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Interview

Nach Circ-Übernahme: So funktionieren „Winner takes all“-Märkte

Noch im Sommer blühten vor allem in Berlin die E-Tretroller-Startups auf. Dabei war von Anfang an klar – dieser Markt ist zu klein für alle.

Von Jan Vollmer
4 Min.
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E-Scooter-Anbieter Circ wurde von Bird geschluckt. Hatte die amerikanische Konkurrenz einfach tiefere Taschen? (Foto: dpa)

Als im Sommer 2019 die E-Scooter auf deutschen Straßen zugelassen wurden, ging es plötzlich hoch her: Neben Berliner Unternehmen wie Circ und Tier kämpften auch die US-Unternehmen Lime und Bird um Rollerleiher. Insgesamt gab es sieben Wettbewerber. Während mit den Rollern sogar neue Gig-Economy-Nebenjobs wie Juicer entstanden, war von Anfang an recht klar, dass sich nicht alle Anbieter auf dem Markt halten werden können. Früher oder später würde die Konsolidierung kommen – und Roller-Anbieter müssten ihre Roller wieder einsammeln.

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Dieser Prozess ist jetzt in vollem Gange: Gerade wurde bekannt, dass die Berliner von Circ von der amerikanischen Konkurrenz von Bird übernommen wurden.

Winner takes all: Nicht ungewöhnlich in der Startup- und Tech-Szene

Sogenannte „Winner takes all“-Märkte, bei denen nur noch wenige Spieler im Rennen bleiben, sind in der Startup- und Tech-Szene nicht ungewöhnlich. Wer dort gewinnen will, braucht vor allem eins – tiefe Taschen. Die Schlacht um den deutschen Essenlieferdienst-Markt soll nach Schätzungen 780 Millionen Euro allein an Werbeausgaben verschlungen haben – bevor Lieferando als Sieger vom Platz beziehungsweise Plakat ging.

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Geld beziehungsweise Investitionen gibt es in den USA deutlich mehr als in Deutschland. Aber bedeutet das, dass deutsche Startups auf „Winner takes all“-Märkten gegenüber Konkurrenten aus dem Silicon Valley immer schlechtere Karten haben? Wir haben darüber mit Tobias Kollmann, Professor für Digitale Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und Co-Autor des Deutschen Startup Monitor, gesprochen.

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t3n: „Winner takes all“-Märkte: Ist das Bestehen dort nur eine Frage des Investments?

Tobias Kollmann: Nein, das Investment ist nicht der alleinige Erfolgsfaktor. Die Frage ist ja auch, was man mit dem Kapital macht: Kann man damit umgehen oder nicht? Trifft man die richtigen Entscheidungen? Funktioniert das Marketing? Das ist nicht nur eine Frage des Kapitals, sondern auch der Qualität des Managements.

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t3n: Das heißt, auch als Underdog kann man auf „Winner takes all“-Märkten bestehen?

Es gibt immer Chancen und Risiken in einem Markt. Es ist ein ständiges Wechselspiel der Marktkräfte und des Wettbewerbs. Entscheidend sind für mich die 3R: Reichweite, Relevanz und Reaktion. Es setzt sich der durch, dessen Angebot eine höhere Reichweite hat, dessen Problemlösung eine höhere Relevanz für den Kunden hat und der auf Veränderungen des Marktes schneller reagieren kann.

t3n: Finanzielle Feuerkraft allein sichert also noch nicht den Erfolg?

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Kapital ist für den Erfolg sicherlich notwendig, aber alleine eben nicht hinreichend. Auch das Management und die Entscheidungen in Bezug auf die 3R spielen eine große Rolle.

t3n: Aber mit viel Investment hat man ja zumindest einen erheblichen Startvorteil.

Natürlich fällt es denen, die viel Kapital haben, vielleicht leichter, etwas daraus zu machen. Ob das Ergebnis aber immer richtig und gut ist, ist eine andere Frage. Eine finanzielle Basis muss gegeben sein, führt aber nicht automatisch zum Erfolg. Viele weitere Aspekte müssen hinzukommen. Manchmal auch der Faktor Glück.

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t3n: Also sollte man erstmal abwarten, bis man bei „Winner takes all“-Märkten über Regulierung spricht?

Regulierung ist ein scharfes Schwert, das nur gezogen werden sollte, wenn es tatsächlich zu einem Monopol kommt und es sich auch noch missbräuchlich im Wettbewerb verhält. Ansonsten sollte ein Staat vielmehr über gute Startup-Programme den Wettbewerb am Anfang fördern und zudem das darauffolgende Wachstum über Zukunftsfonds ermöglichen, um eventuelle Kapitalnachteile auszugleichen. Regulierungen sollten eher das letzte Mittel sein, denn die Märkte brauchen Freiheit im Wettbewerb.

t3n: Freie Märkte führen im Internet aber auch zu Monopolen wie Google.

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Nicht immer steht am Ende ein Monopolmarkt. Bei den Gebrauchtwagen-Plattformen haben wir mit Mobile.de und Autoscout24 ja auch zwei Gewinner. Dagegen ist bei den Suchmaschinen nur Google relevant und sollte hier ein Missbrauch der Marktstellung erfolgen, dann kann beziehungsweise muss das Thema Regulierung diskutiert werden. Aber grundsätzlich sollte man immer erst genau beobachten, wie sich die Märkte entwickeln, und nicht zu früh eine Situation in Gewinner und Verlierer einteilen.

t3n: Nimmt die Zahl der „Winner takes all“-Märkte zu?

Das ist schwer zu sagen, weil sich auch die Märkte selbst über die 3R immer wieder neu definieren oder über Innovationen sogar wieder verschwinden. Chatroulette war mal sehr schnell der größte Anbieter von One-to-One-Chats und hat aufgrund verschiedener Einflüsse diese Reichweite auch wieder verloren. Xing kämpft ständig im Hinblick auf die Relevanz mit Linkedin. Ebay hatte damit zu kämpfen, dass der Auktionsmechanismus für den Händler nicht mehr so gut funktionierte und das Marktplatzsystem als Reaktion eingeführt werden musste. Die Kundenbedürfnisse und technischen Möglichkeiten zu deren Befriedigung unterliegen gerade heute ständigen Veränderungen und siegreiche Marktpositionen müssen nicht in Stein gemeißelt sein. In der Theorie nennen wir das den Oszillationseffekt: Kunden kommen und gehen, Plattformen und Märkte schwanken und können dadurch durch andere technologische Entwicklungen abgelöst werden.

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t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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