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AfD, Grüne, CSU: So schmutzig geht es im digitalen Wahlkampf wirklich zu

„Möge der mit den besseren Argumenten gewinnen“ – von diesem Credo haben sich etliche Parteien während der Bundestagswahl 2017 deutlich entfernt. Schmutzkampagnen erobern das Netz.

5 Min. Lesezeit
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Die AfD um Alice Weidel hält es nicht so mit der Wahrheit. Auch andere Parteien springen auf die foulen Tricks auf. (Foto: dpa)

Der Wahlkampf ist längst schmutzig geworden. Und das liegt vor allem an etlichen Fakes, die im Netz kursieren und nachweislich auf Parteien zurückgehen. Mutwillig gefälschte Bilder sorgen für Wut bei vielen Wählern. Fiktive Zahlen sollen Unruhe stiften. Und in den Mund gelegte Zitate lassen die Emotionen vieler Menschen hochkochen. Der besorgniserregende Trend seinen politischen Gegner durch diskreditierende Lügen zu schaden, hatte zuletzt vor allem im US-Wahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton neue Dimensionen angenommen. Doch die unlauteren Mittel nehmen inzwischen auch bei der Bundestagswahl 2017 zu – und vor allem traurige Ausmaße an. Zuletzt ließen etliche deutsche Politiker fiese Fakes im Netz für sich arbeiten.

Fakes unter dem Deckmantel der Satire

Grüne-Fake gegen Christian Lindner: Falsche Zitate auf echten Wahlplakaten. (Screenshot: Twitter)

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Unter dem Deckmantel der Satire haben es beispielsweise erst vor wenigen Monaten die Grünen versucht. Die Öko-Partei, die kurz zuvor noch öffentlich betonte, einen sauberen Wahlkampf betreiben zu wollen, verfälschte FDP-Plakate. Sie legte Partei-Chef Christian Lindner mit erfundenen Zitaten, die sie auf echte Motive montiert haben, regelrecht aufs Kreuz. Den Slogan „Freie Fahrt für freie Porsche-Fahrer? Eigentlich wollte ich nie etwas anderes“ zierte ein manipuliertes Bild, das der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin auf Twitter verteilte. „Zukunft! Zumindest für Kohle und Atom. Windkraft ist mir zu sauber“ steht auf einem anderen Plakat, das die Grünen-Landtagsabgeordnete Wibke Brems verbreitet hat.

Die FDP interpretierte das als grobes Foul der Grünen. Es widerspräche ihrer eigenen Selbstverpflichtung der fairen Wahlkampfführung, kritisierte FDP-Pressesprecher Nils Droste in verschiedenen Medien. Tatsächlich haben die Grünen dazu ein Papier im Netz veröffentlicht, in dem eindeutig steht, dass sie Lügen und bewusste Falschaussagen sowie das Verbreiten von nachweislich und eindeutig falschen Meldungen, Zitaten und Behauptungen entschieden ablehnen. Dass die Kampagne dem Ganzen keineswegs widerspreche, ließ Jürgen Trittin selbstsicher gegenüber Tagesschau.de wissen. Dort zitierten ihn die Journalisten mit den Worten, dass es sich „völlig offensichtlich“ um Satire handele.

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AfD-Fake gegen Heiko Maas: Screenshot des manipulierten Buchtitels. (Screenshot: Facebook)

Nach gleichem Muster lügt sich immer wieder auch die Alternative für Deutschland (AfD) durch das Netz. Vor allem auf Facebook erreicht die Partei damit Hundertausende Menschen. Anders als die Grünen sahen sich die Thüringer AfD-Fraktion und deren Vorsitzender Björn Höcke kürzlich sogar mit juristischem Ärger konfrontiert. Grund war ein manipuliertes Bild, das Justizminister Heiko Maas attackierte. Höcke hatte ein Foto des neuen Buches des Politikers „Aufstehen statt wegducken“ mit einer verfälschten Unterzeile veröffentlicht. Im Original steht darauf „Eine Strategie gegen Rechts.“ Auf dem manipulierten Bild wurde das zu „Eine Strategie gegen das Recht.“ Für Unwissende war der Fake nur schwer zu erkennen.

