Das ChatGPT für die Biologie? Forscher zeigen eine KI, die neue Genome entwerfen kann
Wissenschaftler:innen des Arc Institute, der Stanford University und der University of California haben eine künstliche Intelligenz erschaffen, die biologische Forschungen künftig schneller vorantreiben könnte. Die KI trägt den Namen Evo und wurde jetzt in einem ausführlichen Wissenschaftsbeitrag auf Science.org vorgestellt.
So haben die Wissenschaftler:innen eine DNA-KI erstellt
Evo ist in der Lage, neue Genome selbstständig zu entwerfen. Die KI basiert dabei auf dem Prinzip von großen Sprachmodellen wie ChatGPT, die Textbausteine aneinander reihen, um eine Antwort zu liefern. Statt Textbausteinen setzt Evo einzelne DNA-, RNA- und Proteinbausteine zusammen, um daraus einzelne Nukleotide oder sogar neue Genome zu erschaffen. Grundlage dafür ist das Training mit 2,7 Millionen Genomdatensätzen. Darunter befanden sich vorwiegend Genome von Bakterien und Viren, die Bakterien infizieren können.
„Evo entschlüsselt die Muster, die über Milliarden von Jahren der Evolution in DNA geschrieben wurden“, sagt Patrick Hsu, Stanford Assistant Professor of Chemical Engineering. Er fügt hinzu: „Genau wie generative KI die Art und Weise revolutioniert hat, wie wir mit Texten, Audio und Video umgehen, können diese kreativen Möglichkeiten jetzt auch auf die fundamentalen Codes des Lebens angewandt werden.“
Was Evo schon jetzt leisten kann
Um die künstliche Intelligenz zu testen, haben die Wissenschaftler:innen Evo zunächst die Aufgabe gegeben, ein CRISPR-System zu erstellen. Damit können einzelne DNA-Stränge an einer bestimmten Stelle durchtrennt werden, um dort neue DNA-Bausteine einzusetzen oder die Stränge anderweitig zu modifizieren. Die CRISPR-Systeme bestehen dabei aus Proteinen und RNA.
Wie die Forscher:innen betonen, werden neue CRISPR-Systeme normalerweise nur entdeckt, indem man „die bestehenden Systeme der Natur danach durchsucht“. Die KI war stattdessen in der Lage, mehrere neue Systeme vorzuschlagen. Schon beim elften System hatten die Wissenschaftler:innen einen Treffer. „EvoCas9-1“ teilt sich nur etwa 73 Prozent der Struktur mit CRISPR-Cas9 und unterscheidet sich sonst signifikant von anderen Systemen. Trotzdem kann es ähnliche Aktivitäten beim Trennen der DNA-Stränge verzeichnen.
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„Funktionelle CRISPR-Systeme zu erstellen, erfordert eine komplizierte Koordination von Proteinen und RNA. Evos Fertigkeit, diese beide Komponenten in Einklang zu bringen und sie effizient miteinander arbeiten zu lassen, zeigt ein neues Level der Kultiviertheit bei den Engineering-Tools der Biologie“, betont Hsu.
Ferner haben die Forscher:innen Evo dazu genutzt, eine DNA-Sequenz zu erstellen, die sich innerhalb von Genomen bewegen kann. Eine besonders komplexe Gruppe dieser springenden Gene wird als IS200/IS605-Transposon bezeichnet. Trotz der Herausforderung war Evo ebenfalls in der Lage, ein neues Set von Transposonen zu erstellen, die sich von allen anderen unterscheiden, die in der Natur vorkommen.
Der Ausblick auf Evos Zukunft
Evo ist aktuell in der Lage, Genome mit mehr als einer Million Basenpaaren zu entwerfen. Künftig wollen die Forscher:innen diesen Output noch deutlich erhöhen und somit multizelluläre Organismen besser zu verstehen. Hsu sagt dazu: „Langfristig arbeiten wir darauf hin, ein neues Feld des Genom-Designs zu erschaffen, in dem wir zelluläre Grundarbeit leisten und potenziell neue Organismen erschaffen können“.
Ein weiteres Ziel sei es, die Halluzinationen zu reduzieren, die Evo noch hervorbringt, und sie eines Tages komplett zu beseitigen. Diese Falschaussagen, unter denen viele künstliche Intelligenzen leiden, äußern sich bei Evo in falschen CRISPR-Systemen, die nicht funktionieren können.