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Die unbekannte Slack-Alternative aus Deutschland mit 500.000 Nutzern

Circuit will sich als deutsche Slack-Alternative etablieren. Die Argumente: Besonderer Datenschutz und eine Selfhosting-Option. Ein Großkonzern setzt bereits auf die Software.

Von Daniel Hüfner
3 Min. Lesezeit
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Circuit ist eine Slack-Alternative aus Deutschland. (Foto: Circuit)

Es gab mal Zeiten, da hat Siemens noch richtig viel Geld mit dem Verkauf von Telefonanlagen verdient. 3,2 Milliarden Euro Umsatz erzielte die entsprechende Konzernsparte noch 2008. Doch das war einmal. Spätestens mit dem Erfolg des iPhones und der wachsenden Verbreitung softwarebasierter Kommunikationslösungen setzte bei Siemens Enterprise Communications, das inzwischen Unify heißt, der wirtschaftliche Niedergang ein. Die Verluste stiegen von Jahr zu Jahr, ein angedachter Börsengang scheiterte.

„Lieber kannibalisieren wir uns selbst, als das unserer Konkurrenz zu überlassen“

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In den Köpfen der Manager musste also ein Umdenken stattfinden. „Innovation und Veränderung passieren, ob man will oder nicht“, sagt Philipp Bohn, Chef der Softwaresparte bei Unify, heute. „Cloud ist Realität, unsere Kunden und ihre Mitarbeiter sind zunehmend mobil und arbeiten in virtuellen Teams. Sie verlangen die monatliche Abrechnung flexibler Dienste.“

So sieht das Interface von Circuit aus. (Screenshot: t3n.de)

Tatenlos zusehen aber wollte Unify den Wettbewerbern aus den USA nicht. „Darum haben wir entschieden, uns lieber selbst zu kannibalisieren, als das unserer Konkurrenz zu überlassen“, sagt Bohn rückblickend. Unify besann sich daraufhin auf das Know-how aus dem Bau von Telefonanlagen und entwickelte über die Jahre eine eigene Kollaborationssoftware für Teams: Circuit.

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Circuit will besser sein als Slack

Noch nie gehört? So geht es vielen. Zumal Circuit auf den ersten Blick nicht mehr bietet als die bereits bestehenden Lösungen auf dem Markt. Die Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern erfolgt plattformübergreifend über Chat, Dateien können während der Konversation ausgetauscht und Nachrichten zurückverfolgt werden. Technisch basiert Circuit auf webRTC, einem offenen Kommunikationsstandard, den Google ursprünglich 2011 zur Nutzung freigab. Dessen Vorteile habe man bei Unify schnell erkannt. „Dass sich webRTC auch im Unternehmensumfeld durchsetzt, haben wir recht früh vermutet und voll darauf gesetzt“, sagt Bohn.

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Optisch sind die Ähnlichkeiten von Circuit aber vor allem mit Slack unverkennbar. Wie das US-Startup setzt die deutsche Software auf ein vergleichsweise buntes Interface und unterstützt – konzernuntypisch – sogar Emojis. „Eine gewisse Ähnlichkeit an Funktionen und Design zeigt sich bei allen Team Collaboration-Tools und damit auch zwischen Circuit und Slack“ gesteht Bohn. Allerdings könne Circuit mit einigen Besonderheiten punkten, die das US-Startup nicht biete.

Datenschutz und Audioqualität im Fokus

Mehr Datenschutz zum Beispiel. Während Anbieter wie Slack oder Hipchat häufig für unzureichende Sicherheitsstandards kritisiert werden, stehen die Server von Circuit in Amsterdam und fallen damit unter die europäische Datenrichtlinie. „Dort können wir unseren Kunden sogar zeigen, wo ihre Daten physisch liegen“, sagt Bohn. Größere Kunden könnten die Software außerdem auf ihren eigenen Servern hosten. Auch das wünschen sich Unternehmen, die Slack nutzen, schon seit Jahren.

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Eine weitere Stärke sieht Bohn in der Audio- und Videoqualität seiner Software, denn Nutzer können innerhalb von Circuit auch miteinander telefonieren, um etwa virtuelle Meetings abzuhalten. Zwar gebe es dafür bereits einige Tools auf dem Markt. „Die Kunst liegt allerdings darin, das Ganze auch für größere Kunden in bester Qualität skalierbar zu machen“, so Bohn. Und in dieser Hinsicht könne Unify von seiner Herkunft als Kommunikationsanbieter profitieren.

Hoffnung auf Kunden über Nacht

Trotz dieser Vorzüge und der Tatsache, dass die Software von jedem kostenlos über die Website heruntergeladen werden kann, ist Circuit sehr wahrscheinlich kaum jemandem ein Begriff. Bohn erklärt sich die geringe Bekanntheit mit fehlendem Marketing und Konzernen als primäre Zielgruppe. Konkrete Zahlen will er zwar nicht nennen: Allerdings werde Circuit bereits von rund 350.000 Mitarbeitern bei Siemens genutzt. Weltweit soll eine „hohe, sechsstellige Zahl“ an Nutzern sogar für eines der kostenpflichtigen Abonnements zahlen.