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„Im Endspurt vor der Bundestagswahl fallen bei den Blockparteien die letzten Hemmungen“, schrieb AfD-Mann Höcke zu der Fotomontage. Mit dem Begriff „Blockparteien“ wollte er offenkundig das politische System in der Bundesrepublik mit dem totalitären System der DDR gleichsetzen. Das Bild wurde hunderte Male von Anhängern geteilt. Auf den Fake angesprochen, behauptete Höcke später, dass die Manipulation nur ein „hintersinniger Scherz“ sei. AfD-Mitglieder bezeichneten die Aktion als Satire. Erst als der betroffene Piper-Verlag mit rechtlichen Schritten drohte, zog der Fraktionsvorsitzende der AfD die Aktion zurück. In den Köpfen vieler Wähler, dürfte sich das Posting während dieser Zeit jedoch längst eingebrannt haben.

CSU-Fake gegen Martin Schulz: Screenshot des Facebook-Post der Jungen Union Bayern. (Screenshot: Facebook)

Nicht so leicht davon kam erst kürzlich die Junge Union Bayerns (JU). Mitglieder der CSU-Nachwuchsorganisation posteten im Kontext der G20-Krawalle zwei Tweets von Martin Schulz auf ihrer Facebook-Seite. Nur der erste der beiden Screenshots stammte jedoch vom SPD-Spitzenkandidaten. Der zweite Tweet war hingegen gefälscht und suggerierte, dass Schulz radikalen Linksextremismus verharmlost. Der Fake-Account @TheRealMartinSchulz sah dem echten Profil @MartinSchulz zum Verwechseln ähnlich. Sowohl der Name als auch das Bild waren identisch. Sogar das Verified-Symbol, das den Menschen die Echtheit eines Twitter-Accounts garantieren soll, hat die JU dreist kopiert.

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Den schnell aufkommenden Shitstorm wiesen die Macher reflexartig von sich. Man habe den Tweet doch „ausreichend gekennzeichnet“ erklärten sie beispielsweise gegenüber dem Stern. Gemeint habe man damit wohl die unterschiedlichen @-Handles, die einzig und alleine das echte vom unechten Profil unterscheiden lassen konnten. Später löschte die JU Bayern das Posting kommentarlos, nachdem sie eine einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts, beantragt durch den betroffenen SPD-Politiker, erhalten hatte. Die CSU und deren Nachwuchsorganisation wurden durch den Gerichtsbeschluss verpflichtet, die Grafik sofort zu löschen und nicht weiter zu verbreiten. Ihnen hätte sonst ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro gedroht.

Täuschungsversuche statt legitimer Meinungskampf

Derartige Manipulationen tauchten während der Bundestagswahl 2017 häufiger auf. Und immer wieder rechtfertigen die Absender die verfälschten Inhalte mit dem Verweis auf Satire. Doch tatsächlich begeben Parteien und Politiker sich damit auf ziemlich dünnes Eis. Denn Satire ist auf den Punkt gebracht in der Regel sozialkritisch, künstlerisch und vor allem erkennbar, sagt Medienanwalt Michael Terhaag. „Fake News sind nicht offensichtlich erkennbar und stellen schlicht falsche Tatsachenbehauptungen auf, die in den allermeisten Fällen, wenn man den Urheber dingfest machen kann, zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche führen.“ Manchmal könne auch einen Anspruch auf Richtigstellung beziehungsweise eine Gegendarstellung geltend gemacht werden.

Die Bandbbreite an Rechtsverstößen, die derartige Veröffentlichung falscher Behauptungen nach sich ziehen können, ist umfangreich. Sie reicht vom Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht über das Recht am eigenen Bild und bis zu den Tatbeständen Beleidigung und Verleumdung. In manchen Fällen könne sogar unlautere Schleichwerbung ein Thema sein, wenn die Tatsache, dass es sich um Wahlwerbung handelt, unzulässig verschleiert wird. Dafür müsste man den Wahlkampf und die Wahlentscheidung jedoch als geschäftliche Handlung interpretieren, meint Terhaag weiter. „Fake News, ob nun als Satire getarnt oder nicht, sind brandgefährlich. Das ist ein glatter Täuschungsversuch und hat nichts mit Meinungskampf zu tun“, sagt der Jurist.

