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Wie kontrovers Big Tech um die Homeoffice-Lösung ringt

Amazon-Chef Andy Jassy und Tesla-CEO Elon Musk vertreten unterschiedliche Ansichten, wie weit die Homeoffice-Kultur gehen darf. Doch auch andere Big Techs probieren sich aus – oft mit Gegenwind.

6 Min. Lesezeit
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Amazon-Chef Andy Jassy und Tesla-CEO Elon Musk. (Grafik: dpa/Shutterstock | Vasilis Asvestas)

Die Coronapandemie hat vielen Techunternehmen zu neuen Höhenflügen verholfen: Amazon beispielsweise gehörte zu den großen Gewinnern, da die weltweiten Lockdowns den E‑Commerce boomen ließen. Inzwischen ist das Geschäft wieder etwas getrübt, denn die aktuell hohe Inflation frisst die Kaufkraft der Kundinnen und Kunden. Das Unternehmen steht vor neuen Herausforderungen. Was jedoch geblieben ist, sind Ansprüche und Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die während der Krise entstanden sind.

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Dazu gehört auch, dass viele Menschen weiterhin daheim arbeiten möchten, anstatt zurück ins Büro zu ziehen. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Gartner geben 69 Prozent der mittelständischen und großen US-Unternehmen an, dass Mitarbeitende mit Jobs, die remote erledigt werden können, zumindest eine bestimmte Anzahl von Tagen in der Firma verbringen sollen. Hybridmodelle haben sich in den USA wie auch hierzulande etabliert. Auch Amazon hat sich den neuen Gegebenheiten angepasst.

CEO Andy Jassy geht einen progressiven Weg. Wie er vergangene Woche auf der Code-Konferenz in Los Angeles erneut bekräftigte, überlässt Amazon es den Mitarbeitenden selbst, ob und wann sie ins Büro kommen. „Wir planen nicht, von den Leuten zu verlangen, dass sie zurückkommen“, erklärt er auf der Bühne. Jedoch gibt er auch zu verstehen, dass der Konzern sich stets an neue Gegebenheiten anpassen werde. So wie die Pandemie zu Remote Work geführt hat, könnten andere Geschehnisse auch wieder andere Regeln nach sich ziehen.

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Apple: Tim Cooks Homeoffice-Regel sorgt für Ärger

Google-CEO Sundar Pichai und Apple-Chef Tim Cook. (Grafik: dpa)

Andere Techchefs sind da deutlich konservativer. So machte Tesla-CEO Elon Musk erst vor wenigen Monaten per Twitter auf sich aufmerksam, als er bekannt gab, dass er künftig auf die Präsenzpflicht der Belegschaft bestehen werde. Dabei ging er gewohnt polternd vor, als er twitterte: „Wenn jemand nicht erscheint, müssen wir davon ausgehen, dass diese Person das Unternehmen verlassen hat.“ Mit dieser Drohung geht der Techmilliardär einen Sonderweg, der in der Branche in der Form eher untypisch ist. Und das hat auch gute Gründe.

Ein ziemliches Fiasko löste nämlich Apple-CEO Tim Cook aus, als er über die Köpfe der Belegschaft hinweg neue Homeoffice-Regeln ausrief. Dabei ging er zwar wesentlich wohlwollender zu Werke, indem zwei Homeoffice-Tage zugestand, jedoch sorgte er für Frust, weil er die konkreten Tage vorgab. In einem Protestbrief schrieb das Team, das Cook echte flexible Arbeit nicht anerkenne und angstgetrieben sei. Er habe „Angst vor der Zukunft der Arbeit, Angst vor der Autonomie der Arbeitnehmenden, Angst vor Kontrollverlust“.

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Die Belegschaft kritisierte, dass die Firma die eigenen Werte nicht vertrete: „Wir sagen all unseren Kunden, wie großartig unsere Produkte für die Remote-Arbeit sind, aber wir selbst können sie nicht in Remote-Arbeit nutzen?“ Der Streit eskalierte, als erste Kündigungen durchsickerten. Ian Goodfellow heißt der bisher prominenteste Abgang. Er gilt als Koryphäe im Bereich des maschinellen Lernens. Apple-CEO Tim Cook hat offenbar nicht einmal seine Topführungskräfte zuvor angehört. Nur wenig später ruderte er zurück.

Google ging da in Teilen sorgsamer um, indem der Techkonzern interne Umfragen durchführte. Die ergaben, dass rund 62 Prozent der Belegschaft nur gelegentlich ins Büro kommen möchten. 15 Prozent würden am liebsten nur für wichtige Meetings das Homeoffice verlassen. Wirklich jeden Tag ins Büro wollen hingegen nur 10 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Demgegenüber stehen 20 Prozent, die am liebsten ausschließlich zu Hause arbeiten wollen. Google-CEO Sundar Pichai hat stets Hybridmodelle befürwortet.

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Trotzdem sorgte Google neben Apple auch für Aufregung. Als vergangenes Jahr der Plan bekannt wurde, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice schlechter zu bezahlen, wenn sie an einem Ort mit niedrigeren Lebenshaltungskosten lebten, empörte sich die Belegschaft zunächst öffentlich. Google gab sich jedoch unbeeindruckt: „Unsere Vergütungspakete waren schon immer standortabhängig und wir zahlen immer an der Spitze des lokalen Marktes“, zitiert das Nachrichtenmagazin Reuters einen Google-Sprecher.