Dass Bohn die Wachstumsrate auf Nachfrage nur im mittleren einstelligen Prozentbereich angibt, sei kein Nachteil im Vergleich zu den Überfliegern aus den USA. „Das monatliche Wachstum ist für uns weniger eine KPI, da mit einzelnen Enterprise-Kunden über Nacht sehr viele Nutzer hinzukommen können“, sagt Bohn. Erstaunlich sei, dass die Software auch in Ländern genutzt werde, die man erstmal nicht vermuten würde. „Aktuell sind neben unseren etablierten Märkten etwa Australien, Nigeria und die zentralamerikanischen Länder besonders aktiv“, so Bohn.

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Keine Angaben zum Umsatz

Ist die erhoffte Verwandlung vom Telefonanlagen-Verkäufer hin zum Softwareanbieter für Team-Kollaboration damit vollzogen? Auch wenn sich Unify um Leiter Philipp Bohn über den bereits mit Circuit erzielten Umsatz ausschweigt, sieht er das Projekt als Erfolg: „Mit Circuit geben wir bestehenden und neuen Kunden eine Innovationsroadmap. Sie haben die Möglichkeit, Circuit in die bestehende Kommunikationslandschaft einzubinden.“

Ganz bewusst sei man, auch gegen manche interne Widerstände, mit einer frühen Produktversion auf den Markt gekommen, um dann weiter zu iterieren. „Das traut sich in Deutschland nicht jeder“, fasst Bohn zusammen. Außerdem habe ja Circuit nicht bloß das Bestandsgeschäft abgelöst und verdrängt, sondern es ergänzt. Schließich verschwänden wie die E-Mail auch Telefonanlagen nicht über Nacht, wenn überhaupt.

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8 Kommentare
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Dein t3n-Team

Markus Engelhardt

Siemens verwendet Circuit, das stimmt, die Zufriedenheit damit fällt allerdings sehr niedrig aus.
Erst heute konnte ein großes, wichtiges Meeting bei uns mit 20-30 Beteiligten weltweit, nicht stattfinden, einfach weil Circuit mal wieder nicht ging.

Ein Chat Client, der von Haus aus nicht mal blinken kann, wenn eine Nachricht reinkommt, ist für mich ungefähr so praktisch wie eine Tür ohne Griff.

Bei großen Circuit Meetings wird unser ganzes Netz lahmgelegt im Haus, man kann nicht mal die History seines Chatverlaufs aufräumen und es ist unzuverlässig und fehleranfällig, manchmal geht es, manchmal nicht.

Der einzige Grund, warum Siemens Circuit eingeführt hat ist vermutlich, weil Siemens Teilhaber von ATOS ist und die haben das Tool ja verbrochen. Technisch kann das hier bei un si der IT wirklich niemand verstehen.

Antworten
Jürgen Schulze

Danke für die Hinweise. ATOS war das Keyword.

Antworten
Reiner Knudsen

Man sollte erwähnen, dass Circuit den Dienst in Safari verweigert. Das ist schon ärgerlich.

Antworten
Philipp Bohn

Hallo Reiner, wir nutzen webRTC als Standard für Sprach- und Videokommunikation sowie Screensharing und sind daher auf die technische Unterstützung der Browser-Anbieter angewiesen, also auch bei Safari. Wir freuen uns, dass Safari 11 webRTC nun grundsätzlich unterstützen wird: https://developer.apple.com/library/content/releasenotes/General/WhatsNewInSafari/Safari_11_0/Safari_11_0.html

Wir schauen uns gerade an, was das für Circuit bedeutet. Vor allem bezüglich der implementierten Videocodecs gibt es noch offene Fragen. Im Gegensatz zu Microsoft Edge unterstützt Safari offenbar nicht die V8 Implementierung.

Mac-Nutzer können natürlich jederzeit unsere Desktop-App oder Chrome und Firefox verwenden.

Antworten
Matthias

Warum wird denn in dem Artikel mit keiner Silbe mattermost angesprochen?

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Alexander Langguth

Genau dasselbe wollte ich auch gerade fragen. Zumal ja viele Firmen und Startups ohnehin schon einen selbst gehosteten Gitlab server haben der mattermost bereits beinhaltet und nur darauf wartet gestartet zu werden.

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Philipp Bohn

Hier nochmal im Kontext gepostet:

Ich kann natürlich nichts zur journalistischen Arbeit sagen, und es gibt auch viele Artikel über Mattermost, in denen Circuit nicht erwähnt wird.

Die Selbsthosting-Variante für Circuit ist vor allem eher für sehr große Unternehmen gedacht, von daher konkurrieren wir in diesem Segment gar nicht umbedingt.

Antworten
Philipp Bohn

Ich kann natürlich nichts zur journalistischen Arbeit sagen, und es gibt auch viele Artikel über Mattermost, in denen Circuit nicht erwähnt wird.

Die Selbsthosting-Variante für Circuit ist eher für sehr große Unternehmen gedacht, von daher konkurrieren wir in diesem Segment gar nicht umbedingt.

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