das heißt, die Erstellung der Zielgruppen ist sehr individuell und muss möglicherweise in Unternehmen auch auf verschiedene Produktkategorien angepasst werden.
Genau, im besten Fall erfolgt die Zielgruppensegmentierung immer unternehmensindividuell. Da gibt es inzwischen einen Trend zur evidenzbasierten Segmentierung. Dabei nutze ich weder einen Milieuansatz noch den Lebensstil, sondern führe unter meinen Kunden Befragungen durch. Auf Basis der Daten nimmt man eine Clusterung vor und analysiert, welche entscheidenden Segmentierungsmerkmale sich dort zeigen.

t3n: Wie gehen Unternehmen aus ihrer Sicht mit dem Thema Segmentierung um?
Aus meiner Sicht ist das Thema Zielgruppensegmentierung die zentrale Phase in der Marketingstrategie, und ich glaube, es ist die Phase, die noch am meisten von Unternehmen unterschätzt wird. Sie entwickeln allerdings derzeit mehr Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, sich damit evidenzbasiert auseinanderzusetzen. Aber es läuft noch viel nach dem Motto „Wir machen mal einen Workshop und entwickeln Zielgruppen“.

t3n: Wie wird sich das Thema Segmentierung aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Das ganze Thema wird auch durch die technologische Entwicklung beeinflusst. Das Targeting, also das Eins-zu-eins-Erreichen, wird noch weiter zunehmen. Die Segmentierung lässt sich dadurch aber nicht ersetzen. Auch beim One-to-one-Marketing muss ich mir erst die strategischen Gedanken zur Segmentierung machen. Ich denke, die Ansätze werden generell dynamischer. Für Unternehmen wird es mehr darum gehen, wie sich Zielgruppen in kürzester Zeit verändern. Darauf wirken auch die gesellschaftlichen Trends, aktuell ist viel im Umbruch. Das wirkt sich auf Gesellschaftsstrukturen auf, was auf die Zielgruppen wirkt. In Zukunft wird die unternehmensindividuelle Segmentierungsstrategie, die auf Kundenbefragungen basiert, weiter an Bedeutung zunehmen. Mit regelmäßigen Studien lässt sich gut zeigen, wie sich Zielgruppen verschieben, welche Segmente schrumpfen und welche wachsen.

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