Facebook: Mark Zuckerberg ist zu Hause produktiver

Twitter-CEO Parag Agrawal und Facebook-Chef Mark Zuckerberg. (Grafik: dpa)

Auch Techgiganten wie Facebook und Twitter bezahlen ihren Angestellten weniger Geld, wenn diese dauerhaft im Homeoffice in Gegenden mit niedrigeren Lebenshaltungskosten arbeiten als am jeweiligen Firmenstandort. Und auch sonst sind die Social-Media-Plattformen einer Meinung, indem sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern flexible Modelle à la Amazon versprechen. So schrieb Twitters neuer CEO Parag Agrawal kürzlich per Memo ans Team: „Ihr könnt dort arbeiten, wo ihr euch am produktivsten und kreativsten fühlt.“

Facebook hat in einer internen Mitteilung angekündigt, den meisten Beschäftigten die Wahl zu lassen, ob sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten. CEO Mark Zuckerberg glaubt, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren bis zu 50 Prozent der Belegschaft die Option zur Remote-Arbeit in Anspruch nehmen. Zuckerberg gilt als offen. Während der Pandemie habe ihm Homeoffice laut Bloomberg „mehr Raum für langfristiges Denken“ gegeben und mehr Zeit mit seiner Familie, was ihn im Job „glücklicher und produktiver“ machte.

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Unzählige Umfragen zeichnen inzwischen ein klares Bild, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich wünschen. Das Beratungsunternehmen Ernst & Young kam unter anderem kürzlich zu dem Ergebnis, dass 81 Prozent der Befragten in Zukunft nicht mehr an allen Wochentagen im Büro arbeiten möchte. 38 Prozent bevorzugen wöchentlich drei bis vier Büroarbeitstage. 36 Prozent können sich nur noch ein bis zwei Arbeitstage im Büro vorstellen. Sie alle eint, dass sie sich flexible Absprachen anstelle von starren Regeln wünschen.

Das Problem für die Techfirmen liegt nicht darin, dass sie das nicht ermöglichen könnten, viele wollen das schlicht nicht. Das könnte laut Beobachtenden auch damit zusammenhängen, dass einige Firmen sich vor der Pandemie gigantische Firmenzentralen leisteten: Allein Apples neuer Campus, Apple Park, umfasst 130.000 Quadratmeter Bürofläche. Im Inneren des ringförmigen Gebäudes befindet sich ein zwölf Hektar großer Park, der doppelt so groß wie der Wiener Stadtpark ist. Das Areal war für 12.000 Mitarbeitende vorgesehen.

Als Baukosten wurden ursprünglich drei Milliarden US-Dollar angesetzt, Medienberichten zufolge sollen es nach der Fertigstellung im Jahr 2017 aber letztlich fünf Milliarden gewesen sein. Andere Techunternehmen wie Twitter sind da deutlich bodenständiger unterwegs. Die Firmenzentrale des Kurznachrichtendienstes befindet sich in dem vernachlässigten Tenderloin-Viertel in San Francisco. Das Unternehmen bucht je nach Bedarf neue Räume in dem Art-deco-Gebäude an der Market Street hinzu oder kündigt Verträge wieder.

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Netflix: Reed Hastings glaubt an ein 4:1-Hybridmodell

Microsoft-CEO Satya Nadella und Netflix-Chef Reed Hastings. (Grafik: dpa)

Ob die Firmenzentralen bei den Remote-Regeln eine Rolle spielen, ist nicht abschließend bekannt. Offizielle Aussagen gibt es nicht. Meistens gehen die Techbosse mit anderen Argumenten voran. So äußert auch Microsoft-CEO Satya Nadella regelmäßig Unbehagen bezüglich zu intensiver Heimarbeit. Ohne klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben fühle „es sich manchmal so an, als würde man bei der Arbeit schlafen“, sagt er dem Wall Street Journal. Trotz der Bedenken arbeitet der Konzern an einem Hybridmodell.

Auch Netflix-Chef Reed Hastings fiel in der Vergangenheit eher mit Skepsis auf. Kaum ein Unternehmen profitiert kundenseitig mehr vom Trend des Zuhauseseins als der Streamingdienst. Dann sagte er gegenüber dem „Wall Street Journal“, es sei „rein negativ, nicht persönlich zusammenkommen zu können“. Ihm falle kein einziger Vorteil ein, der für Homeoffice spreche. Dass der Trend jedoch nicht aufzuhalten sei, ließ er ebenfalls durchsickern. Hastings glaubt, dass sich die Lösung bei 4:1 einpendeln dürfte. Sprich: vier Tage im Büro, einer zu Hause.

Big Tech ist sich offensichtlich nicht immer einig bezüglich der Zukunft der Arbeit. Hybrid Work scheint zwar derzeit der kleinste gemeinsame Nenner bei der Mehrheit zu sein, jedoch gibt es auch große Unterschiede im Umgang damit – mal zur Freude und mal zum Kummer der jeweiligen Belegschaft. Dabei wird angesichts der vielen verschiedenen Ansätze deutlich, dass die Branche noch um eine One-fits-all-Lösung ringt, die alle glücklich macht. Ob es die jemals geben wird, bleibt jedoch fraglich. Wer Wegweiser wird, ebenso.

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