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Dass die aufgeführten Parteien und Politiker völlig unwissend und naiv agieren, ist nur schwer vorstellbar. Vielmehr lassen die provokanten Manipulationen den Rückschluss zu, dass damit gezielt Stimmungsmache in sozialen Netzwerken betrieben wird. Doch auch mit falschen Zahlen, vor allem in Bezug auf Asylbewerber, wird immer wieder hantiert. Zahlen, die eindeutig nicht in die „Schlechte-Witze-Kategorie“ fallen. Anfang des Monats hat die AfD beispielsweise eine Kampagnenseite mit dem aggressiven Titel „Merkel die Eidbrecherin“ online gestellt, auf der mehrere vermeintliche Fakten gegen die Kanzlerin veröffentlicht wurden. Garniert ist sie mit Texttafeln, die Nutzer mit wenigen Klicks über ihre Facebook- oder Twitterprofil teilen können. Eine Zahl stach besonders ins Auge: 15.000 Euro – die angeblich monatlichen Kosten für jeden Einwanderer.

AfD-Fake gegen Angela Merkel: Falsche Zahl (rechts im Bild) soll Wähler empören. (Screenshot: Merkeldieeidbrecherin.com)

Ein Betrag, der laut Stern.de in der Realität „in jedem Fall deutlich unterschritten“ wird. Zwar seien die Kosten nur schwer zu beziffern, da die Gleichung einige Unbekannte enthält, jedoch wäre er bei einer folgerichtigen Gesamtsumme von insgesamt über 300 Milliarden Euro sicher nicht im Haushalt unter „Sonstiges“ verbucht. Vielmehr würde der Betrag bei maximal 1.800 Euro monatlich pro Asylbewerber liegen. Eine Hochrechnung, die die AfD später wohl eingestehen musste, denn inzwischen hat sie die ursprüngliche Zahl auf 1.500 Euro reduziert. Neueste Recherchen von Correctiv.org legen übrigens nahe, dass bei der Seite der Trump-Wahlkampfstratege Vincent Harris heimlich Regie führen würde – ein Experte in der Disziplin des Negative-Campaignings.

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Dein t3n-Team

Hagen Albers

Alles Uralt. Gibt’s keine aktuellen Beispiele?

Antworten
Andreas Weck

Aktueller als aus dem laufenden Wahlkampf und dem laufenden Monat geht fast nicht, nein.

Grüße aus der Redaktion, Andreas Weck.

Antworten
Karsten Günther

Das ist aber nicht Ihr Ernst, dass Satire verboten sein soll, weil es einige Leute gibt, die sie für „Fake News“ halten. Muss es bald Websperren gegen den Postillion geben, weil es immer noch Menschen gibt, die die Meldungen für echte Nachrichten Halten?
Wer die Tweets von Jürgen Trittin nicht für Satire hält, dem ist nicht zu helfen. Auch wird kein halbwegs denkender Mensch annehmen, dass Heiko Maas ein Buch mit dem Untertitel „eine Strategie gegen das Recht“ veröffentlicht. Und die Gegenüberstellung „Was Schulz twittert“ vs. „Was Schulz vorhat“ kann man nur mit ganz bösem Willen oder ganz viel Dummheit für „Fake News“ halten. Nur das letzte Beispiel sind tatsächlich „Fake News“. Soll ab jetzt der politische Diskurs auf Satire verzichten, weil einige Zeitgenossen zu dumm sind, diese als solche wahrzunehmen?

Antworten
Andreas Weck

Hallo Herr Günther, es geht nicht darum Satire zu verbieten. Es geht darum, Satire den Menschen oder Organisationen zu überlassen, die sie beherrschen oder deren täglich Brot es ist. Mit – bspw. – der CSU verbindet kein Mensch eine Spaßpartei. Und wenn die Satire auch noch so schlecht gemacht ist, dann nehmen leider nicht wenige Wähler das für bare Münze. Da müssen sie natürlich nicht einstimmen. Aber wie schon im Artikel geschrieben. Da begibt man sich als politische Organisation massiv auf glattes Eis und desinformiert mehr als das man witzig ist.

Lieben Gruß aus der Redaktion, Andreas Weck.

Antworten
LaMue

Das stimmt

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